Als "X" wird der Fiat 500 zum Kompakten.
Jetzt haben wir den Salat. Auf dem Einkaufszettel stand zeitgeistig einer dieser modernen SUV. Hübsch sollte er sein, nicht zu groß und natürlich günstig. Weil „Dolce Vita“ auch nördlich der Alpen immer zieht, parkt nach kurzer Suche also ein Fiat vor der Tür - der 500X. Und dann setzt Du Dich hinein, stellst Sitz (ziemlich weit unten, ziemlich weit hinten, weil 1,92m groß) und das formschöne Lenkrad (ziemlich weit raus, ziemlich weit nach oben) ein und sitzt sportlich-tief auf den zu harten Sitzen. Die SUVige Hochsitzposition, das Herabblicken auf den Nachbarn, der immer noch den spießigen Polo fährt? Fehlanzeige!
Also bringt uns der Fiat 500X nicht nur näher an den Asphalt, sondern auch zurück auf den Boden der Tatsachen. Ein kleines Crossoverautochen kann natürlich nicht die Kutschbockposition eines ausgewachsenen G-Modells bieten, nicht mal den Einstieg nach schräg oben wie es die Q3 und Tiguan dieser Welt ermöglichen. Weil wir uns weiter unten bewegen, auch klassenmäßig. Mazda CX-3 und Peugeot 2008 heißt die Clique des 500X. Mit der er sich aber nicht unbedingt sehen lassen möchte, lieber geht er abends mit dem Mini Countryman flanieren.
Ja, richtig gelesen. Mit dem seit 2007 angebotenen 500 und dem noch recht frischen großen Bruder 500X hat Fiat es mit langem Atem wirklich geschafft, eine gehörige Prise Image und Anspruch ins Angebot zu mischen. Hier geht Sergio Marchionnes Strategie, die Marke in zwei Linien zu splitten, auf: Rational denkende und handelnde Kunden können günstige Allerweltautos kaufen (Panda, Tipo, sicherlich irgendwann mal wieder einen neuen Punto), für das Herz stehen die emotionalen Modelle mit den Nummern am Heck im Showroom: 124 Spider (bald), 500 und 500X. Nur beim schwabbeligen 500L passt das nicht ganz.
Auf seine Familienzugehörigkeit ist der X mächtig stolz. Es bleibt nicht beim 500-Emblem am Heck. 13 Mal prangt die Zahl am oder im Auto, unter anderem in den Frontscheinwerfern und an der Schalthebelmanschette.
Die umklammert den Rührlöffel für ein Fünfganggetriebe. Das ist an den 1,6 Liter großen Saugbenziner mit 81 kW / 110 PS gekoppelt. In der Preisliste parkt der ganz modern als „E-torQ“, stellt aber technologische Hausmannskost ohne großen Anspruch dar. Was sich in einem heutzutage ungewohnt zähen Ansprechverhalten bemerkbar macht, da der bescheidene Drehmomenthügel von 152 Nm erst bei dröhnigen 4.500 Umdrehungen pro Minute hinaufgehechelt ist.
Das Geräuschniveau bei höheren Geschwindigkeiten, ganz tapfer lässt sich der 500X auf immerhin Tacho 185 ziehen, ist zu hoch. Woran das erwähnte Getriebe nicht unschuldig ist. Ein sechster Gang würde helfen, den Lärm zu senken, denn schon bei 130 Stundenkilometern steht die Drehzahlmessernadel auf 3.500 Touren.
Auf der Autobahn fühlt sich der Fiat eh´ nicht heimisch. Jegliche Querfuge schlägt nahezu ungefiltert durch, die wenig flauschigen Sitze dämpfen die Schläge auch nicht ab. Selbst auf scheinbar ebenen Strecken ist die Karosserie ständig in Bewegung und man hoppelt unbequem gen Horizont.
Dort liegt sicherlich eine Stadt, in der unser „Passione Rot“ angestrichener Testwagen positiv auffällt. Wann ist man schon das letzte Mal an der Autowaschanlage angesprochen worden „was für ein Auto dieses hübsche Gefährt“ (Ehepaar, 60+) denn sei? In der Tat haben die Fiat-Designer auch in meinen Augen (U60!) einen guten Job gemacht. Das Kindchenschema des 500-Designs wurde mit runden Lichtern und der Chromzahnspange beibehalten, aber nicht einfach fratzenhaft aufgeblasen (nochmal ein kurzer Gruß an den 500L) sondern ansehnlich ins größere Format gestreckt. Die Fünftürigkeit steht dem auffallend schrägen Heck sehr gut, an dessen Leuchten sich der kleine Bruder ebenso gekonnt wiederspiegelt. Unter der Klappe versteckt sich ein 350 Liter großer Kofferraum, der tief und breit genug ist, um auch einen größeren Shopping-Fang zu verstauen.
Am besten hat der Kaufladen einen eigenen Parkplatz, alternativ sollte das Budget beim Fiatkauf höher gewesen sein. Der 500 X Pop Star ohne Einparkhilfe zeigt sich – typisch moderne Autos – vor allem achtern sehr unübersichtlich. Der Abstand zum Hintermann wird zum Ratespiel, stets denkst Du „ich bin fast dran“ und dann sind doch noch 50 Zentimeter Platz. Einsicht der Italiener: Mittlerweile sind die Abstandsmelder beim im Testwaten verbauten Business-Paket mit an Bord.
Beim Blick nach vorne kehrt wieder eine beruhigende Wirkung ein, dafür sorgt auch die nett angerichtete Auslage in Form des Armaturenbretts. Beim Drahtseilakt zwischen Retro und Moderne hat der 500X auch hier sein Gleichgewicht gefunden. Das Lenkrad hat einen dicken, griffsympathischen (Kunst-)Lederkranz. Unten abgeflacht macht es nicht wirklich einen auf Sportvolant, bietet aber genug Platz beim Ein- und Aussteigen.
Hinter dem Steuer zeigen sich drei Tuben mit Rundinstrumenten, die nachts angenehm weiß illuminiert sind und sehr modern aussehen. Davon kann sich das Display des kleinen 5-Zoll UConnect-Systems (als Option gibt es eine 6,5 Zoll- Variante) eine dicke Scheibe abschneiden. Die grob pixelige Darstellung verliert meist den Kampf gegen das Tageslicht. Mehr Sein als Schein also beim Infotainment, denn die Technik dahinter genügt auch höheren Ansprüchen. Das Navi von TomTom berechnet Routen ziemlich fix und weist stets den richtigen Weg. Die Kopplung verschiedener Smartphones gelingt sekundenschnell und auch die Sprachqualität ist prima. Das gilt auch für den Klang aus den Lautsprechern.
Nun aber wieder runter auf null mit der Lautstärke – entweder per Drehknopf oder auf der Rückseite des Multifunktionslenkrades – und Lauscher gespitzt. Nichts zu hören! Den Vorurteilszettel mit der Aufschrift „Fiat Automobile sind schlecht verarbeitet“ kann man also getrost dem Reißwolf in den Rachen werfen. Im einzigen 500er aus Italien (der kleine 500 wird in Polen montiert, der 500L kommt aus Serbien) wohnt kein Poltergeist. Aus der gleichen Fabrik wie der X krabbelt übrigens auch der Plattformbruder Jeep Renegade.
Fazit:
Mit dem 500X ist Fiat ein zeitgeistiges Auto gelungen, das optisch überzeugen kann und auch hinter der Fassade ganz ok ist. Aber nicht mehr, Feinschliff am Fahrwerk und komfortablere Sitze wären eine schöne Sache. Außerdem sollten Kunden, die ja dieser Tage zumeist finanzieren oder leasen, das niedrige Zinsniveau nutzen und in einen stärkeren Motor investieren. Der 1,6 Liter Sauger ist schon arg schlapp – mit dem 1,4 Liter großen Turbobruder, der 140 PS serviert, macht der italienische Crossover sicherlich ein bisschen Laune.
Technische Daten
Fiat 500X 1.6 E-torQ Pop Star |
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Hubraum | 1.598 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 81/110 bei 5.500 U/min |
Max. Drehmoment | 152 Nm bei 4.500 U/min |
Getriebe | 5-Gang Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,4 |
Verbrauch real auf 100km | 9,3 |
Grundpreis | 19.650 Euro |
Testwagenpreis | 20.840 Euro |