Verabredung mit einem Vorserienfahrzeug des neuen Brennstoffzellenautos.
70 Prozent Marktanteil in Europa. Davon träumt so mancher Hersteller von Eigentlich-egal-was. Hyundai hat das mit dem ix35 Fuel Cell erreicht. Aber das natürlich auf sehr kleinem Niveau, es geht nämlich um den Markt der Brennstoffzellenfahrzeuge.
Seit 2013 bauen die Koreaner die Vorgängergeneration des kompakten SUV Tucson mit einem Elektromotor, der seine Energie aus Wasserstoff gewinnt. Der einzige Mitbewerber, der auch in (Klein-)Serie gefertigt wird, ist der Toyota Mirai.
500 Hyundai ix35 Fuel Cell sind in Europa unterwegs, 150 davon in Deutschland. Die sind spärlich verteilt, denn alleine 50 Fahrzeuge werden in München im Rahmen des BeeZero Car Sharing eingesetzt, auch Hyundai wird einige Autos im eigenen Fuhrpark haben.
Um neben dem Ioniq als Hybrid, Plug-in Hybrid und dem kommenden Elektro-Kona auch weiterhin die komplette Klaviatur der E-Antriebe spielen zu können, hat Hyundai in einen Nachfolger des ix35 Fuel Cell investiert.
Im Gegensatz zum Vorgänger wurde nicht ein bestehendes Modell aus der Palette umgerüstet, der Nexo ist von vornherein als Brennstoffzellenfahrzeug ausgelegt. Er wird ab Sommer 2018 in Korea gebaut und kommt voraussichtlich im August bei uns auf den Markt.
Jetzt konnte ich ein Vorserienfahrzeug in Augenschein nehmen. In der Realität sieht der Hyundai Nexo ein bisschen besser aus als auf Fotos, auch im tristen Grau. Kompakt und flach wirkt er, trotz der gegenüber dem ix35 deutlich gewachsenen Länge.
Scharfe Kanten oder Ecken fehlen an der Karosserie komplett, dem Diktat der Aerodynamik folgt sogar der Heckscheibenwischer, der sich unter dem Dachspoiler versteckt.
Im Innenraum kommt einem die große Mercedes-Baureihe in den Sinn. An die S-Klasse erinnert nicht nur das Zweispeichenlenkrad, sondern auch die Cockpitarchitektur mit zwei großen Displays. Die Instrumente vor dem Fahrer sind digital, das Display in der Mitte ist mit 12,3 Zoll Diagonale nochmals größer.
Hier lassen sich mit Fingerberührung oder per Tastenbedienung Menus aufrufen, Navigationsdaten eingeben und die Audioquelle auswählen. 40 Tasten oder Regler, die Getriebebedienung eingerechnet, versammeln sich auf der Brücke in der Mittelkonsole. Das wirkt auf den ersten Blick verwirrend, die logische Gruppierung dürfte nach etwas Eingewöhnung aber für eine fast blinde Bedienung sorgen.
Schon im Vorserienauto wirkt die Verarbeitung sehr gelungen, die Materialien gefallen optisch und haptisch. Auf dem Fahrersitz kann man es sich sehr bequem machen und wer nicht, wie der Autor dieser Zeilen, gerade über 1,90 Meter groß ist, kommt auch im Fond auf langen Strecken zurecht.
Die Lehne der Rücksitzbank kann in der Neigung verstellt werden, außerdem ist sie geteilt umklappbar. Hier zeigt sich ein Vorteil des Nexo, dem die Wasserstofftechnologie nicht erst nachträglich eingebaut wurde.
Jetzt drei (statt zwei im ix35) Wasserstofftanks mit jeweils 52,2 Litern Volumen sind so flach vor und hinter der Hinterachse angeordnet, dass der Kofferraum eine ebene Fläche bietet, auch bei vorgeklappter Rücksitzbanklehne. Steht diese aufrecht, kann der Hyundai Nexo durch die Heckklappe 461 Liter Gepäck einladen.
Auf der anderen Seite des 4,67 Meter langen Nexo kümmert sich der Antrieb um den Transport des Gepäcks. 120 kW bzw. 163 PS leistet der Elektromotor, das maximale Drehmoment beträgt 395 Nm.
Damit soll der Hyundai Nexo in 9,5 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei knapp unter 180 Stundenkilometern liegen. 800 Kilometer Reichweite gibt Hyundai nach NEFZ an.
Wenn der Nexo im August 2018 auf den Markt kommt, wird auch der WLTP-Verbrauch und die Reichweite, die 156,6 Liter Wasserstoff bieten, bekannt sein. Ebenso der Preis.
Der ix35 Fuel Cell kostete zuletzt 65.450 Euro. Wenn man bedenkt, dass der Nexo nicht mehr aufwendig in Handarbeit gefertigt wird, also die Stückkosten sinken und trotz des noch immer sehr dünnen Tankstellennetzes (bis Ende 2018 sind 100 öffentlich zugängliche Wasserstofftankstellen geplant) ein paar mehr Autos auf die Straße rollen können als bisher, wäre ein Preis von knapp unter 60.000 Euro denkbar und wünschenswert.
Es bleibt die Grundsatzdiskussion um den Wasserstoff. Dieser Energieträger ist mit viel Aufwand und Energieverbrauch herzustellen. Beim batterie-elektrischen Auto vergessen die Wasserstoffgegner aber oftmals, dass auch der Strom aus unseren Steckdosen leider nicht so umweltfreundlich dorthin gelangt, wie man es sich wünscht.
Wasserstoff wäre zudem im gut ausgebauten deutschen Gasnetz verhältnismäßig einfach zu transportieren. Klar bleibt dann die Infrastruktur mit Tankstellen, die viele Elektroauto-Fahrer nicht mehr nutzen wollen. Ein Supercharger-Netzwerk ist aber, sein wir mal objektiv und ehrlich, auch nichts anderes als ein Tankstellennetz.
Für Langstrecken-Fahrprofile hat die Brennstoffzellen-Technologie also durchaus ihre Daseinsberechtigung. Wenn sie so interessant verpackt wird wie im Hyundai Nexo, erst recht. Freuen wir uns darauf, dass Elektroautos, Brennstoffzellenfahrzeuge und vielleicht auch Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen die automobile Zukunft bunter machen.
Dann muss auch ein Hyundai Nexo nicht nur grauen Lack tragen.
Das Video zum Hyundai Nexo - Erstkontakt findet Ihr unter der Bildergalerie