Dodge Challenger SRT Hellcat XR Feucht-fröhliche Orgie

Mit 888 PS durch den Regen: Ein Bericht über die Zurückhaltung.

Vor uns an der Ampel steht ein BMW M4. Tiefer. Etwas breiter. Schwarz matt und mit einem dachhohen Heckflügel aus dem Rennsport-Zubehör angeschärft. Der Besitzer des gewiss nicht langsamen Coupés hat einen großen „PornHub“-Aufkleber auf die Unterseite des Heckflügels geklebt. Der ist so hoch, dass man ihn gut sehen kann.

Nun gut. Wenn der gute Mann da vorne seinen M4 also pornös betrachtet, dann stellt sich durchaus die Frage, welche Art von Orgie wir hier eigentlich feiern. Neben mir auf dem Beifahrersitz erklärt Danny Funktionen und Eigenschaften des Überautos. Der Technikchef des Dodge-Importeurs AEC Europe ist zum Händchenhalten (nein, das hat nichts mit dem Aufkleber zu tun) mit dabei, spielt aber natürlich auch die Rolle des Sicherheitsbeauftragten. Und das mit Fug und Recht.

Kompressor-V8 mit 888 PS

AEC Dodge Challenger SRT Hellcat XR Test

Der Dauerregen, der unbedingt heute das Ende des Sommers einläuten will, fällt nämlich auf Lack, Carbon und Fenster eines Dodge Challenger SRT Hellcat. Das an sich wäre schon Drama genug. 727 PS haut die einstige Endstufe des US-amerikanischen Coupés auf die Hinterachse.

Geht da noch mehr? Die Tüftler bei AEC Europa haben sich diese Frage mit „ja“ beantwortet und legten Hand am 6,2 Liter HEMI-V8 mit Kompressor an. Dem Lader verpassten sie ein kleineres Triebrad für eine entsprechend kleinere Übersetzung. Das erhöht die Motordrehzahl unter Last. Gleichzeitig wurden das Motorsteuergerät und die Software des Achtstufen-Automatikgetriebes von ZF optimiert.

Das Ergebnis: Aberwitzige 888 PS (161 PS mehr als bei der Werks-Hellcat) und ein maximales Drehmoment von 999 Nm (+110 Nm). Die Ampel springt auf grün und wir folgen dem Porno-BMW auf die Bundesautobahn. Die Straße ist nass, trotz aktiviertem Track-Modus bleibt das ESP an. Danny hat zuvor gezeigt, wie biestig das Schiff sein kann. Wenn nämlich auch bei 150 km/h und nicht-mal-ganz-Vollgas die 305 Millimeter breiten 20-Zöller an der Hinterachse durchdrehen. Der Mann mit Rennerfahrung treibt den Dodge leicht quer.

Klappenauspuff von NAP

Darauf verzichte ich nach dem Fahrerwechsel gerne. Auch so fordert das XR-Sondermodell auf jedem Meter eine Menge Respekt von dem Menschen hinterm Lenkrad. Das Sirren des Kompressors ist stets präsent, eine kleine Bewegung mit dem großen Zeh des rechten Fußes öffnet die Klappen in der Abgasanlage und unter lautem Gebrüll fliegt die Boden-Luft-Rakete in Richtung Horizont. Nach der Ankunft der Autos aus den USA baut man hierzulande übrigens eine andere Abgasanlage an. Mit Klappensteuerung und leisem Nachbarschaftsmodus, aber aus einem anderen Grund: Die US-Anlage wäre nochmals lauter und damit den Zulassungsbehörden ein Dorn im Auge.

Vor allem die Beschleunigung von 200 bis 300 km/h und darüber hinaus bis zu Spitzengeschwindigkeit von Tempo 320 soll mit dem Motorkit nochmals verbessert worden sein, erklärt Danny. Heute glaubt man ihm das gerne. Wetter und Verkehr lassen eine Nachprüfung (gottseidank?) nicht zu.

Die Pirelli P-Zero und die Brembo-Bremsanlage hängen an einem Gewindefahrwerk, das AEC in den Challenger SRT Hellcat XR einbaut. An allen vier Rädern kann man die Bodenfreiheit, die Gewichtseinteilung und die Härte der Federn justieren. Das Leergewicht bleibt zwar jenseits der Zwei-Tonnen-Marke, wird durch eine Motorhaube, einen Frontsplitter, den Heckdeckel und die Spoilerlippe aus Carbon aber etwas gesenkt. Auch der Diffusor am Heck, die Seitenschweller und das Dach sind aus dem Rennsportmaterial gefertigt.

AEC Dodge Challenger SRT Hellcat XR

Der Innenraum entspricht dem bekannten Modell. Typisch amerikanisch kann man sagen. Der Dodge bietet vorne viel Platz auf den Ledersitzen, auf den Kopf würde ohne Probleme noch ein Helm passen. Die Kunststoffe entziehen sich jeder Premiumdiskussion, die Instrumente hinter dem Lenkrad ziehen den Blick des Fahrers eh sofort in ihren Bann. Von Konzernmutter FCA (Fiat Chrysler Automobiles) ist das 8,4 Zollgroße UConnect-Infotainmentsystem bekannt. Ach ja, es ist wohl auch ein Harmon/Kardon Soundsystem verbaut. Wie das aber gegen den Kompressor und die NAP-Abgasanlage anstimmen soll, entzieht sich aktuell noch meinem Verständnis.

Fazit zum Dodge Challenger SRT Hellcat XR

AEC Dodge Challenger SRT Hellcat XR

Echt jetzt? Sie wollen ein profanes Fazit zum 888 PS Überauto lesen? Dem nach der reinen PS-Zahl übrigens stärksten Fahrzeug, dass ich bisher bewegen durfte, dem Ferrari GTC4 Lusso mit 690 PS wird eben die Silbermedaille gereicht.

Schon eine „normale“ Hellcat braucht man nicht, man will sie. 50 Exemplare baut AEC Europe jetzt zum XR um. Und verteilt sie an Menschen, die nicht nur Benzin im Blut haben, sondern auch fahrerisches Können mitbringen sollten. Und einen starken Charakter, damit die blechgewordene Testosteron-Maschine sich und andere nicht gefährdet. Klar ist: Aufkleber wie den am hier im wahrsten Sinne des Wortes halbstarken M4 braucht man nicht.

Das Auto für die Probefahrt und auf den Bildern ist ein Konzeptfahrzeug, das kurz vor der Premiere des XR-Sondermodells gefahren wurde. Die Lufthutzen auf der Motorhaube entsprechen nicht dem finalen Stand.

Technische Daten

AEC Dodge Challenger SRT Hellcat XR

Hubraum 6.166 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder V8
Maximale Leistung kW / PS 653 kW / 888 PS bei 6.500 U/min
Max. Drehmoment 999 Nm bei 3.750 U/min
Getriebe Achtgang-Automatik
Beschleuningung 0-100 km/h ca. 3,5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 320 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 17,9 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Pirelli P Zero 305/35 ZR20
Leergewicht ca. 2.000 kg
Länge / Breite / Höhe 5.017 / 1.990 / 1.460 mm
Grundpreis ca. 150.000 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad