BeeZero startet: Carsharing mit Brennstoffzellen-Autos.
Anruf von der Ehefrau. Ob man denn, da eh´ gerade unterwegs, noch die Tochter von den Schwiegereltern abholen könnte, die dort zur Freude (der Tochter und der Schwiegereltern) und Entspannung (der Ehefrau) den Tag verbracht hat.
Die Bitte erreicht mich im Elektroauto, was ob der zusätzlichen 80 Kilometer Wegstrecke durchaus aufwühlend sein könnte. Wie lange bin ich schon unterwegs? Muss ich dort eine oder zwei Stunden nachladen? Kommen wir mit der Batterieladung noch nach Hause?
Passt alles, denn das Elektroauto war gerade erst Tanken. Ja, genau! Es handelt sich um den Hyundai ix35 Fuel Cell. In dem steckt eine Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff gefüttert wird, um Energie für den Elektromotor zu liefern.
Das nimmt, eine noch nicht vorhandende Wasserstoff-Infrastruktur vorausgesetzt, die Angst vieler Menschen vor Elektromobilität. Denn anstatt Ladestationen anzusteuern oder zu Hause Wallboxes zu installieren, fährt das Brennstoffzellenauto einfach an der Tankstelle vor und lässt sich in wenigen Minuten vollpumpen, ganz so wie klassische Verbrenner. Wie das funktioniert seht Ihr im Video, das diesen Bericht begleitet.
München ist eine der wenigen Städte, die bereits eine Wasserstofftankstelle beheimaten. Zwei weitere stehen kurz vor der Eröffnung. Ob sich da bald die Spinnweben einnisten, bei nur zwei aktuell lieferbaren Brennstoffzellenautos – neben dem Hyundai gibt es noch den Toyota Mirai – und ihrer homöopathischen Verbreitung?
Nein, denn in München wird zum ersten Brennstoffzellen-Aufschlag ausgeholt. Die Firma Linde hat hier ihren Hauptsitz. Als Hersteller von technischen Gasen, darunter auch Wasserstoff, hat man dort ein gesteigertes Interesse, die Brennstoffzellentechnologie endlich salonfähig zu machen.
Also hat man dort ein Tochterunternehmen (Neudeutsch: Start-up) namens BeeZero gegründet und 50 Hyundai ix35 Fuell Cell angeschafft. Die werden im Rahmen eines Carsharing-Projektes ab diesem Monat in München zur Verfügung stehen.
Das Auto, auch von Privatkunden für 65.450 Euro zu kaufen oder zu finanzieren, trägt alte Kleider auf. Während der SUV mit Diesel- und Benzinmotor seit 2015 wieder Tucson heißt, versteckt sich der alternative Antrieb weiterhin im Vorgänger ix35.
Ein leicht biederer Innenraum, der weitgehende Verzicht auf Assistenzsysteme, eine monochrome Anzeige der Rückfahrkamera und gelblich strahlende Halogen-Scheinwerfer stehen im krassen Gegensatz zum modernen Energiewandler unter der Haube. Der versorgt den Elektromotor mit Strom, der aus der Reaktion des Wasserstoffs, zugeführt aus dem 144 Liter (5,64 kg)-Tank mit Sauerstoff gewonnen wird. Zudem speist er die Lithium-Polymer-Batterie im Fahrzeugboden.
Als Endprodukt kommt reiner Wasserdampf aus dem Auspuff, der sein Endrohr rechts unter dem Heckstoßfänger versteckt.
100 kW (136 PS) erzeugt der Elektroantrieb, was den 1.921 kg schweren ix35 Fuel Cell eher gemächlich voranbringt. Das maximale Drehmoment von 300 Nm steht zwar, typisch Elektroantrieb, vom Start an zur Verfügung, dennoch gibt sich der Hyundai im Fahrbetrieb eher wie ein Saugbenziner, anstatt die brachiale Dynamik von E-Autos auf die Insassen loszulassen.
Mit Tacho 180 km/h (laut Datenblatt 160) geht er auch genauso schnell wie ein vergleichbarer Verbrenner, auch hier gibt er sich also ganz klassisches Auch dann, wenn die Tankuhr nach links unten wandert. Man fährt zur Wasserstoff-Säule. Alles ganz gewohnt.
Weniger traditionell möchte sich BeeZero geben. Bestehende Systeme kopieren will der Anbieter des emissionsfreien Carsharing nicht. Während BMWs Drive Now oder Daimlers car2go vor allem für spontane Fahrten genutzt werden oder als günstigere Taxialternative für die Fahrt vom Bahnhof zum Kundentermin und zurück die richtige Wahl sind, möchte BeeZero eher die private Alternative darstellen.
„Wir wollen unseren Kunden die Möglichkeit bieten, am Wochenende mit dem Auto einen entspannten Ausflug zu machen“, erläutert BeeZero-Geschäftsführerin Sandra Scherb. Unter der Woche bringt der urbane Papa also die Kids mit dem umgebauten Lastenfahrrad in die Kita, hält damit auf dem Weg ins Büro noch im Biosupermarkt und am Wochenende greift man nach Bedarf auf das Brennstoffzellenauto zurück.
Anders als bei den beiden großen Mitbewerbern zahlt man bei BeeZero immer eine Grundgebühr pro Stunde der Fahrzeugnutzung. Die beträgt von 6 Uhr morgens bis Mitternacht 5,50 Euro, dazwischen fällt keine Stundengebühr an. Pro Kilometer kommen dann Gebühren von 0,29 Euro hinzu.
Sechs Stunden Baggersee kosten also 33 Euro zuzüglich der Kilometerkosten, je nach Entfernung. Oder man bucht direkt Stundenpakete, sechs Stunden inklusive 100 km Fahrstrecke kosten pauschal 49 Euro. Klingt teurer? Nicht unbedingt. Denn ab Fahrstrecken über 56 Kilometern ist die Pauschale günstiger.
Weitere Pakete gibt es zu Preisen zwischen 79 Euro (12 Stunden, 150 km) bis 149 Euro (48 Stunden, 250 km).
Der Minutentarif von car2go und Drive Now ist also für eine zielgerichtete „A zu B“ Strecke wesentlich günstiger als BeeZero. Zudem erlaubt das größere Geschäftsgebiet (so bezeichnet man die Stadtteile, in denen die Autos wieder geparkt und zurückgegeben werden können) mehr Flexibilität. Das Brennstoffzellen-Carsharing von Linde ist dagegen mehr die Alternative zum selten genutzten eigenen Auto und hat damit eine interessante Marktlücke für sich entdeckt.
Mit dem Smart Electric Drive und dem i3 gibt es auch bei Car2Go und Drive Now elektrisch angetriebene Autos. Die haben gegenüber dem Hyundai ix35 jedoch den Nachteil, dass sie entweder nur zweisitzig (Smart) sind und deutlich weniger Laderaum (beide) bieten. Außerdem blockieren sie die viel zu raren öffentlich zugänglichen Ladesäulen im Innenstadtbereich. Der ebenso emissionsfreie BeeZero-SUV dagegen fährt diskret zur Tankstelle.
Die begleitende Diskussion über die fragwürdige Umweltbilanz des aufwendig herzustellenden Wasserstoffs kann gerne begonnen werden – aber bitte immer mit Kohlestrom als Energielieferant für die Ladesäulen und Steckdosen im Hinterkopf.
Ebenso unauffällig wie die Brennstoffzellentechnik im Kleid eines Gebrauchtwagens gibt sich übrigens auch das BeeZero-Auto. Mit dunkelblauer Folie und einigen Schriftzügen beklebt, fällt der ix35 Fuel Cell im Straßenverkehr kaum auf. Ich würde hier lauter trommeln. Trotz des leisen Antriebs.