Drei Monate hatte der VW ID.7 Zeit, sich von seinen besten Seiten zu zeigen. Diese Chance nutzte er.
Testberichte wie dieser dienen der Erkenntnisgewinnung, keinesfalls der Bestätigung von Vorurteilen. Daher nähern wir uns jedem Auto unvoreingenommen und mit einer großen Portion Neugier. Auch dem VW ID.7.
Der VW ID.7 im Video
Es wäre in den Augen vieler gewiss populär, der großen Limousine skeptisch gegenüberzutreten. Die Mode des VW-Bashing in den (sozialen) Medien ist noch immer nicht abgeebbt. Unabhängig vom Diesel-Skandal, der auch wirklich einer war und ist (hier soll nichts schöngeredet werden), bekommen auch die Elektroautos oft Schelte. Daran nicht unschuldig war das harte Spardiktat unter Ex-CEO Herbert Diess. Qualität und Verarbeitungsgüte lagen unter dem, was Kunden der Marke zuvor gewohnt waren, dazu kamen eklatante Defizite bei Software und Bedienung.
Der kompakte VW ID.3 stolperte beim Start in eine neue Ära, wurde schon mehrfach überarbeitet – und ist mittlerweile ein zwar immer noch zu teures, aber gutes Auto geworden. 2023 erschien dann mit dem ID.7 das vorläufige Flaggschiff der Elektro-Palette auf dem Markt. Mit dem Marktstart kam das Ende der staatlichen E-Auto-Förderung. Auch das Timing dürfte ein Grund sein, warum der Absatz schleppend anläuft. Oder liegt es am Produkt? Um das herauszufinden, rollte der VW ID.7 im AUTONOTIZEN-Dauertest an. Drei Monate lang stellte er sich dem Fahralltag. Genug Zeit, herauszufinden, was passt – und was nicht.
Außen groß, innen riesig
Spätestens auf dem Vorort-Stellplatz fällt einmal mehr auf, die groß der ID.7 geraten ist. 4,96 Meter misst die Fließheckkarosserie in der Länge. Damit ist er weniger ein Konkurrent des Tesla Model 3, sondern schielt klar in Richtung obere Mittelklasse/Oberklasse. Zugleich dürfte er Umsteiger von Konzern-Verbrenner-Modellen wie VW Passat (den es in aktueller Generation nur noch als Variant gibt) und Skoda Kodiaq in Sachen Platzangebot mehr als zufrieden stellen. Und alle anderen Menschen auch.
Unter der großen Klappe wartet ein 532 Liter großer Kofferraum auf üppiges Reisegepäck. Leider ist auch dieses Elektroauto nicht mit einer smarten Verstau-Idee für das Ladekabel ausgestattet, es findet am besten unter dem doppelten Gepäckraumboden seinen Platz. Auf hohem Niveau liegt die Verarbeitungsgüte.
Das gilt auch für den Innenraum, der zudem eine Luftigkeit im Stil eines Lofts auf Rädern bietet. Im Fond mag man beinahe versuchen, die Beine übereinanderzuschlagen, so viel Luft ist vor den Knien. Trotz des früh abfallenden Dachverlaufs ist auch die Kopffreiheit für große Passagiere absolut ausreichend. Dieser Vorteil wird jedoch als Kompromiss mit einer etwas flach über dem Akku im Boden montierten Sitzfläche erkauft. Stark angewinkelte Beine muss man aber erst ab einer Körpergröße von 1,90 Metern oder mehr bemängeln.
Da bleibt man gerne sitzen
Die „ergoActive-Premiumsitze“ für Fahrer und Beifahrer kosten als Teil des Interieurpakets Plus (in Verbindung mit Harman/Kardon-Soundsystem und weiteren Extras) heftige 4.450 Euro Aufpreis. Unbezahlbar ist jedoch das Wohlfühlaroma, das sie bieten. Nicht nur aufgrund der optimalen Abstützung auf der Sitzfläche und im Rückenbereich. Sondern auch durch die elf fein abgestimmten Massageprogramme mit einstellbarer Intensität, Heizung und Lüftung. Das Sitzklima kann man zudem automatisch steuern lassen. Über Sensoren wird Kühl- und Heizbedarf erkannt und entsprechend gesteuert.
Wenn man nach einem langen, stressigen Tag in den VW ID.7 einsteigt und das persönliche Sitz-Wohlfühlprogramm startet, kommt das Willkommen-Zuhause-Gefühl auf, mit dem Konkurrenz Mercedes-Benz einst im Fernsehen warb. Dabei hilft auch die neue Infotainment-Software mit der Bedienung über den 15 Zoll großen Touchscreen. Über eine feststehende Leiste am unteren Rand des Displays kann man Klima- und Sitzfunktionen direkt erreichen.
Software ohne Probleme
Im Gegensatz zu frühe getesteten Konzern-Fahrzeugen funktioniert die kabellose Verbindung mit dem iPhone über Apple CarPlay stets in wenigen Sekunden, auch gibt es keine Zickerei oder Abstürze des Infotainment-Systems. Die automatische Steuerung der Klimaautomatik kann ihr Versprechen einer Zugfreiheit leider nicht einhalten. Schon damals im Oberklasse-Modell Phaeton hat das nicht funktioniert. Oft spürt man einen zu kalten, zu starken Luftstrom im Brustbereich und muss dann über das Klimamenü im Display manuell nachjustieren.
Die Kombination aus großem Zentralbildschirm, keiner Anzeige hinter dem Lenkrad und dem Head-up-Display mit AR-Inhalten (Augmented Reality, beispielsweise für die Anzeige einer Fahrspurempfehlung) stellt sich im Alltag als wohl austarierte Kombination da, die den Fahrer weder stresst noch vor Rätsel stellt.
Zum Wohlfühl-Charakter des ID.7 passt das DCC-Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern, das man in Verbindung mit den - ebenfalls empfehlenswerten - Matrix-LED-Scheinwerfern gegen Zuzahlung erhält. Idealerweise wählt man eine Einstellung im komfortablen Bereich. Sanft gleitet der große Wagen dann über Bodenwellen und Verwerfungen im Asphalt. Manchmal spürt man ein leichtes Nachschwingen an der Hinterachse, bei niedrigem Tempo zudem eine Anregung an der Front. Im Gegensatz zu den neueren MQB-Evo-Baureihen Passat und Tiguan arbeitet im VW ID.7 noch nicht das DCC Pro mit Zweiventil-Technologie. Aber auch mit einfach geregeltem Ölfluss in den Dämpfern passt das mitarbeitende Fahrwerk gut zum komfortablen Gesamteindruck.
Der AP550 genannte Elektromotor im Heck spielt mit. Mit bis zu 210 kW (286 PS) und einem Drehmoment von 545 Newtonmetern setzt Wünsch am Fahrpedal zur Not auch in schnellen Vortrieb. Ein Tritt in den Rücken überlässt er aber anderen Elektroautos, auch bei forscher Gangart behält er gute Manieren. Die Heckantriebs-Konfiguration stellte Fahrer und Auto auch bei eisigen Straßenverhältnissen im Winter nicht vor Probleme. Wie im ID.3 regelt auch hier die Elektronik zuverlässig und dezent. Abrupte Eingriffe der Traktionskontrolle sind nicht zu spüren.
Sparsamer Umgang mit Strom
Viel wichtiger im alltäglichen Umgang mit einem Fahrzeug ist die Effizienz. Hier kann AP550 klar punkten. 19,2 Kilowattstunden Strom verbrauchte der VW ID.7 im Testzeitraum auf 100 Kilometer. Im reinen Pendlerverkehr über Landstraßen und durch Ortschaften pendelte sich der Stromhunger des großen Wagens bei 16,5 kWh / 100 km ein. Damit lag er unter dem kleineren, leichteren und schwächeren ID.3 (17,5 kWh / 100 km). Bei Elektro-VW wurden bei teils tiefen Wintertemperaturen bewegt. Zügige Autobahnetappen, bei denen auch mal die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h erreicht wurde und sonst mit 120 bis 145 km/h im Verkehr mitgeschwommen werden konnte, resultierten in einem Verbrauch von rund 22 kWh / 100 km. Nach rund 350 Kilometern wurde dann ein Schnelllader angesteuert, im eben angesprochenen Pendlerverkehr erst nach 460 bis 470 Kilometern. Nie mit fast leerem Akku und damit also unter der WLTP-Reichweitenangabe von 613 Kilometern.
175 kW Ladeleistung am Schnelllader verspricht der Hersteller für den ID.7 Pro, der eine netto nutzbare Speicherkapazität von 77 kWh im Lithium-Ionen-Akku vorhält. Dieser Wert wurde am Schnelllader nicht nur einmal mit bis zu 184 kW übertroffen. Kurz nach diesem Peak pendelt sich die Ladeleistung dann auf Werte um 150 kW ein. Nach knapp über 30 Minuten war ein auf zehn Prozent heruntergefahrener Akku-Füllstand wieder auf etwa 85 Prozent gebracht. An der heimischen Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule saugt der ID.7 Wechselstrom dreiphasig mit 11 kW. Durchschnitt also, immer weniger Hersteller leisten sich und ihren Kunden den Luxus eines 22-kW-Onboard-Chargers.
Teuer? Ja, aber…
Auch den VW ID.7 muss man sich leisten können. Wie alle Autos jenseits der 50.000 Euro. Es rutscht manchen Gesprächspartnern schnell ein „viel zu teuer“ über die Lippen, wenn man den Grundpreis des VW ID.7 nennt und dann die Optionen des Testwagens aufzählt. 53.995 Euro kostet die Limousine nach der jüngsten Ausstattungs-Anpassung. Der hier gezeigte Testwagen mit Metalliclackierung, Komfortpaket, Assistenzpaket und weiteren Optionen stellt einen Listenpreis von 68.180 Euro dar. Frech wirkt, dass die Wärmepumpe bei VW nach wie vor mit 990 Euro extra berechnet wird.
Viel Geld also, für viel Auto. Aber im Vergleich mit dem Markumfeld ist der VW ID.7 verhältnismäßig konkurrenzfähig kalkuliert, auch wenn man die aktuelle Verkaufsunterstützung des Herstellers mit 3.750 Euro Prämie außer Acht lässt. Ein Hyundai Ioniq 6 mit 77,4 kWh großem Akku und 168 kW Motoleistung kostet, auf das Ausstattungsniveau des VW-Testwagens mit 61.550 Euro weniger, bietet dabei etwas weniger Raum für Menschen und Koffer. Wenn man den ID.7 als elektrischen Reisewagen mit BMW i5 eDrive 40 und Mercedes EQE vergleicht, dann wird er in dieser Liga zum Schnäppchen.
Nervt denn irgendwas so richtig?
Viel Lobhudelei war in den letzten Zeilen zu lesen. Die hat der VW ID.7 aber auch verdient. Eine Sache nervt jedoch richtig. Genauer gesagt vier Dinge: Es handelt sich um die Türgriffe. Sie sind, einer besseren Aerodynamik zuliebe, bündig in die Karosserie eingelassen. Der Taster zum Öffnen steckt in einer engen Einbuchtung, zudem hinter einer scharfen Kante. Zumindest mit großen Händen rutscht man oft beim Betätigen ab, die Kante sorgt für Schmerzen in der Hand. Ein Manko, mit dem man sich als Vielfahrer mehrfach täglich herumschlagen muss.
Auch der Sparzwang bei den Fensterhebern stört. Weiterhin hat ein ID-VW nur zwei Taster in der Fahrertür für vier Scheiben mit Umschaltfunktion für die hinteren Scheiben. Das wäre nur halb so schlimm, wenn die berührungsempfindlichen Pseudo-Tasten nicht erst mit 2 Sekunden Verspätung reagieren würden. Das gilt auch für die Türentriegelungsfunktion. Oft drückt man ein zweites Mal, beispielsweise um jemanden einsteigen zu lassen). Dann folgt auf die verspätete Ent- die sofortige Verriegelung.
Fazit
Angekommen. So fühlt man sich, wie beschrieben, nicht nur nach dem Einstieg in den VW ID.7. Man kann das auch der Marke attestierten. Denn der aktuell größte ID verkörpert klassische Volkswagen-Tugenden wie eine gute Verarbeitung, logische Bedienung und hohen Komfort mit einem formidablen Raumangebot und dem effizienten Elektroantrieb.
Trotz der hohen Preise kann man der Limousine (und mutmaßlich auch dem neuen Kombi namens Tourer) ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis attestieren. Es ist ein wenig schade, dass der VW ID.7 also wirklich angekommen ist. Nämlich auch am Ende des Testzeitraums.
Technische Daten
VW ID.7 Pro |
|
---|---|
Antriebsart | Elektro |
Antrieb | Heckantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 210 kW (286 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 545 Nm |
Batterie | 77 kwh netto (82 kWh brutto) |
Batterie: Typ | Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 175 kW |
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test | 184 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 11 kW (dreiphasig) |
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test | 11 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 14,3 kWh (mit 19-Zoll-Rädern) |
Reichweite nach Norm | 613 km (mit 19-Zoll-Rädern) |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 19,2 kWh |
Reichweite im Alltag | ca. 400 km |
Kofferraumvolumen | 532 - 1.586 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Winter Contact 235/50 R19 |
Leergewicht | 2.172 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.000 kg |
Stützlast | 75 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.961 / 1.862 / 1.536 mm |
Grundpreis | 53.995 Euro |
Testwagenpreis | 68.280 Euro |