China-SUV für unter 30.000 Euro: Der BAIC Beijing X55 im Fahrbericht mit Video-Review.
Viele chinesische Automarken sind frisch auf dem europäischen Markt oder kündigen Pläne für einen Verkaufsstart an. Währenddessen schickt BAIC bereits die zweite Generation des X55 zu den Händlern.
Mit dem Modellwechsel erfindet sich das SUV neu. Das liegt nicht nur am gewachsenen Format, das mit einer Länge von 4,62 Metern in die Mittelklasse hineinragt. Während der Vorgänger auch als Neuwagen stets wie ein etwas älterer Asiate mit viel Chrom-Make-up aussah, zeigt der aktuelle X55 ein klares, modernes Design ohne überflüssige Linien.
Der BAIC Beijing X55 im Video
Ob er damit eigenständig wirkt oder nicht, will seine Linienführung gar nicht beantworten. Immerhin fällt er, das zeigen die Reaktionen von Passanten und anderen Autofahrern während des Test-Wochenende, im Straßenverkehr positiv auf.
Schicke Schale, nichts dahinter? Nein. Das zeigt sich schon, wenn man durch die großen Türen in den Fond steigt. Der Chinese bietet viel Platz für die Beine. Trotz des serienmäßigen Panorama-Glasschiebedachs mit seiner Mechanik bleibt auch für große Mitfahrer viel Kopffreiheit übrig. Eher durchschnittlich groß zeigt sich der Kofferraum hinter der elektrischen Heckklappe, dessen Volumen der Hersteller mit 380 Litern angibt. Sehr ordentlich: Auch die Seitenwände sind mit Teppich ausgeschlagen. Legt man die Lehnenteile der Rücksitzbank um, entsteht eine leicht ansteigende Fläche.
Viel Platz, gute Verarbeitung
Die Möglichkeit zur Nachrüstung einer Anhängerkupplung befindet sich aktuell in der Vorbereitung. 1.800 Kilogramm Anhängelast sind geplant, ebenso eine Stützlast von 75 Kilogramm. Dieser Wert ist wichtig, wenn man den Transport von Fahrrädern oder schweren E-Bikes auf einem entsprechenden Heckträger plant.
Auch in der ersten Reihe bietet der X55 viel Platz. Die Sitze mit integrierten Kopfstützen sind bequem. Große Menschen mit breiterem Kreuz spüren aber Druckpunkte im Bereich der Schulterblätter. Fahrer und Beifahrer freuen sich nicht nur über eine Heizung ihres Möbelstücks, sondern können auch eine Sitzlüftung aktivieren.
Die zweifarbige Kunstlederausstattung mit Kontrastnähten wirkt solide verarbeitet. Das gilt auch für die Kunststoffe an Türverkleidungen und Cockpit. Positiv fällt auf, dass die Designer nicht mit viel Klavierlack und anderem Chichi um sich warfen.
Hinter dem, in der Höhe und Weite einstellbaren, Lenkrad blickt man auf digitale Instrumente für alle fahrrelevanten Daten. Dazu gehören auch Anzeigen zum Spurhalteassistenten und der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage. Sie lässt sich über einen dritten Lenkstockhebel aktivieren und steuern.
Mercedes inside?
Er sieht, wie seine Kollegen für Licht, Blinker und Scheibenwischer aus wie Teile aus dem Regal von Mercedes-Benz. Der gleiche Zulieferer dürfte kein Zufall sein. Der Staatskonzern BAIC (Beijing Automotive Industry Corporation) ist der größte Einzelaktionär der Mercedes-Benz Group AG und auch der lokale Joint-Venture Partner im Reich der Mitte.
Ein 10,1 Zoll großes Infotainment-Display mit Touchscreen-Funktion steckt als zentrales Interface auf der Mittelkonsole. Auf Fingerbefehle reagiert das System manchmal etwas träge. Zudem ist der Bildschirm schlecht entspiegelt. Bei starkem Sonneneinfall sind Teile der Anzeigen nur schwer zu erkennen.
Alle Funktionen von Fahrmodi über das Ambientelicht bis hin zu den Fahrassistenten (Spurhalteassistent, Totwinkelwarner, Frontkollisionswarner) sind hier steuerbar, ebenso die Konnektivität. Apple CarPlay oder Android Auto fehlen. Die Bluetooth-Verbindung mit dem Smartphone gelingt aber schnell und wird auch nach jedem Einstieg mit Motorstart schnell wieder aufgebaut. Smartphone-Inhalte kann man spiegeln, wenn man über eine spezielle App das „Carbit“-System nutzt. In der freischwebenden Mittelkonsole kann das Telefon induktiv geladen werden.
So fährt sich das China-SUV
Auch der Wählschalter für das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sitzt hier. Nachdem er in die D-Position geflippert wurde, kann die Probefahrt beginnen. Ein 1,5 Liter großer Vierzylinder-Benziner mit Turboaufladung treibt die Vorderräder des BAIC Beijing X55 an. Er entwickelt 130 kW / 177 PS und ein maximales Drehmoment von 275 Newtonmetern. Die reichen aus, um auch auf trockener Straße die vorderen Hankooks manchmal zu stressen. Eine etwas feinfühligere Regelung des Anfahr-Drehmoments ist eine Empfehlung für die Modellpflege des X55.
In Fahrt untermauert der Chinese den guten Eindruck, den er bislang hinterlassen hat. Das Fahrwerk hat eine leicht straffe Grundnote und liefert über die serienmäßigen 19-Zoll-Felgen eine gute Rückmeldung von der Fahrbahnoberfläche. Kurvenkombinationen auf einsamen Landstraßen lassen sich mit dem BAIC Beijing X55 durchaus flink angehen, auch dank der ausreichend direkten Lenkung. Nervig ist der Spurhalteassistent, der oft für harsche Lenkeingriffe in Kurven sorgt. Ihn sollte man abseits der Autobahn besser deaktivieren – und dabei konzentriert bei der Sache bleiben (das versteht sich ja aber von selbst, oder?).
Testverbrauch: 8,4 Liter
Das Doppelkupplungsgetriebe schaltet fix und ohne spürbare Rucke, hält die Motordrehzahl meist im entspannten Bereich. Der Fortschritt im Vergleich zum Vorgänger ist beim Fahrverhalten des X55 noch größer ausgefallen als bei Design und Materialgüte.
Richtig sparsam ist auch dieses chinesische Verbrenner-Modell leider nicht. Ein Hybridmodul fehlt ebenso wie eine Start-Stopp-Automatik. Der WLTP-Normwert von 7,9 Litern liegt deutlich über dem der Konkurrenten. Nach den Testfahrten zeigt der Bordcomputer im Auto einen Wert von 8,4 Litern je 100 Kilometer an.
Das kostet der BAIC Beijing X55
Grund zur Freude haben Sparfüchse eher beim Bezahlen des Neuwagens. Der BAIC Beijing X55 kostet laut Preisliste 29.995 Euro. In diesem Tarif ist eine sehr umfangreiche Serienausstattung enthalten. Sie umfasst das Panorama-Schiebedach, ein gut klingendes Lautsprechersystem, Einparksensoren an Front und Heck und eine 360-Grad-Kameraansicht, Parkassistenz, 19-Zöller und vieles mehr.
Dazu bietet der Chinese viel Platz und, wie ebenfalls schon erwähnt, einen gut verarbeiteten Innenraum. Mitbewerber aus Korea, Japan und Europa sind, vergleichbar ausgestattet, deutlich teurer.
Zumindest gilt das für die Anschaffung. Ein Vergleich der Versicherungstarife gestaltet sich schwierig, da die meisten Vergleichsportale und Versicherer BAIC als Marke nicht führen. Hier muss man individuelle Absprachen treffen oder sich an auf chinesische Autos spezialisierte Makler wenden. Der deutsche Importeur Indimo Automotive gewährt eine Neuwagengarantie von drei Jahren. Vertrieb und Service übernehmen rund 180 Händler mit ihren Werkstätten.
Fazit
Der BAIC Beijing X55 ist angekommen. Nicht nur nach dem Ende der Testfahrten, sondern auch im Markt. Die neue Generation ist ein erwachsenes Auto. Der günstige Preis von rund 30.000 Euro muss längst nicht mehr das einzige Kaufargument sein. Fahrkomfort und Verarbeitung sind auf Klassenstandard, das Design wirkt modern.
Wenigfahrer ohne Lademöglichkeit, die der leicht erhöhte Benzinverbrauch nicht stört, mit BAIC-Händler im Umkreis, können sich auf eine günstige Alternative im SUV-Segment freuen.
Technische Daten
BAIC Beijing X55 |
|
---|---|
Antrieb | Frontantrieb |
Hubraum | 1,5 Liter |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 130 kW / 177 PS |
Max. Drehmoment | 275 Nm |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Tankinhalt | 53 Liter |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 7,9 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 8,4 Liter (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Hankook Dynapro HP2 225/55 R19 |
Leergewicht | 1.617 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.800kg, Stützlast 75 kg (geplant) |
Länge / Breite / Höhe | 4.620 / 1.886 / 1.680 mm |
Grundpreis | 29.995 Euro |