Autos und Verkehr in Nordkorea Fahren hinter Gittern

Ein automobiler Streifzug durch das abgeschottete Nordkorea.

Der Blick über den Tellerrand ist seit jeher Teil der AUTONOTIZEN-DNA. Das beinhaltet teils exotische Marken und Modelle ebenso wie Themen abseits des Mainstreams. Deswegen freue mich mich als Herausgeber sehr darüber, dass Gastoautor Thomas Jacobi mit "Fahren hinter Gittern" einen automobilen Streifzug durch das abgeschottete Nordkorea beisteuert.

Freiheit. Mit diesem großen Begriff verbinden die meisten von uns Autofahren. Die Freiheit beginnt mit der Wahl des Fahrzeugs, das uns zu fast jedem Punkt auf der Welt bringen kann. Freiheit ist nicht nur ein Gefühl, das wir auf unlimitierten Autobahnen empfinden. Sie ist ein grundlegender Wert unserer Gesellschaft.

Ride Sharing in Nordkorea

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Welchen Bezug hat wohl eine isolierte Bevölkerung wie die Nordkoreas zum Auto? Meine Reise in das verschlossene Reich bringt Antworten. Fahren ist in Nordkorea eine rein männliche Angelegenheit. Traditionell bedingt bedienen Frauen in dieser Gesellschaft keine schweren Maschinen. Fahrschulen existieren nicht. Ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung erwirbt die Fahrerlaubnis im Militär. Wer diese Hürde überwunden hat, dem ist hohes Ansehen in der Bevölkerung sicher. Er nimmt seinen Dienstwagen oft mit nach Hause und hat die Option, Menschen gegen einen Obolus von A nach B zu bringen. Denn ein Autokauf ist schlichtweg nicht möglich.

Besonders ehrenhaften Bürgern wird ein PKW zugesprochen, aber selbst in Pjöngjang sind kaum Autos mit gelbem Privat-Kennzeichen zu sehen. Blaue Nummernschilder, die Staatsbesitz signalisieren, sind die Regel. Der durchschnittliche Nordkoreaner bewegt sich per Fahrrad, E-Bike oder Ochsenkarren fort und verlässt seine Heimatprovinz äußerst selten. Einige Bauern fahren Kyung Un Gi, einachsige Minimaltraktoren mit angekoppelter Ladefläche. In Städten verkehren Oberleitungsbusse.

Der nordkoreanische Verkehr in Bildern

Bei Überlandfahrten sieht man Zivilbevölkerung und Soldaten dicht gedrängt auf den Ladeflächen der Sungri 58-Lastwagen stehen, die gelegentlich über verwaiste Schotterpisten jagen. Hierbei handelt es sich um Lizenzbauten des GAZ 51 von 1946. Einige wenige Exemplare, die ausschließlich Soldaten transportieren, kommen mit wild qualmenden Holzvergasern daher.

Russische UAZ-Geländewagen sind allgegenwärtig. Je näher man der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang kommt, desto häufiger registriert der aufmerksame Beobachter Toyota Land Cruiser mit schwarzen Militärkennzeichen. In der Stadt werden Touristen bevorzugt an prominent platzierten Propagandavans vorbeigeschleust.

Eigene Automarke in Nordkorea

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Unter dem Namen Pyeonghwa, koreanisch für Frieden, ist ein Konzern entstanden, der die Exklusivrechte für die Herstellung und den Verkauf von neuen sowie gebrauchten Fahrzeugen in Nordkorea besitzt. Autos, die auch uns Europäern bekannt sind, werden unter dem Logo der Friedenstaube vertrieben. Am häufigsten zu sehen ist der Huiparam II, ein Import des chinesischen Brilliance BS4. Das Vorgängermodell auf Basis des Fiat Siena wurde einst sogar vor Ort in Nordkorea gebaut.

Der Samchunri, ein Lizenznachbau des Toyota Hiace, ist als Alternative für den Gütertransport im Programm. Ebenso allgegenwärtig ist der Ppeokkugi 4WD. Dieser CKD-Bau (Completely Knocked Down, Aufbau des Autos vor Ort aus angelieferten Einzelteilen) der ersten Generation des Kia Sorento erfreut sich großer Beliebtheit. Bizarr mutet der Zunma an: Ein in Lizenz gefertigter Ssangyong Chairman, der seit 2008 in homöopathischen Dosen hergestellt wird. Die bei uns weitgehend unbekannte Limousine der südkoreanischen Marke Ssangyong ist an sich schon exotisch. Sie basiert auf einer stark modifizierten Plattform des Mercedes-Benz W124 (1984-1993).

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Die Rush Hour in Pjöngjang entspricht dem spätabendlichen Verkehr eines Berliner Randbezirks. Selten reihen sich mehr als drei Fahrzeuge an der Ampel hintereinander. Neben Pyeonghwa prägen das Bild überwiegend chinesische Marken wie Haval und BYD. Sie verdrängen langsam, aber sicher die meist blauen Mercedes-Oldies der Typen W123, W124 und W201 sowie die einst von Präsident Kim Il Sung georderten und nie bezahlten Volvo 240. Die Volvos wurden im jahrzentelangen Taxibetrieb in Pjöngjang verschlissen und sind durch chinesische Kompakte wie den BYD F3, einen Corolla-Lizenzbau, oder Pendants von BAIC ersetzt worden.

In Nordkorea gibt es kein Tempolimit

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Die Moderne hält auch in Nordkorea Einzug und bringt westliche Premium-SUVs für die Führungselite. Q7 und GLS drehen ihre Runden durch die Hauptstadt. Ein besonderes Schmankerl ist der Borgward BX7. Weshalb man sich zum Import des gefloppten China-SUV entschloss, wird wohl ein Geheimnis des Kim-Clans bleiben.

Zurück bleiben Gefühle von Ehrfurcht und Dankbarkeit. Ehrfurcht vor den koreanischen Durchschnittsbürgern, die weder Beruf, Wohnort noch Fahrzeug frei wählen können. Und Dankbarkeit, dass ich die Freiheit habe, jederzeit in meinem Peugeot 205 gen Sonnenuntergang zu fahren. Ein kleines Detail eint unser Verständnis von Freiheit jedoch mit dem der Nordkoreaner: Auf ihrer Autobahn herrscht keine Geschwindigkeitsbegrenzung.

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Text: Bernd Conrad
Bilder: Thomas Jacobi