Microlino Keine Revolution

Winzig, witzig, charmant: Der Microlino im ersten Fahrbericht.

Alles schon mal dagewesen? Da kann man sagen. Im Wirtschaftswunder-Deutschland mobilisierten kleine Fahrzeuge, Kabinenroller, die Nation. Zu ihnen zählte auch die BMW Isetta. Ein kleiner Eintürer, den die Bayern in Lizenz von Iso Rivolta bauten.

Der Microlino im Video

Auch später gab es Ambitionen, mit kleinen Fahrzeugen die automobile Ordnung in Frage zu stellen. Stichwort: Smart, einst erdacht von Swatch-Chef Nicolas Hayek und dann mit Daimler umgesetzt. Mittlerweile ist Smart ein Joint-Venture mit Geely und baut den x-ten Elektro-Kompakt-SUV.

Die halbe Portion

Microlino Test Fahrbericht Video Review 2023

2015 hatte das Schweizer Unternehmen Micro, Produzent der gleichnamigen Tretroller, die Idee für ein kleines Fahrzeug für den urbanen Verkehr. Beim Retro-Design orientierte man sich klar an der Isetta mit ihrer Fronttür, mit einer Länge von 2,52 Metern am Format des ersten Smart. Acht Jahre sollten vergehen, bis es der Microlino, so der Name des Winzlings, in die Serie schafft. In der Zwischenzeit wurde entwickelt, gestritten und eine neue Produktionsstraße in Italien aufgebaut. Die Micro-Manager mussten viel Lehrgeld bezahlen, ließen sich aber vom Weg zum Microlino nicht abbringen.

Was ist dieses Mal anders? Einen Anspruch, die Welt der Mobilität zu revolutionieren, hat Micro nicht. 4.000 Microlino sollen in diesem Jahr entstehen, 1.500 davon sollen deutsche Straßen unter die Räder nehmen. Von der auf 999 Exemplare limitierten Pioneer-Serie hat sich Distributor Astara Mobility 400 Einheiten gesichert.

Einer dieser Sonderserien-Microlino, Seriennummer 349, steht heute für ein erstes Kennenlernen mit Probefahrt bereit. Mit weit außen platzierten LED-Scheinwerfern, in deren Gehäuse auch die (zu kleinen) Außenspiegel integriert sind, blickt er dich erwartungsvoll an. Die LED-Leiste über die Breite der Karosserie sorgt für moderne Klarheit.

Zweisitzer mit Kofferraum

Ungewohnt wirkt die deutlich kleinere Spurbreite hinten, die eine aerodynamische Tropfenform ermöglicht. Hinter der großen Heckklappe wartet ein immerhin 230 Liter großer Kofferraum auf Sportasche, Einkäufe oder Gepäck „Zwei Personen und drei Getränkekisten“ war das Transportziel der Entwickler. Die beiden Insassen besteigen den Microlino von vorn. Auf Knopfdruck wird die große Tür entriegelt, die dann unterstützt nach außen gleitet. Die längsverstellbare Zweierbank mit Mikrofaser und Kunstleder ist kuschelig eng, man muss sich mögen im Mircolino. Über einen stabilen Griff oder eine Schlaufe zieht man die Tür bequem zu, eine Soft-Close-Automatik erledigt den letzten Zentimeter.

Klein ist auch der Touchscreen

Microlino Test Fahrbericht Video Review 2023

Ein Display versorgt den Fahrer mit allen relevanten Informationen. Daneben gibt es den wohl kleinsten Touchscreen der aktuellen Autowelt. Hier kann man die Heizung aktivieren (Wärmepumpe an Bord!), die Lüftungsintensität steuern und rudimentäre Einstellungen vornehmen. Dafür muss man die Icons genau treffen und oft auf die Umsetzung des Fingerbefehls warten. Im Pioneer-Modell kümmert sich ein Bluetooth-Lautsprecher um die musikalische Untermalung der Fahrt, gefüttert von der Streaming-App des Smartphones im Handy-Halter.

Das kleine Lenkrad hat keinen Airbag. Die Zulassung in der Leichtfahrzeugklasse L7e sieht Luftsack, ABS oder ESP als Voraussetzungen für eine Typzulassung nicht vor. Folglich hat die Kugel auf vier Rädern nichts davon, auch um das Gewichtslimit (450 Kilogramm ohne Akku) einzuhalten.
513 Kilogramm wiegt der Microlino mit 10 kWh großem Akku. Diese Batterie ist zum Marktstart verfügbar, Varianten mit 6 kWh und 14 kWh folgen zeitversetzt. Bis zu 175 Kilometer soll die mittlere Variante weit kommen. Dann kann man den Microlino über den Typ-2-Anschluss an einer Wallbox anschließen, wo der maximal 2,6 kW Leistung realisiert. In vier Stunden ist der Akku also wieder voll. Auch an der Haushaltssteckdose kann er entspannt Strom nuckeln.

Erste Fahrt im Elektro-Winzling

Microlino Test Fahrbericht Video Review 2023

Los geht die Probefahrt. Im Heck surrt der maximal 12,5 kW (17 PS) starke Elektromotor hörbar. Bis Tempo 50 wird er immer lauter, danach wechselt die Frequenz des Tons und wird erträglicher. Seine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h erreicht der Zweisitzer nach langem Anlauf. Aber besser nur, wenn es halt sein muss.

Sein Revier ist die Stadt. Hier wuselt der Microlino kompetent durch den Verkehr und parkt bei Bedarf quer statt links. Das ist bei engen Lücken auch empfehlenswert. Sollte jemand arg nah heranfahren, lässt sich die Tür nicht mehr ausreichend weit öffnen, um einzusteigen. In Tiefgaragen oder Carports sollte man zudem am besten rückwärts einparken.

Parkt man selbst, fällt der fehlende Innenspiegel auf. Er würde auch beim Abbiegen helfen, um die Gesamtsituation im direkten Umfeld schnell wahrzunehmen. Die kleinen Außenspiegel sind – Achtung! – keine große Hilfe. Auch bei den Bremsen könnte man nochmal modellpflegen. Das Pedal erfordert, zumindest aus höherem Tempo, einen arg kräftigen Tritt. Der Federungskomfort geht für ein derart kurzes Wägelchen in Ordnung. Im Vergleich zu anderen Leichtfahrzeugen wirkt der Microlino damit richtig „premiös“.

Billig? Nein.

Microlino Test Fahrbericht Video Review 2023

Das zeigt sich auch beim Preis. Auch hier will Micro keine Revolution versuchen. Mit Tarifen ab 21.190 Euro für die Dolce-Version spricht der Microlino durchaus gut situierte Kunden an, die bewusst ein kleines und leichtes Fahrzeug für den Stadtverkehr suchen. Bestimmt als Zweit- oder Drittwagen. Später soll das Basismodell Urban mit 6 kWh großer Batterie den Preis auf 17.690 Euro drücken. Die Pioneer Series mit edleren Materialien und vielen Optionen kostet 22.690 Euro.

Dafür bekommt man, trotz dem kleinen Formats, den aktuell wohl größten Blickfang im Straßenverkehr. Microlinos dürfte man bald oft mit Werbung für Restaurants, Eisdielen oder Versicherungsagenturen sehen, wetten? Auch das war schon mal da: Der erste Smart hielt auch oft als rollende (oder parkende) Reklametafel her.

Aktuell gibt es einen Microlino-Showroom in München. Zügig will Astara Mobility elf weitere Standorte in deutschen Großstädten eröffnen. Die Wartung kann, nachdem der Microlino auf Niederspannungs-Technologie mit 48 Volt setzt, jeder Mechatroniker übernehmen. Eine spezielle Ausbildung für Arbeiten an Elektroautos ist nicht nötig.

Fazit

Microlino Test Fahrbericht Video Review 2023

Für das Unternehmen Micro war es ein langer Weg bis zur Serienreife des Microlino. Die Beharrlichkeit hat sich gelohnt. Vor allem für Kunden, die gerne auffallen, wenn sie auf kurzen Strecken unterwegs sind und das nötige Kleingeld mitbringen. Und für Rückwärtsparker oder solche, die es werden wollen. Die Revolution fällt aus, der Microlino will kein Weltverbesserer sein. Er zeigt aber, das weniger Auto durchaus mehr Stil haben kann.

Technische Daten

Mircolino Pioneer Edition

Antrieb Heckantrieb
Maximale Leistung kW / PS 12,5 kW (17 PS)
Max. Drehmoment 89 Nm
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Batterie 10 kWh, Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 2,6 kW
Höchstgeschwindigkeit 90 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 5,9 - 6,6 kWh, Reichweite 175 km
Leergewicht 513 kg
Länge / Breite / Höhe 2,52 / 1,47 / 1,50 Meter
Grundpreis 22.690 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Matthias Gill, Bernd Conrad