Das Brennstoffzellenauto Hyundai Nexo im Alltagstest.
Versierte Zuschauer von Spartensendern dürften auch in Deutschland schon einmal über die englische Kult-Fernsehserie Doctor Who gestolpert sein. Die Hauptfigur, ein außerirdischer „Time Lord“ reist mit einer umfunktionierten britischen Notrufzelle namens Tardis (Time And Relative Dimensions in Space) nicht nur durch Zeit und Raum.
Diese Einleitung sei erlaubt, um sich dem Hyundai Nexo zu nähern. Denn auch bei ihm stellt sich die Frage, ob wir im Brennstoffzellenauto die Zukunft sehen oder einen Ausflug in ein Paralleluniversum unternehmen. Entscheidet sich ein Rennen zwischen batteriegespeisten Elektroautos und Wasserstoff als Energieträger? Werden beide Technologien ihren Platz finden? Fragen über Fragen. Egal wie. So wie Doctor Whos Tardis von Gästen stets mit „von innen viel größer als von außen“ bestaunt wird, offenbart sich auch der Hyundai Nexo erst Stück für Stück.
Los geht es mit der Schwärmerei schon außen. Die bereits zweite Generation des Brennstoffzellenautos von Hyundai wurde, wie auch der ebenfalls getestete Toyota Mirai , von Grund auf als Brennstoffzellenauto konzipiert. Die Produktplaner haben sich für den Marktstart im Jahr 2018, wie könnte es anders sein, das SUV-Segment ausgesucht.
Das hat praktische Vorteile, denn so lassen sich die drei Wasserstofftanks, die insgesamt 6,33 Kilogramm des Gases bei 700 Bar Druck speichern, im Fahrzeugboden integrieren. Dennoch bleibt allen Passagieren genügend Raum, der Toyota Mirai ist wesentlich enger geschnitten.
Trotz des trendgerechten Formats fällt der Hyundai Nexo im Straßenverkehr ebenso auf wie eine plötzlich erscheinenden blaue Notrufzelle. Das durchgehende LED-Tagfahrlichtband zieht Blicke auf sich, die dann an der gekonnt gezeichneten Karosserie hängen bleiben. Nicht einmal das gar nicht mehr so hippe Titanium Grey Metallic des Testwagens schmälert das optische Erlebnis namens Nexo.
Das Interieur zeigt ein neues Verständnis von Premiumansprüchen, das uns künftig noch öfter begegnen wird. Kunstleder auf den Sitzen, recycelte Zuckerrohrfasern in Teppichen und Türverkleidungen und Mais als Rohstoff für Sitze und die Verkleidungen der Dachsäulen setzen den Umweltgedanken des Antriebskonzepts fort. Aufgeschäumte Kunststoffe sucht man vergebens, was aber nicht stört. Im Gegensatz zur wie nachträglich angepinselt wirkenden silbernen Kunststoffleiste auf dem Armaturenbrett.
Wenige Zentimeter weiter oben grüßt dann die Zukunft. Über der Tasten-und-Knöpfe-Großstadt auf der freischwebenden Mittelkonsole thront ein 12,3 Zoll großes Display mit einer gestochen scharfen Anzeigengrafik, die ihresgleichen sucht. Aber kaum findet. Die Navigationskarte ist guter Standard, aber alle Informationen zur Mediennutzung, den Fahrzeugeinstellungen und der Arbeit des Antriebs gefallen besser als manches Fernsehprogramm (wieder ein Brückenschlag zur Einleitung!).
Hinter dem Lenkrad dient ein weiteres, voll digitales 7-Zoll-Display nicht nur als Kombiinstrument, sondern auch als Heimat für den aktiven Totwinkelassistent als Bestandteil des 3.500 Euro teuren Premiumpakets.
Sobald der Blinker gesetzt wird, zeigt der Monitor ein Kamerabild von der entsprechenden Fahrzeugseite an. Sowohl beim Abbiegen als auch beim Spurwechsel auf der Autobahn geht der zusätzliche Blick auf dieses Display vom ersten Meter an in Fleisch und Blut über. Ergonomisch durchdacht und gut umgesetzt.
So spult man auf den bequemen Sitzen vor dem tollen Cockpit gerne auch lange Strecken ab. Dabei sorgt natürlich das ruhige Elektroauto-Fahrgefühl für gute Stimmung, aber ebenso die bei höheren Geschwindigkeiten komfortable Federung, die nur in 30er-Zonen etwas steif wirkt. Wind- und Abrollgeräusche sind trotz großer 19-Zoll-Felgen kaum vernehmbar, auch die Brennstoffzelle hört man fast nie. Nach dem Abstellen des Autos stört dann aber das laute Gebläse, mit dem der Hyundai Nexo das Kondenswasser aus dem Abgaskanal föhnt. Eine Taste zum Wasserlassen wie im Toyota Mirai gibt es nicht.
1,2 Kilogramm Wasserstoff hat der Hyundai Nexo im Testzeitraum auf 100 Kilometer verbraucht, um Strom für den Elektroantrieb herzustellen. Das geschieht in 440 Brennstoffzellen-Stacks unter der Motorhaube, die dann den E-Motor direkt füttern, im Teillastbetrieb wird zudem eine 1,56 kWh große Pufferbatterie im Heck aufgeladen.
Knapp über 500 Kilometer Strecke sind also drin, bis wieder getankt werden muss. Trotz durchaus dynamischer Fahrweise, die den Nexo auch öfter an die abgeregelten 179 km/h Höchstgeschwindigkeit heranführte. Zumindest im Großraum München machte die Reichweite den Alltag mit dem Brennstoffzellenauto so einfach wie das Fahren im Verbrenner.
Sechs Wasserstofftankstellen sind meist am Netz und rund um die Uhr erreichbar, auch stand stets genug Druck zur schnellen Befüllung der Tanks im Auto zur Verfügung. Sechs Minuten Standzeit inklusive dem Einlesen der Berechtigungskarte sind natürlich auch für die Elektroautofahrer ein Argument die „mal eben rüberkommen und gucken“. Sie haben ja Zeit, während ihr I-Pace, Model S oder was auch immer 45 Minuten am Schnellader der Autobahnraststätte hängt.
Auf der Langstrecke muss dann schon genauer geplant werden. 60 Wasserstofftankstellen sind aktuell in Deutschland am Netz, bis die geplante Zahl von 400 Stationen erreicht ist, dürfte es noch dauern.
Bei der Frage „Henne oder Ei“ ist jedoch klar: Am mangelnden Angebot von Wasserstoffautos muss es nicht liegen, dass diese Technologie als Alternative zum batteriegespeisten Elektroauto erfolglos bleibt. Der Toyota Mirai ist ein gutes Auto, dem der Nexo aber in allen Bereichen nochmals weit überlegen ist. Unabhängig vom Antrieb ist der Hyundai ein schickes und tolles Auto, dem einzig die hohen Leasingraten im Vergleich zum Toyota einen Strick durch die Rechnung machen.
Fazit zum Hyundai Nexo
Hyundai glaubt fest an dir Zukunft der Brennstoffzelle. Im Jahr 2030 wollen die Koreaner bereits 700.000 Antriebskomponenten pro Jahr bauen können, davon 500.000 für Fahrzeuge. Auch andere Hersteller will man beliefern, mit dem Volkswagen-Konzern existiert bereits eine Kooperationsvereinbarung.
Kommt der gelungene Hyundai Nexo also aus der (Wasserstoff-)Zukunft oder einem Paralleluniversum? Das ist, wie bei Doctor Who, nicht klar zu sagen. Da es aber wahrscheinlicher ist, einen Nexo auf der Straße zu sehen, gilt auch hier: Wenn möglich einsteigen, staunen und genießen!
In eigener Sache zum Thema Wasserstoff
AUTONOTIZEN berichtet objektiv und technologieoffen über sämtliche Antriebssysteme. Herkömmliche Verbrenner haben auf diesem Portal und dem Youtube-Kanal ebenso ihren Platz wie Gasfahrzeuge und Elektroautos, egal ob sie mit Akkupacks oder Brennstoffzellen ausgestattet sind.
Die aufwendige Produktion von Wasserstoff als Energieträger steht ebenso in der Kritik wie die Herstellung von Batteriezellen und der Bedarf an Rohstoffen. Seien es Seltene Erden, Kobalt und Co. für Batterien oder Platin für Brennstoffzellen. Es muss und wird für beide Arten der E-Mobilität eine Lösung gefunden werden. Wie genau die jeweils aussieht und wann es soweit ist, wage ich nicht zu prognostizieren.
In einer spannenden Zeit, in der sich unsere Mobilität wandeln wird wie nie zuvor seit der Erfindung des Automobils, sollte man aber allen Antriebsformen (und auch der autonomen Fortbewegung) zwar kritisch, aber offen und interessiert gegenüberstehen.
Technische Daten
Hyundai Nexo |
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Maximale Leistung kW / PS | 120 kW (163 PS) |
Max. Drehmoment | 395 Nm |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 9,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 179 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 0,84 kg Wasserstoff |
Verbrauch real auf 100km | 1,2 kg Wasserstoff |
Leergewicht | 1.948 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.670 / 1.860 / 1.640 mm |
Grundpreis | 69.000 Euro |
Testwagenpreis | 73.100 Euro |