Alfa Romeo Giulietta Der DNA-Test

Alfa Romeo Giulietta: Der DNA-Test.

Alfas durften schon immer ein bisschen lauter sein. Ein 75 Turbo, ein 164 QV oder auch ein kompakter 33 Boxer 16V machten stets mit markentypischem Geschrei auf sich aufmerksam und wurden dafür nicht geschmäht. Das gilt auch für die Giulietta der 70er und 80er Jahre, die wir kürzlich gefahren sind, hier geht’s zum Klassiker-Bericht.

Alfa Romeo Giulietta

Zeitreise: Jetzt sitze ich in der Alfa Giulietta, Baujahr 2015, nicht nur einer der beiden letzten Botschafter der Marke neben dem MiTo, sondern auch ein Methusalem im Kompaktklasseumfeld. Seit Frühjahr 2010 kämpft der Kompaktwagen weitgehend unverändert ums Überleben von Marke und Mythos. Und auch dieser Alfa ist kein Leisetreter. Ob das nun zu einem schnöden 150 PS – Dieselkompakten passt oder nicht, sei dahingestellt. Der 2,0 Liter Diesel beweist einmal mehr, dass die Italiener durchaus gute Selbstzünder bauen können. Das Aggregat hängt gut am Gas und hat einen angenehm linearen Durchzug. Nur die scheinbar bewusst hineinkonstruierten Dröhnfrequenzen passen nicht zum Bild. Bei einem sportlichen QV Modell schön und gut, aber nicht hier.

Ansonsten verbreitet Giulietta mit einer interessanten Mischung aus bewusster Schrulligkeit und überholter Technologie zumindest eigenen Charme. Die Vordersitze sind bockhart wie ein Holzstuhl, vor allem der untere Teil der Lehne drückt ganz schön in den Rücken. Oben herum und am Allerwertesten geben die Sessel guten Seitenhalt, wie es die sportliche Ausrichtung von Alfa Romeo verspricht. Im Cockpit glotzt den Fahrer ein rot-grob-pixeliges Display an, nicht mehr State Of The Art.

Ein Stückchen weiter rechts steckt ein Touchscreendisplay im sportlichen Hartplastikarmaturenbrett. Die Auflösung und Anzeigequalität ist OK, mehr auch nicht. Dafür überrascht die Sprachsteuerung sehr positiv. Man muss zwar Ort und Straße sowie Hausnummer einzeln einsprechen, aber alles wird wunderbar verstanden, direkt umgesetzt und die Routenberechnung erfolgt sehr fix. Hut ab dafür.

Bevor wir jetzt aber zum Tech-Check-Blog werden kümmere ich mich wieder um das Fahrerlebnis. Der Schalthebel des manuellen Sechsganggetriebes liegt mit dem runden Knauf sehr gut in der Hand, die einzelnen Gänge lassen sich trotz langer Wege präzise schalten. Trotz der Allerweltsauto-Konfiguration des Testwagens – gemeint ist der Diesel in der 150 PS Klasse – versprüht die Giulietta aus jeder Pore ihren Anspruch, ein Fahrerauto sein zu wollen, die bewusst sportlich-andere Alternative in der Kompaktklasse wenn es partout kein BMW 1er sein soll.

Anders ist nach wie vor auch der Anspruch der Italiener an eine perfekte Qualität. Die elektrische Spiegelverstellung beim 20 Tage jungen Testwagen glänzt durch penetrante Funktionslosigkeit. Die Verkleidung der Lenksäule mag auch nicht so richtig halten (siehe Bilder). Das war es aber mit den Nachlässigkeiten, andere Ärgernisse sind eher konstruktiver Natur. So öffnet die Heckklappe zwar mit Fingerdruck auf das Alfa-Emblem, zum Öffnen fehlt hier oder weiter unten also ein Griff. Man muss als stets in die Fuge zwischen Klappe und Stoßfänger fummeln und holt sich dreckige Hände. Der Beinraum im Fond ist nicht unbedingt üppig, für großgewachsene Fahrer empfiehlt sich Julchen eher als 2+2 Sitzer, zumal auch die Rücksitzbank ordentlich hart gepolstert ist.

Alfa Romeo Giulietta

Laune macht aber ein kleines silbernes Dingens weiter vorne im Innenraum: Der DNA-Schalter vor dem Ganghebel. Mit dieser Wippe kann man zwischen den Fahrprogrammen „Dynamic“, „Neutral“ und „All-Weather“ wählen, was den Charakter des Wagens merklich verändert. Gottseidank passt die Elektronik hier nicht nur Nuancen an. In „Dynamik“ wird die Lenkung merkbar schwergängiger und direkter, der Motor hängt wacher am rechten Fuß und das Display verspricht bei den Bremen „Prefill“ (vorgefüllt) – aha. Interessant ist übrigens, dass hier kein deutsches Menü vorhanden ist.

Ich bin am liebsten in „Dynamic“ gefahren, alleine wegen der Lenkung. Leider fehlt eine vierte Stufe mit der individuellen Kombination einzelner Bausteine, z.B. den Motor auf „Neutral“ in Verbindung mit der sportlichen Lenkung.

27.400 Euro kostet die Giulietta 2.0 JTDM in der „Turismo“ Ausstattung. Alleine die Bezeichnungen der Modellvarianten jubeln lauthals der Sporttradition von Alfa Romeo hinterher. Auch die Sitzbezüge im schnöden grauen Stoff dürfen „Competizione“ heißen, sehr gut. Schon das Basismodell ist recht komplett ausgestattet, der Testwagen mit Metalliclackierung, Xenonlicht, Navigation und Sitzheizung (wie aus dem Baumarkt, mit Schalter am Sitzrahmen) kommt auf 31.140 Euro. Das ist durchaus selbstbewusst, einen vergleichbar ausgestatten VW Golf Comfortline TDI spuckt der VW-Konfigurator für 30.980 Euro aus. Dem Niedersachsen fehlt dafür aber der Geist der sportlichen Marke, die vom Verkaufsraum direkt ins Herz trifft.

So bleibt die Alfa Giulietta, zumindest in dieser braven Version, allenfalls ein durchschnittliches Auto zu einem durchschnittlichen Preis. Wahre Alfa-Fans sehen das selbstredend anders, sie würden niemals einen langweiligen Golf oder Astra dem dynamischen Italiener vorziehen. Und das ist auch gut so, denn es ist schön zu sehen, dass auch in diesen Zeiten nicht alle Autos gleich sein müssen.

Ein Fragezeichen steht hinter der Zukunft der Giulietta. Die Wiedergeburt von Alfa Romeo steht auf angetriebenen Hinterrädern. Nachdem sich Fiat immer weiter aus klassischen Marktsegmenten verabschiedet, gibt es zumindest bei der Mama keine Frontantriebs-Kompaktplattform für eine Giulietta mehr. Vielleicht holt Alfa Romeo ja in einigen Jahren BMW 1er Fans ab, die nicht auf Heckantrieb verzichten wollen und baut die neue Giulietta auf Giulia-Basis? Man wird ja noch träumen dürfen.

Der Testwagen ist ein österreichisches Auto gewesen, entspricht aber dem deutschen Modell. Die Preisangaben sind laut hiesiger Preisliste

Technische Daten

Hubraum 1.956 ccm
Maximale Leistung kW / PS 110 kW / 150 PS bei 4.500 U/min
Max. Drehmoment 380 Nm bei 1.750 U / min
Getriebe 6-Gang-Schaltgetriebe
Höchstgeschwindigkeit 210 km/h
Beschleuningung 0-100 km/h 8,8 Sekunden
Norm-Verbrauch auf 100km 4,2 Liter / 100 km
Verbrauch real auf 100km 7,3 Liter / 100 km
Grundpreis 27.400,00 €
Testwagenpreis 31.140,00 €
Teile das!
Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad