BAIC BJ30

BAIC BJ30 Günstig und trotzdem cool?

9:35 Min.

Großes Hybrid-SUV aus China: Der BAIC BJ30 im Fahrbericht mit Video.

Nur wenige Monate nach seiner Publikumspremiere auf der Messe Auto China in Peking ist der BAIC BJ30 jetzt auch in Deutschland erhältlich. Das Hybrid SUV will mit seinem Design ebenso punkten wie mit einem großzügigen Platzangebot und einem effizienten Antrieb.

4,73 Meter lang ist der neue BAIC BJ30, die Karosserie ist 1,91 Meter breit und 1,790 Meter hoch. Damit positioniert er sich in der oberen SUV-Mittelklasse als Konkurrenz zu Modellen wie Honda CR-V, Kia Sorento oder Toyota RAV4 und dessen Zwilling Suzuki Across. Im Modellprogramm der chinesischen Marke stellen die BJ-Modelle eine optisch rustikale Alternative zu den X-Modellen dar. Der BAIC X75 ist ähnlich groß wie der BJ30.

Der BAIC BJ30 im Video

Linienführung und Details des neuen Chinesen folgen dem klassischen Geländewagen-Formenverständnis, ohne jedoch stumpf abzukupfern. Ein wenig Jeep-Geist weht mit, ebenso aber Elemente von Fahrzeugen wie Suzuki Jimny, Mercedes G oder Land Roder Defender. Trotzdem wirkt der BAIC BJ30 optisch eigenständig und „aus einem Guss“, dazu trotz der klassischen Proportionen modern.

Die steile Frontmaske trägt Scheinwerfer und LED-Lichtstreifen unter einer transparenten Abdeckung. An beiden Enden der Karosserie tragen die Stoßfänger angedeutete Unterfahrschutz-Bleche. Das Dach scheint aufgesteckt zu sein – ein optischer Kniff, den die schwarzen A-Säulen und eine scheinbare Unterbrechung an den C-Säulen erwirken.

Die Dachreling wirkt robust und ebenso praktisch wie die Kofferraumabdeckung. Sie ist gleichzeitig ein Camping-Tisch, den man herausnehmen und mit Füßen versehen kann. Warum diese aber nur rund 20 Zentimeter hoch sind, kann man wohl nur auf dem Heimatmarkt der Marke verstehen.

Viel Platz und praktische Details

Wichtiger für SUV-Kunden dürfte der gut nutzbare Kofferraum sein. 450 Liter Volumen gibt der Hersteller an. Eine niedrigere Zahl als bei vielen Konkurrenten. Hier steht das Volumen jedoch direkt nach dem Öffnen der elektrischen Heckklappe ohne Einrechnung einer oft nicht optimal nutzbaren Kellerfachs unter dem doppelten Ladeboden bereit. Nach dem Umklappen der Rücksitzbank mit Lehne wächst das Volumen auf 1.496 Liter. Bei modernen Autos selten: Im BJ30 lassen sich auch die Sitzflächen-Elemente wegklappen, dadurch entsteht eine wirklich ebene Ladefläche. Schade: Eine Netztrennwand zum Schutz vor sperriger Ladung bei starken Bremsmanövern oder Unfällen gibt es nicht. Es empfiehlt sich die Suche nach einem passenden Gitter im Zubehör-Handel.

Fast schon verschwenderisch sind die Platzverhältnisse im Fond des BAIC BJ30, der sich auch dank großer Haltegriffe an den B-Säulen bequem entern lässt. Selbst als großer Erwachsener freut mich sich über einem mehr als ausreichenden Knieraum, eine angenehme Sitzhöhe und viel Luft über dem Kopf. Die steilen, großen Fenster sorgen zusätzlich zum großzügigen Raumgefühl auch für eine gute Aussicht.

Die beheizbaren und mit Lüftung ausgestatteten Vordersitze sind große Sessel. Auch hier gibt es in alle Richtungen sehr viel Platz. Dank der elektrischen Sitzeinstellung und eines in Höhe und Weite justierbaren Lenkrads findet man schnell eine gute Position.

Alle fahrrelevanten Informationen versammeln sich auf einem Display hinter dem Multifunktionslenkrad. Hier lassen sich auch der Energiefluss oder die aktivierten Fahrassistenten verfolgen. Über einen dritten Lenkstockhebel wird die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Stauassistent aktiviert, die – ebenso wie die Spurhaltefunktion – zuverlässig funktioniert.

Zentrale Schnittstelle zwischen Insassen und Auto ist der große Touchscreen-Monitor auf der Mittelkonsole. Er gefällt mit einer hochauflösenden Anzeige und guter Grafik. Der fast vollständige Verzicht auf physische Tasten und Knöpfe erfordert aber oftmals zielgenaue Finger-Drücke für die Einstellung von Klimafunktionen oder Energie-Rekuperation. Ein Navigationssystem ist nicht an Bord, die Smartphone-Integration ab Werk beschränkt sich auf eine Bluetooth-Verbindung. Inhalte des eigenen Telefons lassen sich auf dem Display anzeigen, sofern man über die App Carbit eine Verbindung mit dem Auto herstellt. Dann wird die Anzeige direkt gespiegelt – nicht jedoch eine für die Fahrt vereinfachte Bedienstruktur wichtiger Apps, so wie es Apple CarPlay und Android Auto ermöglichen.

So fährt sich der Hybrid

Die Modellbezeichnung des BAIC BJ30 trägt ein kleines „e“ am Ende – ein Hinweis auf den elektrifizierten Antrieb. Das SUV ist ein Vollhybrid, muss (oder kann) also nicht extern geladen und weitere Strecken elektrisch zurücklegen. Der 1,67 kWh große Akku wird unterwegs durch Rekuperation und beim Bremsen geladen.

Das Antriebs-Trio besteht aus einem 1,5 Liter großen Turbo-Vierzylinder-Benziner mit 113 kW / 154 PS und zwei Elektromotoren. Der vordere leistet 130 kW (177 PS), hinten steckt eine Maschine mit 55 kW (75 PS). Sie sorgt für den elektrischen Allradantrieb des BJ30. Die Systemleistung wird mit 206 kW (280 PS) angegeben.

Nach dem Start und dem Einlegen der Fahrstufe D über den griffsympathischen Hebel in der Mittelkonsole kann man im BJ30 durch das Wohngebiet stromern. Je nach Leistungsabruf und Fahrzustand kommt der Benziner als Generator in Spiel (serieller Hybridantrieb) oder treibt – zusammen mit den E-Maschinen oder auch mal allein – im parallelen Hybrid-Modus die Vorderräder an. Beim entspannten Fahren wird der vordere Elektromotor für das Vorankommen genutzt, bei mehr Leistungsabruf oder Gripverlust meldet sich der Kollege an der Hinterachse zum Dienst. Das funktioniert alles reibungslos und ohne Aufsehen, sofern man nicht die Energieflussanzeige im Auge behält. Das, durchaus komplexe, Hybrid-System scheint den Chinesen also sehr gut gelungen zu sein.

Der 1.845 Kilogramm schwere BJ30 beschleunigt zügig, ohne unbeherrscht zu wirken. Nach einem Fahrtag kann man attestieren, dass der BAIC als Hybrid gut motorisiert und dabei auch noch komfortabel ist. Das Fahrwerk mit den 19-Zoll-Felgen arbeitet harmonisch, nur auf Querfugen und gröberen Verwerfungen wirkt es manchmal zu steif. Ein Kurvenheld soll das Familien-SUV nicht sein – gleichwohl würde ein etwas kleineres Lenkrad beim Einlenken und schnell aufeinanderfolgende Kehren hilfreich sein.

Über einen verglasten Drehschalter auf der Mittelkonsole lassen sich unterschiedliche Fahrmodi einstellen. Im Alltag reichen „Eco“ oder „Normal“, der Sportmodus bringt nicht wirklich mehr Leben in die Bude. Scheinbar traut BAIC dem BJ30 auch eine große Offroad-Kompetenz zu: Es gibt noch diverse Fahrprogramme für das Vorankommen auf Schnee, Matsch und Sand – und auch einen speziellen Modus für Wasserdurchfahrten. Die Geländetauglichkeit und auch die Wattiefe des Chinesen konnten wir im Rahmen unserer Testfahrten noch nicht testen. Die Werksangabe zur Bodenfreiheit von 21,5 Zentimetern dürfte aber beim Klettern von den seitlichen Trittbrettern minimiert werden. Sie helfen Kindern und kleinen Erwachsenen beim Ein- und Ausstieg. In den meisten Fällen macht man sich an den ausladenden Stufen aber das Hosenbein jedes Mal schmutzig.

8,6 Liter Super je 100 Kilometer meldet der Bordcomputer als Durchschnittsverbrauch, ohne Tempo-Eskapaden auf der Autobahn. Hier wird der BJ30 bei Bedarf bis zu 170 km/h schnell, dann regelt die Elektronik den Vortrieb ab. Unser Verbrauch liegt also deutlich über der Herstellerangabe von 6,7 l/100km und auch über Testverbräuchen anderer Hybrid-SUV. Mit nochmals entspannterer Fahrweise und weniger winterlichen Bedingungen dürften im Alltag aber Werte von knapp unter acht Litern auf 100 Kilometer zu schaffen sein.

Angesicht der Größe des BAIC BJ30 ist das ein akzeptabler Wert, zumal ein Hybrid-Benziner-SUV wie dieses in den wenigsten Fällen als Außendienst-Kilometerfresser in den Dauereinsatz auf Autobahnen gestellt werden wird.

Das kostet der BAIC BJ30

BAIC-Importeur Indimo Automotive bietet den BJ30 über seine rund 200 deutschen Händler zum Listenpreis von 35.995 Euro an. Damit ist der Chinese ein Sonderangebot. Zum enormen Platzangebot, der auf den ersten Blick guten Verarbeitung und dem geschliffenen Hybridantrieb kommt eine umfangreiche Serienausstattung. Sie umfasst neben der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage, Notbremsassistent, Totwinkelüberwachung, Spurhaltefunktion und Spurverlassenswarner auch eine 360-Grad-Kamerafunktion, die elektrischen verstellbaren Vordersitze mit Heizung und Belüftung, elektrische Heckklappe, Panorama-Glasschiebedach, schlüssellosen Zugang und eine induktive Ladeschale für ein Smartphone. Leider fehlen moderne Elemente wie adaptive Funktionen der LED-Scheinwerfer.

Vergleichbare SUV der Konkurrenz als Vollhybride sind teils deutlich teurer. Der Honda CR-V startet mit Frontantrieb bei 49.600 Euro (mit Allrad 52.100 Euro), der Kia Sorento Hybrid bei 53.960 Euro (mit Allrad ab 55.690 Euro) und der Toyota RAV4 bei 40.990 Euro (mit Allrad und besserer Ausstattung 45.690 Euro).

Garantie und Versicherung

Barzahlende Kunden können also beim Kaufpreis ordentlich sparen, dazu gibt es eine Neuwagengarantie für drei Jahre ohne Kilometerbegrenzung. Keine Prognosen können über Restwerte und Wiederverkaufschancen für gebrauchte BAIC abgegeben werden. Das erschwert die Kalkulation von Leasing- und Finanzierungsangeboten, eine eigene Hersteller-Bank gibt es nicht. Hier lohnt sich das Gespräch mit dem Händler vor Ort und dessen Partnern.

Die Kleinserien-Zulassung des BAIC BJ30 ist auch der Grund dafür, dass er nicht in Vergleichsportalen für Kfz-Versicherungen auftaucht. Es gibt aber Assekuranzen, die sich um Policen für China-Autos wie den BJ30 kümmern.

Fazit

Kein Blender: Hinter dem durchaus schicken Design des neuen BAIC BJ30 warten ein geräumiger Innenraum und eine gute Verarbeitung auf Passagiere und Gepäck. Auf den ersten Testfahrten gefällt der Dreimotoren-Hybridantrieb mit guten Umgangsformen und bedarfsgerecht abrufbarer Leistung.

Dazu kommt der sehr günstige Preis des Chinesen. Dafür muss man jedoch Abstriche in der Konnektivität und der Bedienung im touchlastigen Cockpit im Kauf nehmen. Nach X55 und X75 dürfte aber vor allem der BJ30 erstmals ein BAIC sein, den man auch hierzulande nicht nur wegen des günstigen Preises kauft.

Technische Daten
BAIC BJ30 4WD HEV

Antriebsart
Hybrid
Antrieb
elektrischer Allradantrieb
Hubraum
1.498 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder
4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS
113 kW / 154 PS
Max. Drehmoment
230 Nm
Getriebe
Zweigang-Hybrid-Getriebe
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW
130 kW (177 PS)
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW
55 kW (75 PS)
Systemleistung: kW / PS
206 kW / 280 PS
Batterie
1,67 kWh
Tankinhalt
51 Liter
Höchstgeschwindigkeit
170 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km
6,7 Liter
Verbrauch real auf 100km
8,6 Liter (lt. Bordcomputer)
Kofferraumvolumen
450 - 1.496 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens
Pirelli Scorpion 235/60 R19
Leergewicht
1.845 kg
Anhängelast (gebremst)
1.800 kg
Stützlast
100 kg
Länge / Breite / Höhe
4.930 / 1.910 / 1.790 mm
Grundpreis
35.995 Euro
Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad