Fast 50.000 Kilometer: Ein gebrauchter BAIC Beijing X55 im Test, auch als Video-Review.
Der BAIC Beijing X55 ist ein Neuwagen-Schnäppchen. Das 4,62 Meter lange SUV aus China bekommt man bei den rund 200 deutschen Händler-Standorten des Importeurs mit kompletter Ausstattung für 29.995 Euro inklusive einer Neuwagen-Garantie für den Zeitraum von drei Jahren ohne Kilometerbegrenzung. Aber: Wirkt das Auto nur als Neuwagen solide und adrett, oder auch später?
Im Rahmen unserer redaktionellen Arbeit beschäftigen wir uns meist mit Neuwagen, die zu Testzwecken bereitgestellt wurden. Jetzt hatten wir die Gelegenheit, einen BAIC Beijing X55 über mehrere Wochen im Alltag auf Herz und Nieren zu prüfen, der rund zweieinhalb Jahre nach seiner Erstzulassung fast 50.000 Kilometer Fahrstrecke hinter sich hat (48.640 km).
Er kann laden und ziehen
„Silver Light Blue“ heißt die Lackierung dieses Exemplars, die wie eine der fünf anderen Farben ohne Mehrpreis zu haben ist. Optionen ab Werk sind für den X55 nicht zu haben, alle gezeigten Ausstattungselemente bis hin zum Panorama-Glasschiebedach sind serienmäßig. Im Zubehörprogramm hält der Händler eine Anhängerkupplung vor, die maximale Zuglast liegt bei 1.500 Kilogramm. Punkten kann der Chinese mit seiner Stützlast von 100 Kilogramm. Sie erlaubt auch den Transport von zwei schweren E-Bikes auf einem Fahrradträger.
Mit seinem modernen Design reiht sich der X55 ins moderne Straßenbild ein. Im Rahmen unserer Testfahrten wurden mehr vereinzelt gefragt, ob das ein Koreaner oder neuer Japaner sei – trotz der großen „Beijing“-Schriftzüge an Front und Heck. Zwischen den beiden Enden spannt sich die Karosserie fast auf Mittelklasse-Format über den serienmäßigen 19-Zoll-Leichtmetallfelgen.
Der gebrauchte X55 im Video
Hinter der elektrischen Heckklappe wartet ein gut nutzbarer Kofferraum auf Ladung. Der Hersteller gibt das Volumen mit lediglich 380 Litern an – subjektiv vermutet man mehr. Nicht nur der Boden, auch die Seitenwände des Kofferraums sind mit Teppichware bespannt. Das Material weist im gebrauchten Testwagen keine sichtbaren Verschleißerscheinungen auf. In den Seitenwänden des Kofferraums erleichtern Haken zum Aufhängen von Einkaufstaschen und eine 12-Volt-Steckdose den Alltag. Eine Netztrennwand für sicheres Beladen bis unter das Dach gibt es, wie bei den meisten asiatischen Autos, leider nicht.
Weiter vorne gefällt das Platzangebot in beiden Reihen. Das macht den X55 zum gut nutzbaren Familien-SUV. Die zweifarbige Kunstleder-Ausstattung mit hellgrauen Einsätzen wirkt optisch wie haptisch ansprechend und langlebig. Auch auf dem Fahrersitz zeigen sich keine Dellen, Kratzer oder Verfärbungen von Jeans und Co. Unter dem Panorama-Glasschiebedach bleibt auch für große Menschen viel Platz für den Kopf.
Der hochglänzend schwarze Kunststoff auf der freischwebenden Mittelkonsole zog im Laufe der letzten 30 Monate nicht nur Staub, sondern auch kleine Kratzer an. Immerhin wurde das Material nicht vollflächig eingesetzt. Die Ablagefläche am vorderen Rand der Mittelkonsole und die gut platzierte Fläche zum induktiven Laden eines Smartphones vor der Armlehne sind gummiert. Auf dem Wählhebel des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes zeigt sich Verschleiß, Der silberne Lack am Knopf zum Einlegen der Park-Position blättert ab. Mutmaßlich bekam diese Stelle bei dem Wechsel der Fahrstufe oft Kontakt mit einem Ring am Fahrer-Finger. Der Kunstleder-Kranz des Lenkrads, der im Autoleben ständig angefasst wird, zeigt keine sichtbare Abnutzung.
Funktioniert Apple CarPlay?
Die beiden, nicht zu großen, Displays im Cockpit sind gut ablesbar, auch wenn die Auflösung der Anzeigen nicht topaktuell wird. Die fehlende Smartphone-Integration lässt sich über einen kurzen Umweg ins Auto bringen. Im USB-Steckplatz unter dem Armaturenbrett steckt ein „Wizcar“-Dongle. Nachdem das Smartphone mit ihm per Bluetooth verbunden wurde, bringt er nach dem Motorstart Apple CarPlay und auch Android Auto auf den Touchscreen-Monitor. In seltenen Fällen muss man zur Aktivierung auf eine App im Display klicken (EasyConnect). Auch nach längeren Standzeiten baut sich die Verbindung zügig auf, der Dongle im Steckplatz zieht mutmaßlich auch nicht viel oder keinen Strom aus der 12-Volt-Batterie.
Der Fahreindruck
Unter der Haube des BAIC Beijing X55 steckt ein 1,5 Liter großer Vierzylinder-Benziner mit Turboaufladung von 130 kW / 177 PS. Mit einem maximalen Drehmoment von 275 Newtonmetern treibt er das SUV stets ausreichend kräftig voran. Vor allem im unteren und mittleren Drehzahlbereich fällt das teils raue Laufgeräusch auf, wirklich laut wird der Verbrenner aber nur bei Vollgas. Bei Bedarf beschleunigt der X55 auf der freien Autobahn bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h, auf der digitalen Tacho-Anzeige klettert der Wert dabei bis 211. Auch bei höherem Tempo wirkt das Auto nicht nervös.
Im Pendlerverkehr auf Landstraßen und in Ortschaften meldet das Fahrwerk nur gröbere Unebenheiten und Querfugen durch, ansonsten gefällt der Komfort bei einer gleichzeitig knackig-straffen Grundnote. Hier zeigt sich im Fernvergleich mit dem einstigen Neuwagen-Test kein Unterschied. Dieser Testwagen rollt auf Pirelli-Scorpion-Winterreifen.
Die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage hält Tempo und Abstand zuverlässig ein, bremst dabei auch nicht zu ruckartig ab (siehe Video). Eine bimmelnde Verkehrszeichenerkennung hat der X55 nicht. Als Einzelzulassung aufgrund geringer Stückzahlen muss er diese scharfe EU-Zulassungsvorschrift (zumindest aktuell) nicht befolgen.
Der Benziner kommt ohne Elektrifizierung oder Start-Stopp-Automatik aus. Ein Sparweltmeister ist er schon auf dem Papier nicht, der WLTP-Normverbrauch wird mit 7,9 Litern je 100 Kilometer angegeben. Im Rahmen unserer Testfahrten pendelte sich der Verbrauch, bei Herbstwetter und entspannter Fahrweise, bei 9,5 Litern ein. Das ist viel und zehrt über die Jahre einen Teil des Preisvorteils auf. Vielfahrer dürften also eher zu anderen Modellen oder gar einem Diesel greifen.
Preis, Wertverlust, Angebot
Zum genannten Listenpreis von 29.995 Euro bringt der BAIC Beijing X55 eine komplette Serienausstattung mit, zudem ein offensichtlich wenig verschleißanfälliges Interieur und guten Fahrkomfort. Das Manko der fehlenden Smartphone-Integration lässt sich über den beschriebenen Weg gekonnt umgehen, womit das Auto auch im westlichen digitalen Leben ankommt.
Der Laufleistung dieses Exemplars sind einige kleine Gebrauchsspuren wie Steinschläge im vorderen Stoßfänger geschuldet. Die Lackqualität auf dem Blech der Motorhaube scheint aber sehr gut zu sein, hier sind keine kleinen Krater zu erkennen.
Im Leasingmarkt spielt der X55 keine Rolle, als Zielgruppe spricht er vor allem private Kunden als Barzahler oder Finanzierer an. Diese Menschen halten ihr Auto meist länger. Ein großes Angebot an jungen Gebrauchten gibt es, den einschlägigen Online-Börsen zufolge, nicht. Händlerangebote gibt es für Neuwagen und Vorführer, nur vereinzelt tauchen Exemplare mit Erstzulassung im Jahr 2023 aus – wie im Falle unseres Testwagens. Auch hier sind keine Preise unter 20.000 Euro zu entdecken. Das knappe Angebot sorgt also mutmaßlich für einen geringen Wertverlust im Vergleich zum Kauf eines X55-Neuwagens .
Fazit
Der BAIC Beijing X55 ist für knapp unter 30.000 Euro ein günstiges SUV-Angebot mit umfangreicher Serienausstattung und viel Platz für die Familie. Unser Test mit einem Gebrauchtwagen zeigt, dass – zumindest bei knapp 50.000 Kilometern Laufleistung – Materialien, Verarbeitung und Technik kaum sichtbaren Verschleiß zeigen. Mit einer gut aufgetragenen Hohlraumkonservierung und etwas Pflege (wie bei jedem Auto) dürfte der Chinese auch über die bisherigen zweieinhalb Jahre hinaus gute Dienste tun.
Aktuell zeigt sich ein nur geringes Gebrauchtwagenangebot mit entsprechend hohen Preisen – im Zweifel greift man dann direkt zum Neuwagen, nachdem man die Angebote der Händler verglichen hat.
Technische Daten
BAIC X55
- Antriebsart
- Benzin
- Antrieb
- Frontantrieb
- Hubraum
- 1,5 Liter
- Anzahl und Bauform Zylinder
- 4 in Reihe
- Maximale Leistung kW / PS
- 130 kW / 177 PS
- Max. Drehmoment
- 275 Nm
- Getriebe
- 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
- Tankinhalt
- 53 Liter
- Höchstgeschwindigkeit
- 200 km/h
- Norm-Verbrauch auf 100km
- 7,9 Liter
- Verbrauch real auf 100km
- 9,5 Liter
- Reifenmarke und –format des Testwagens
- 225/60 R19
- Leergewicht
- 1.617 kg
- Anhängelast (gebremst)
- 1.800 kg
- Stützlast
- 100 kg
- Länge / Breite / Höhe
- 4.620 / 1.886 / 1.680 mm
- Grundpreis
- 29.995 Euro
- Testwagenpreis
- 29.995 Euro