FAW Bestune T77 Pro 2021 Ja, aber...

Erste Fahrt im neuen FAW Bestune T77 Pro, vier Monate vor dem Marktstart des chinesischen Autos in Deutschland.



Was in den 1950er Jahren als erste Autofabrik in China startete, ist heute unter dem Namen FAW (Forst Automotive Works) ein weit verzweigter Konzern. FAW ist Joint-Venture-Partner westlicher Autohersteller. Mit Volkswagen entstehen Modelle wie Golf, T-Roc, Magotan (Passat) und bald der ID.4 für den chinesischen Markt, außerdem wurde Jetta als eigenständige Marke gegründet. Auch Audi-Baureihen laufen mit FAW vom Band.

Von der Staatslimousine zum Kompakt-SUV

FAW Bestune T77 Pro 2021 Deutschland Test Fahrbericht Video

Von den eigenen FAW-Marken hat Hongqi („rote Flagge“) eine lange Tradition. Unter diesem Namen wurden jahrzehntelang die Limousinen für den Staatsapparat gebaut, mittlerweile dient das Label Limousinen und SUV der Premium-Kundschaft an. Neben Junpai und Senia ist Bestune eine weitere Marke im FAW-Sortiment. Und damit kommen wir endlich zum Thema dieses Fahrberichts.

Der Bestune T77 Pro im Video

Denn der Bestune T77 Pro ist das erste FAW-Auto, das man offiziell in Deutschland kaufen können wird. Importeur Indimo Automotive, der sich u.a. um den Import von DFSK- und BAIC-Modellen kümmert und ohne großes Aufsehen ein Netz von etwa 180 Händlern aufgebaut hat, hat einen Vertrag mit FAW geschlossen.

Zum Start fiel die Wahl auf den T77. Mit einer Länge von 4,53 Metern passt er gut in einen Markt, in dem die Kunden sich auf kompakte SUV stürzen. Diese Menschen sollen mit praktischen Vorzügen und kompletter Ausstattung angesprochen werden.

Erstkontakt vor dem Marktstart

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Einige Monate vor dem Marktstart sind drei Exemplare des T77 beim Importeur eingetroffen, unter anderem zu Homologationszwecken. Wir hatten die Möglichkeit, das Modell im, nennen wir es mal, Vorserien-Stand zu erfahren.

Erstkontakt mit einem chinesischen Auto also – solchen Geschichten werden ja viele „Ja, Aber“ vorausgesagt. Schauen wir mal. Im wahrsten Sinne des Wortes, wir lassen den optischen Eindruck des T77 wirken.

SUV? Kombi? Crossover? Der Chinese dürfte in allen Lagern wildern, ist eines von mehreren Beispielen, die den strikten SUV-Kurs verlassen. Die Front wirkt schick, ja. Aber (!) manch Kritiker könnte eine gewollte Nähe zum viel teureren Maserati Levante in den Ring werfen. Trotzdem wirkt das Gesicht des T77 ansprechend gestaltet, der Kühlergrill mit seinen silbernen Einlagen trägt ein Phantasielogo mit schönen Grüßen an die verblichene Marke Rover.

1.500kg Anhängelast

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Das Profil der Testwagen, die auf 18-Zoll-Rädern stehen wirkt stimmig. Serienmäßig soll der FAW Bestune T77 Pro in Deutschland 19 Zoll große Leichtmetallfelgen bekommen. Am Heck zeigen sich breite LED-Rückleuchten und eine leider nur manuell öffnende Heckklappe. Das Kofferraumvolumen ist noch nicht in strikten Literzahlen bekannt, dürfte aber durchschnittlichen Ansprüchen genügen. Eine Anhängerkupplung wird es gegen Aufpreis geben, die Anhängelast des T77 liegt bei 1.500 Kilogramm.

Nicht unbedingt die erste, aber die im wahrsten Sinne des Wortes größte Überraschung wartet im Fond. Die äußeren Passagiere nehmen auf ausgeprägten Sitzen mit integrierter Kopfstütze Platz. Raum ist in Hülle und Fülle vorhanden. Selbst der 1,92 Meter große Autor kann hinter dem weit zurückgestellten Vordersitz herumfläzen, vor den Knien und über dem Kopf ist viel Luft. Damit qualifiziert sich der FAW Bestune T77 Pro zum kompetenten Familienauto, wenngleich der mittlere Platz im Fond weit weniger bequem ist. Auch fehlt eine Armlehne mit Becherhaltern in der Mitte.

Ebenso bequem sind die Vordersitze. Wie ihre Pendants im Fond tragen die Lederbezüge mit gelben Kontrastnähten und haben integrierte Kopfstützen – die dennoch hoch genug sind. Leider sitzt man etwas zu hoch – eine Eigenschaft, die sich der T77 wie das Platzangebot mit Raumriesen wie dem Skoda Superb teilt. Leider ist das Lenkrad nur in der Höhe, nicht aber in der Weite einstellbar.

In China mit Xiaomi-KI

Das voll digitale Cockpit besteht aus zwei jeweils 12,3 Zoll großen Display hinter einem gemeinsamen Deckglas. In China fährt beim Topmodell eine vom Elektronikkonzern und Smartphone-Hersteller Xiaomi zugelieferte Künstliche Intelligenz mit „3D-Robot“ mit, die für eine sprachbasierte Interaktion zwischen Mensch und Maschine sorgt.

Das zentrale Display ist als Touchscreen ausgeführt, der manchmal leicht verzögert reagiert. Die Hand liegt währenddessen auf der breiten Dekorleiste auf, was die Treffsicherheit der Fingertipps ebenso erhöht wie die Bequemlichkeit.

Das uns zur Verfügung gestellte Auto entspricht noch dem chinesischen Standard, weswegen noch keine Erfahrungen zu Navigation und Infotainment vorliegen können. Eine vollumfängliche Smartphone-Integration via Apple CarPlay oder Android Auto erscheint zum Marktstart aber fraglich. Die Xiaomi-Software dürfte in Deutschland nicht erhältlich sein.

Eine Tastenleiste unter dem Monitor erlaubt den direkten Zugriff auf wichtige Menüpunkte. Leider sind die Knöpfe etwas lieblos eingepasst und wirken nicht sonderlich hochwertig. Damit stehen sie im Gegensatz um Rest des Innenraums. Sauber eingepasste Bauteile und eine gute Materialmischung sorgen für einen sehr guten Eindruck.

Der Fahreindruck

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Genug „Auto“ jetzt, kümmern wir uns um den zweiten Teil des Wortes, „mobil“. Auf Knopfdruck startet der 1,5 Liter große Turbo-Vierzylinder mit 124 kW / 169 PS. Seine maximal 258 Newtonmeter Drehmoment werden von einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe verwaltet und an die Vorderräder geschickt.

Der Benziner, der ohne jegliche Elektrifizierungsstufe auskommt, ist ausreichend kräftig. Zusammen mit dem Getriebe sorgt er für zügiges Vorankommen. Ein großer Schritt im Vergleich zu anderen China-Importen mit Saugmotor und stufenlosem CVT-Getriebe.

7,1 Liter Normverbrauch

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Den Benzinverbrauch nach WLTP-Norm gibt der Hersteller mit 7,1 Litern je 100 Kilometer an. Nach den ersten Testfahrten können wir noch keinen validen Testverbrauch ermitteln. Nach vielen wenig effizienzfördernden Foto- und Videofahrten stand ein Wert von knapp 10 Litern in der Anzeige des Bordcomputers. Es bleibt spannend, wie sparsam (oder auch nicht) sich der T77 im Alltag bewegen lässt.

Die Fahrwerksabstimmung ist relativ straff, bietet aber ausreichenden Komfort auch für längere Strecken. Auch die Lenkung macht einen guten Job, gibt genug Rückmeldung vom Fahrgeschehen.

Die Autos, die nach Deutschland kommen werden, sollen neben einer adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage und Frontkollisionswarner mit Notbremsassistent auch über einen Spurhalteassistenten und Totwinkelwarner verfügen. LED-Leuchten arbeiten an Front und Heck.

Was kostet der Bestune T77 Pro?

Die Komfortausstattung wird ein großes Panoramadach, elektrisch einstellbare und beheizbare Vordersitze und eine 360-Grad-Kameransicht für einfaches Rangieren umfassen. Die einströmende Luft wird mit einem speziellen Filtersystem (On Air Car Purifying) gereinigt. Überraschend einfach fällt dagegen die serienmäßige Klimaautomatik mit nur einer Temperaturzone für den gesamten Innenraum aus.

Ja, das sind die Erfahrungen mit dem T77. Aber (!) was wird das alles kosten? 28.713,90 Euro ruft die Preisliste des Importeurs für das vollausgestattete Auto auf. Vier Farben werden zur Wahl stehen, auch mit Dach und Außenspiegeln in schwarzer Kontrastlackierung. Optional wird nur die erwähnte Anhängerkupplung zu haben sein.

Fazit

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Ja, der FAW Bestune T77 Pro macht nach dem ersten Kennenlernen einen guten Eindruck. Mit seinem geräumigen Innenraum und der kompletten Serienausstattung zum relativ günstigen Preis empfiehlt er sich als Familienauto für Kunden, die sich nicht über ihre Marke identifizieren (müssen).

Ein bestehendes Händlernetz wickelt den Vertrieb sowie den Service ab. 24 Monate Garantie gewährt der Importeur, eine Verlängerung um ein drittes Jahr ist gegen Aufpreis möglich.

Und dann, kurz vor Schluss, ein „aber“: Aber lieferbar ist der T77 noch nicht, die Händler haben noch keine Vorführwagen. Das dürfte im Mai 2021 soweit sein. Uns bleibt dann hoffentlich die Möglichkeit, das Auto mit finaler Ausstattung und Infotainment-Programm noch einmal zu testen.

Technische Daten

FAW Bestune T77 Pro

Abgasnorm Euro 6d
Hubraum 1.498 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 124 kW / 169 PS bei 5.500 U/min
Max. Drehmoment 258 Nm bei 1.500 - 4.350 U/min
Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Tankinhalt 45 Liter
Höchstgeschwindigkeit 192 km/h
Verbrauch real auf 100km 7,1 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Pirelli Sottozero Winter 225/55 R18
Leergewicht 1.515 kg
Anhängelast (gebremst) 1.500 kg
Länge / Breite / Höhe 4.525 / 1.845 / 1.615 mm
Grundpreis 28.731,90 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad