BAIC BJ60 (2025)

BAIC BJ60 (2025) Das Luxus-Offroad-Sonderangebot

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Der BAIC BJ60 im ersten Fahrbericht

„Hallo, Herr Nachbar! Haben Sie einen Toyota Land Cruiser bei Temu bestellt?“ So stellt man sich auf den ersten Blick ein Gartenzaun-Gespräch vor, wenn der BAIC BJ60 in der Einfahrt parkt. Optische Anleihen, die sich der neue Geländewagen aus China beim japanischen Offroad-Urgestein holt, sind unverkennbar. Trotzdem wird man dem BJ60 mit dieser Abfälligkeit nicht gerecht – oder doch? Wir checken das im Fahrbericht.

Geländewagen statt SUV

Wer tiefer in die Materie einsteigt und sich mit der Modellgeschichte des chinesischen Staatskonzerns BAIC (Beijing Automotive Industry Corporation), u.a. auch Joint-Venture-Partner von Mercedes-Benz, beschäftigt, erkennt die Logik im Design. Der BJ60 zitiert auch die eigene Marken-Vergangenheit – ohne dass der verliebte Blick der Designer zum Toyota Land Cruiser der Baureihe J30 / J300 unerkannt bleibt.

Auf dem Leiterrahmen sitzt eine 5,04 Meter lange, 1,96 Meter breite und 1,93 Meter hohe Karosserie mit 21,5 Zentimetern Bodenfreiheit. Auf der Straße ist man mit dem BJ60 meist mit Hinterradantrieb unterwegs, per Drehschalter auf der Mittelkonsole kann der Allradantrieb hinzugeschaltet werden, außerdem auch eine Geländeuntersetzung.

Benziner als Mildhybrid

Man mag vielleicht einen großvolumigen Dieselmotor unter der hohen Haube vermuten, liegt damit aber falsch. Für Vortrieb sorgt ein Zweiliter-Vierzylinder-Benziner mit 188 kW / 256 PS, der als Mildhybrid von einem 10 kW (13,6 PS) starken Elektromotor unterstützt wird. Er steuert, zusätzlich zu den 400 Newtonmetern Drehmoment des Verbrenners, weitere 50 Nm hinzu.

Zum Leben erweckt man die Maschine mit einem Druck auf ein kleines Display. Ja, wirklich. Der Startknopf in der Mittelkonsole ist ein Bildschirm. Zum Innenraum-Ambiente kommen wir aber gleich, kümmern wir uns zuerst um den Fahreindruck. Der Benziner läuft kaum wahrnehmbar im Hintergrund. Wir fädeln uns in den Verkehr ein und steuern eine Umgehungsstraße an. Die Karosserie neigt sich in Kurven stark zur Seite, wobei das auf den breiten Sitzen im zweiten Obergeschoss über den anderen Verkehrsteilnehmern dramatischer wirkt, als es wirklich ist. Maximale Spurtreue beim schnellen Wedeltest würde ich dem BJ60 dennoch nicht ungeprüft attestieren.

Die Achtstufen-Automatik wechselt entspannt die Zahnradpaarungen, bei festem Tritt auf das Gaspedal reagiert sie fix. Starke Beschleunigung animiert den Benziner zum Anheben seiner Stimme, was jedoch nicht unangenehm klingt. Die Tüftler beim Hersteller haben ihm ein gutes Klangbild für den Innenraum angeheftet. Angestrengt klingt der Zweiliter selten.

Federn und Dämpfer machen einen guten Job, zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Seine Bauart mit der auf einem Leiterrahmen sitzenden Karosserie kann der BAIC BJ60 nicht verbergen. Der Fahrkomfort auf asphaltierter Strecke liegt, im subjektiven Fernvergleich, leicht über dem einen SsangYong (jetzt KGM) Rexton, abzüglich dessen Stuckerneigung.

2,5 Tonnen Blech im Schrankwand-Format benötigen für Vortrieb viel Energie, das ist zu erwarten. Den WLTP-Normverbrauch gibt der Hersteller mit 9,8 Litern je 100 Kilometer an. Am Ende der Testfahrten zeigt der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von zwölf Litern an. Eine große Menge fossiler Treibstoff, das ist unbestreitbar. Im Vergleich zu anderen Geländewagen schlägt der Benziner-Chinese hier aber nicht allzu sehr über die Stränge. An der Zapfsäule fließen maximal 85 Liter in den Tank des BAIC BJ60. Doch auch jetzt bleibt kaum genug Zeit, sich mit den Funktionen und dem Ambiente des luxuriösen Innenraums bekannt zu machen.

Luxus-Ambiente innen

Das Cockpit mit vielfältig einstellbarem Ambientelicht zeigt eine gute Verarbeitung und haptisch ansprechende Oberflächen. Zur Serienausstattung gehören ein Head-up-Display, die Smartphone-Ablage mit induktiver Ladefunktion, eine 360-Grad-Kamera-Rundumsicht und ein digitaler Innenspiegel. Licht kommt von oben durch das Panorama-Glasschiebedach. Auf dem 12,8 Zoll großen Infotainment-Touchscreen lassen sich via Apple CarPlay auch iPhone-Inhalte darstellen und bedienen.

Auf den breiten Vordersitzen lässt es sich stundenlang lümmeln. Heizung und Lüftung sorgen für Klimakomfort, außerdem gibt es vielfältig einstellbare Massageprogramme. Sogar auf den beiden Einzelplätzen im geräumigen Fond kann man sich massieren lassen. Serienmäßig ist der BJ60 ein Siebensitzer mit zwei Einzelplätzen ganz hinten. Nach einem etwas beschwerlichen Einstieg kauert man als Erwachsener Mensch hier hinten mit stark angewinkelten Beinen. Wie bei fast allen Siebensitzer-SUV diesseits des Cadillac Escalade kommen in der dritten Reihe am besten Kinder auf kurzen und mittellangen Strecken unter. Wenn man die beiden Sitze in den Kofferraumboden klappt, entsteht ein 972 Liter großer Laderaum (Werksangabe).

Teures Sonderangebot

Der BAIC BJ60 ist ein großer Geländewagen mit gutem Straßen-Komfort. Seine Kompetenz in Schlamm und Geröll konnte ich noch nicht ausprobieren. Nach dem ersten Test-Tag gefallen neben dem Antrieb auch die umfangreiche Serienausstattung.

Bei einem der rund 200 Händler in Deutschland, die BAIC-Importeur Indimo Automotive unter Vertrag hat, kostet der BJ60 50.995 Euro. Viel Geld für ein Auto aus China! Aber im Vergleich zu großen Offroadern etablierter Marken, die mit ähnlicher Ausstattung an der 100.000-Euro-Schallmauer nicht nur kratzen, sondern diese auch reißen, ist der große BAIC ein teures Schnäppchen. Optionen gibt es, bis auf die Wahl der Farbe und eine später folgende Anhängerkupplung aus dem Zubehör (Anhängelast noch nicht bekannt, geplant sind 3,5 Tonnen), keine. Die Neuwagengarantie erstreckt sich über drei Jahre nach Erstzulassung ohne Kilometerbegrenzung.

Fazit

Bei Temu gibt es den BAIC BJ60 nicht, wohl aber bei rund 200 Autohäusern in Deutschland. Dort bekommt man für rund 51.000 Euro einen großen Geländewagen, dessen Luxus-Ambiente im Innenraum bis hin zur Sitzmassage im Fond reicht. Der Mildhybrid-Antrieb macht einen guten Eindruck, zumindest bei ersten Testfahrten auf der Straße. Wir sind auf eine Möglichkeit gespannt, die Offroad-Eigenschaften des Chinesen ausprobieren zu dürfen.

Technische Daten
BAIC BJ60

Antriebsart
Mildhybrid-Benziner
Antrieb
zuschaltbarer Allradantrieb
Hubraum
1.997 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder
4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS
188 kW / 256 PS
Max. Drehmoment
400 Nm
Getriebe
Achtstufen-Automatik
Elektromotor: Maximale Leistung kW
10 kW (13,6 PS)
Elektromotor: Maximales Drehmoment
50 Nm
Tankinhalt
85 Liter
Höchstgeschwindigkeit
180 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km
9,8 Liter
Verbrauch real auf 100km
12,0 Liter (lt. Bordcomputer)
Kofferraumvolumen
972 - 1.836 Liter
Leergewicht
2.474 kg
Anhängelast (gebremst)
3.500 kg (geplant)
Länge / Breite / Höhe
5.040 / 1.955 / 1.925 mm
Grundpreis
50.995 Euro
Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad