Hyundai Nexo Wenn die Welt stillsteht

Alles wird teurer - nur Wasserstoff nicht. Mit 9,50 Euro je 100 Kilometer ist Reisen mit der Brennstoffzelle aktuell günstig. Test des Hyundai Nexo.

Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen. Elektrifizierte Autos als Plug-in Hybride und batterieelektrische Modelle sprießen aus dem Boden. Die Kunden greifen zu und greifen die Förderung ab. Dann kommen Corona, Halbleiterkrise und Krieg. Neuwagen sind kaum zu haben, zudem steigen die Energiekosten rasant. Preise für Benzin und Diesel schrauben sich auf ungeahnte Höhen, auch der Strom an öffentlichen Ladesäulen und vor allem an Schnellladern wird immer teurer. Sparen kann, wer sich durch das Labyrinth der Ladetarife und Kartenanbieter schlängelt.

Der Nexo im Video

Wie ein stiller Beobachter sitzt man da staunend in der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Nische. Denn hier bleibt alles scheinbar gleich. Auf beiden Seiten der Medaille. Die Tankstellen-Infrastruktur kommt nicht voran. Das einstige Ziel von 400 Wasserstofftankstellen in Deutschland bis zum Jahr 2023 ist längst kassiert. Die Zahl der öffentlich zugänglichen Stationen stagniert, aktuell sind es in Deutschland 93. Auch das Autoangebot wächst nicht, im Gegenteil. Mercedes-Benz hat den GLC Fuel Cell vom Markt genommen, was angesichts homöopathischer Mengen aber keine Rolle spielt. Toyota Mirai und Hyundai Nexo teilen sich die Nische also auf. Was das in Zahlen bedeutet?

Der Markt

Hyundai Nexo 2022 Wasserstoff Tankstelle Tanken Brennstoffzelle Test Infrastruktur Preis

Im Jahr 2021 wurden laut KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) in Deutschland 308 Toyota Mirai erstmals zugelassen (aufgrund des Modellwechsels inklusive Presse- und Vorführwagen), der Hyundai Nexo kam 152-mal auf die Straße.

Auch global sind Brennstoffzellen-Autos rar gesät. Einer Studie des koreanischen Marktforschers SNE Research zufolge wurden weltweit im Jahr 2021 9.300 Hyundai Nexo zugelassen, außerdem 5.900 Toyota Mirai. Weitere Anbieter sind Foton aus China mit 400 Autos sowie Honda mit 300 Exemplaren des Clarity. Hyundai erklärt, dass Südkorea der größte Absatzmarkt für den Nexo ist, gefolgt von den USA. In Europa ist Deutschland das größte Stück des Kuchens.

Tanken und Zahlen

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In Sachen Tankstellen und Zulassungszahlen geht also, verglichen mit Ladestationen und batterieelektrischen Autos, kaum etwa voran. Das gilt aber auch für die Energiekosten. Der Preis für Wasserstoff ist nicht marktgemacht, sondern festgesetzt. 9,50 Euro kostet ein Kilogramm des stark gekühlten und mit einem Druck von 700 Bar gespeicherten Gases.

Im Alltagstest des Hyundai Nexo wurde ein Durchschnittsverbrauch von genau einem Kilogramm Wasserstoff je 100 Kilometer erreicht, damit kostet diese Strecke also 9,50 Euro. Auch moderne, sparsame Verbrenner, lassen sich im Moment nur teurer bewegen. Wer sein Elektroauto entlang der Schnellstraßen und im öffentlichen Raum lädt, zahlt oft ebenfalls mehr.

Und wartet länger. Denn das Tanken und Wasserstoff unterscheidet sich in Handhabung und Dauer kaum vom Erdgaszapfen. Etwa vier Minuten vergehen, bis ein leerer Tank (6,33 kg oder 156,6 Liter) im Nexo wieder voll ist. „Ad Hoc“ tanken geht aber nicht. Man benötigt eine Tankkarte des Anbieters H2 Mobility, mit der man den Tankvorgang freischalten kann. Abgerechnet wird dann zentral, man muss also nichts ins „Kassenhäuschen“.

Wann kommt grüner Wasserstoff?

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Unbestreitbar ist ein Kritikpunkt, dem sich die Brennstoffzellentechnologie ausgesetzt sieht: Wirkungsgrad und Fußabdruck. Fakt ist: Es muss Strom verwendet werden, um Wasserstoff aus Wasser zu extrahieren, das gelingt mit der sogenannten Elektrolyse. Der Wasserstoff muss dann gespeichert und transportiert werden. Das hat aber den Vorteil, dass eine bestehende Infrastruktur bis hin zur Tankstelle weitestgehend genutzt werden kann.

Um Wasserstoff umweltgerecht herzustellen, muss dafür Strom aus regenerativen Quellen verwendet werden. Windräder sollten bei Nichtgebrauch weiterlaufen und Elektrolyseanlagen vor Ort mit Strom versorgen. Das ist nur eine Idee auf einem langen Weg.

Auch der Wirkungsgrad ist ein Argument für Gegner der Brennstoffzelle. Ja, damit haben sie recht, ohne den Umweg über die Elektrolyse, Speicherung und Betankung hat die Energie des Stroms, der direkt in eine Batterie geladen wird und dann den Elektromotor antreibt, eine wesentlich bessere Bilanz.

Alternative zur Batterie

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In vielen Einsatzzwecken, beispielsweise dem gewerblichen Personen- und Warentransport oder der Langstreckenmobilität hat – zumindest nach aktuellem Stand der Batterietechnik und ihrer Ladezeiten – die Brennstoffzelle eine Daseinsberechtigung. So, wie CNG und LPG (Erdgas und flüssiges Autogas) als Alternative zu Diesel und Benzin ihren Platz im Markt haben (hatten), kann und darf die Elektromobilität mit Wasserstoff-Brennstoffzelle auch parallel zu batterieelektrischen Antrieben existieren.

Der Hyundai Nexo im Test

Das zeigt der Hyundai Nexo auf ganz entspannte Art und Weise. Auch in Zeiten, in denen der Konzern mit Ioniq 5 und Kia EV6 dank 800-Volt-Technologie kurze Ladezeiten demokratisiert und – berechtigterweise – einen Award nach dem anderen abräumt, und Kona / Niro / e-Soul relativ preiswerte E-Autos darstellen, halten die Koreaner am Nexo fest.

Vor drei Jahren rollte das Mittelklasse-SUV schon einmal zum AUTONOTIZEN-Alltagstest an. Seitdem hat es sich, von einem modernisierten Infotainmentsystem mit Bluelink-Technologie einmal abgesehen, nicht verändert. Wozu auch?

Mit seiner wohlproportionierten Karosserie, deren Design ohne Effekthascherei auskommt, tritt der Nexo auch 2022 noch modern auf. Viele Details, die er schon „damals“ mitbrachte, sind heute aktuelle Trends. Dazu gehören das durchgehende LED-Band an der Front und der vegane Innenraum (der in der Nexo-Preisliste noch klassisch „Kunstleder“ trägt).

440 Brennstoffzelleneinheiten sorgen die Reaktion von Wasserstoff, der aus den drei im Fahrzeugboden angeordneten Tanks kommt, mit der angesaugten Luft. Sie wird, das ist ein positiver Nebeneffekt, durch die Filterung des Systems gereinigt. Durch die Reaktion entsteht Strom, der über eine 1,56 kWh große Batterie den Elektromotor antreibt. Als einzige Emission entsteht Wasserdampf.

Elektromotor mit 120 kW

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Das kann man gut erkennen, wenn man hinter einem Brennstoffzellen-Auto bei höherem Tempo oder hohem Leistungseinsatz (Allgemeinsprech: „Vollgas“) auf der Fernschnellstraße unterwegs ist. Dann dampft das Auto wie der Nutzer einer E-Zigarette. Mit dem Unterschied, dass keine Chemikalien im Dampf stecken. Nach dem Stopp startet ein Gebläse, um Kondenswasser aus dem „Auspuff“ zu entfernen, außerdem kann man auch die „H2O out“-Taste drücken, um keine Nässe in der Tiefgarage zu erzeugen.

Der Elektroantrieb des Hyundai Nexo leistet maximal 120 kW (163 PS), die Dauernennleistung gibt der Hersteller mit 31,5 kW (43 PS) an. Wichtiger ist das Drehmoment von 395 Newtonmetern. So lässt sich der immerhin über 1,9 Tonnen schwere Hyundai Nexo ausreichend flott fortbewegen. Im direkten Vergleich zu einem Elektroauto mit Batterie als Energiespeicher ist aber eine leichte Verzögerung bei der Annahme spürbar. Der Hintergrund: Im Brennstoffzellenfahrzeug muss die Energie erst erzeugt werden. Im Alltag bedeutet das ein Fahrverhalten, das einem antrittsstarken Benziner mehr ähnelt als einem Ioniq 5.

Verbrauch: 1,0 kg / 100 km

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In 9,5 Sekunden ist, den Werksangaben zufolge, die Beschleunigung auf 100 km/h erledigt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit optionaler 19-Zoll-Bereifung bei 179 km/h. Die erreicht der Nexo auch ohne langen Anlauf.

Bei hohem Tempo steigt der Verbrauch, das ist kein Wunder. Der Unterschied ist jedoch weniger groß als bei Verbrennern oder batterieelektrischen Autos. Wie oben erwähnt pendelt sich der Durchschnittsverbrauch des Nexo im Alltag bei 1,0 kg/100 km ein. Auf langen Autobahnetappen ohne Limit sind es maximal 1,5 kg. Andersherum: Sehr behutsam gefahren sind auch 0,7 kg / 100 km möglich.

Das kostet der Nexo

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Eine günstige Alternative ist der Hyundai Nexo aber dennoch nicht. Das verhindert der hohe Preis. Zum Marktstart kostete er einst 69.000 Euro, mittlerweile mindestens 77.290 Euro. Damit ist er gerade so kalkuliert, dass er noch in die Stufe der geringeren Elektroautoförderung (Netto-Listenpreis bis maximal 65.000 Euro) rutscht, mit Mehrwertsteuer auf den Herstelleranteil kann man also 7.975 Euro abziehen.

Gewerbliche Leasingkunden profitieren von einer höheren Förderung über das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP). 14.300 Euro sind der Zuschuss aus der Staatskasse, was die Leasingrate für den Nexo auf aktuell etwa 730 Euro (ohne Mehrwertsteuer) „drückt“. Gefördert werden Vorlauffahrzeuge mit dem optionalen Prime-Paket (u.a. 19-Zoll-Felgen, Totwinkelanzeige, Sitzlüftung vorne, Schiebedach). Der Beigeschmack: Das Leasingunternehmen, dass die Förderung erhält und weitergeben kann, ist eine Hyundai-Tochter. Schade, dass die Verkaufsförderung nicht aus der eigenen Konzernkasse bezahlt wird.

Preis-Vergleich mit dem Mirai

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Günstiger als der Hyundai Nexo ist der Toyota Mirai. Die Stufenhecklimousine mit Brennstoffzelle kostet in der Basis ab 63.900 Euro, ist aber auch in der Topausstattung Advanced mit 73.900 Euro noch unterhalb des Nexo kalkuliert. Auf der Habenseite des Hyundai stehen aber, neben dem in den Augen mancher Kunden modernerem SUV-Format, Platzangebot und Variabilität. Auch sein Infotainment wirkt moderner. Nebenbei reift der Plan: Es wird vielleicht mal Zeit für einen Vergleich der beiden Brennstoffzellen-Asiaten.

Wie geht es weiter?

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Große Sprünge beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur sind auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Entlang der Fernstraßen könnte die Zahl der Tankstellen für LKW mit 350 Bar Druck wachsen, wenn Anbieter wie Nikola und Daimler Truck ihre Nutzfahrzeuge auf den Markt bringen. BMW plant eine Kleinserie des X5 mit Brennstoffzelle, die aber nicht in großen Mengen sichtbar sein dürfte.

Die Hyundai Motor Group hat, auf globaler Ebene, große Pläne. Bis 2025 plant der Konzern mit dem Bau und Verkauf von 670.000 Elektroautos im Jahr. Davon sollen 110.000 Exemplare mit Brennstoffzellentechnologie angetrieben werden.

Fazit

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Unabhängig von den Herausforderungen bei der Infrastruktur und der Frage, woher der Wasserstoff kommt, kann dem Hyundai Nexo ein positives Zeugnis ausgestellt werden. Das SUV bietet hohen Komfort und viel Platz, gepaart mit aktuellem Infotainment.

Ohne industrielle Großserienfertigung der Brennstoffzellenmodule bleibt der Preis leider (zu) hoch. Die Leasing-Förderung ist da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wird zudem vom Steuerzahler finanziert. Das gilt aber auch für die Zuschüsse, die auf Batterie-Elektroautos und Plug-in Hybride gewährt werden.

Technische Daten

Hyundai Nexo

Antrieb Frontantrieb
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor: Maximale Leistung kW 120 kW (163 PS)
Elektromotor: Nennleistung KW 31,5 kW (44 PS)
Elektromotor: Maximales Drehmoment 395 Nm
Systemleistung: kW / PS 135 kW (184 PS)
Batterie 1,56 kWh + 440 Brennstoffzellen-Einheiten
Tankinhalt 6,33 kg (156,6 Liter) bei 700 Bar Druck
Beschleuningung 0-100 km/h 9,5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 179 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 0,95 kg Wasserstoff
Verbrauch real auf 100km 1,0 kg Wasserstoff
Reifenmarke und –format des Testwagens Continental Winter Contact TS850 245/45 R19
Leergewicht 1.889 - 1.948 kg
Länge / Breite / Höhe 4.670 / 1.860 / 1.640 mm
Grundpreis 77.290 Euro
Testwagenpreis 83.100 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Matthias Gill, Bernd Conrad