Mitsubishi Pajero im Fahrbericht
Noch bevor die Hand überhaupt den Zündschlüssel im Schloss dreht, meldet sich schon der Gurtwarner. Mit lautem Piepen erinnert er Dich daran, was Du Deinen Kindern immer predigst: „Zuerst anschnallen, dann geht es los“. Am Ende der Stichstraße, nach ca. 30 Metern, sitzt Du auf bereits Kohlen. Die Sitzheizung bollert dermaßen schnell in Richtung Kochtemperatur, so was hat mein Allerwertester noch nicht erlebt.
Ein ganz fixer also, der Mitsubishi Pajero? Mitnichten. Die beiden reaktionsschnellen Details stehen im Gegensatz zum gemächlichen Wesen des massigen Geländewagens. Damit meine ich nicht die fast zehnjährige Produktionszeit der aktuellen (und letzten) Modellgeneration. Es ist vielmehr die Fortbewegung diesseits neumodischer Hochgeschwindigkeitshektik. Ohne Dauererreichbarkeit (dazu später mehr) und im Rahmen eines selbstgewählten Tempolimits von 120 km/h (auch dazu bitte weiterlesen, danke).
Klar kann er mehr. Aus seinen 3,2 Liter Hubraum – übrigens der größte aktuell kaufbare Vierzylindermotor – quetscht der Pajero nicht nur 140 kW / 190 PS sondern auch 441 Nm maximales Drehmoment. Die großen Brennräume wollen dabei ausreichend mit Diesel geflutet werden. Selbst im reinen Straßenbetrieb habe ich den Durchschnittsverbrauch nicht unter 10,6 Liter auf 100 km bekommen, im Testmittel ließ sich der Pajero auf diese Distanz stolze 12,4 Liter in den Tank laufen.
Ihr seht – mit den Maßstäben moderner SUV, die dem Trend zur hohen Sitzposition folgen, dabei schick aussehen und die neuesten Elektronikgimmicks auffahren, will sich der Mitsubishi Pajero nicht messen lassen. Wobei er sogar einen Abblend- und Fernlichtassistenten hat. Der ist natürlich einfach in den ebenfalls vorhandenen Regensensor zu integrieren. Somit weht dem Pajero einen Hauch 2016 ins Cockpit.
Auch in dieser unserer Gegenwart gibt es Kundenschichten, die ihren Allradler nicht für den Parkplatzkampf vor dem Supermarkt brauchen. Sondern die einen Pferdeanhänger ziehen (die drei Tonnen Anhängelast des kurzen Mitsubishi sollten dafür ausreichen), Waldgebiete beforsten oder in Baustellen und Steinbrüchen unterwegs sind. Bei solchen Einsatzzwecken kommt ein SUV schnell an seine Grenzen.
Hier, im Gelände holt der Pajero dann auch das ein oder andere Ass aus seinem Ärmel. Permanent vierradgetrieben und mit einem 100% sperrbaren Hinterachsdifferenzial pflügt er im Offroadpark Langenaltheim auch da weiter durch Morast und Matsch, wo ich als Fahrer eigentlich schon zum Rückzug blasen wollte. Die Angst vor der eigenen Courage bollert Dir der Mitsubishi entspannt dieselnd aus der Seele. Also geht es immer weiter. Mit jedem neu erzwungenen Hügel wächst die gefühlte Sicherheit und irgendwann fahre ich mit dem Pajero dort herum, wo neben den 4x4-Urgesteinen Defender, Suzuki Samurai / Jimny und Jeep Wrangler nur noch Polaris Buggys herumknattern. Selten so viel Spaß mit einem Auto gehabt. Und selten ein Auto dermaßen schmutzig gemacht.
Der Weg zurück zur Hochdruckwäsche und nach Hause geht dann aber wieder über Landstraßen und die Autobahn. Hier protestiert das Auto lautstark gegen das Verlassen seines Spielplatzes. Man kann durchaus bis knapp über 190 km/h laut Tacho über die Autobahn donnern, bekommt dafür jedoch die Quittung durch den kurzen Radstand des dreitürigen Pajero und vor allem einen Hörschaden.
Entspannter geht das bei maximal 120 Sachen, womit wir zum erwähnten Tempolimit kommen. Dann kann man sich auf dem rutschigen Lederstühlen noch normal unterhalten. Und dabei wird man auch nicht von lästigen Anrufern gestört. Zumindest habe ich es mit verschiedenen Smartphones (iPhone 5S, iPhone 6, Galaxy S5) nicht geschafft, eine Bluetooth-Verbindung herzustellen.
Mit diesem modernen Kram fremdelt der Pajero eben, schließlich kam er schon 2007 in der aktuellen Form auf den Markt und wurde somit zu einer Zeit entwickelt, als es z.B. das iPhone noch gar nicht gab.
Seitdem wurde er technisch gepflegt. Natürlich erfüllt der große Dieselmotor seit letztem Jahr auch die obligatorische Euro 6-Norm, wodurch seine Maximalleistung von 200 auf 190 Pferdestärken sank.
Optisch hat sich schon länger nichts getan, und das ist gut so. Das Auto wirkt massiv und zumindest an der chromverzierten Front mit den großen Pajero-Lettern durchaus nobel.
Es ist bemerkenswert, wie viele Blicke vor allem von jüngeren Menschen (die sich doch laut Studien so gar nicht mehr für Autos interessieren dürfen!) an der innerstädtischen Ampel am Pajero hängen bleiben. Denen fällt dann auch das klassisch außen hängende Reserverad am Heck auf. Es ist an einer Hecktür verschraubt, die traditionell zur Seite öffnet. Nachdem der Mitsubishi aus Japan und damit aus einem Land mit Linksverkehr kommt, öffnet sie leider meist zur falschen Seite – nämlich in Richtung Gehweg.
Das ist dem Tierarzt aber egal, der mit einem vollgeladenen Pajero im Notfall auch mal quer über die Weide fahren kann.
Und weil dessen Patienten zwangsläufig alle „privat“ sind, kann er sich auch gerne das höchste Ausstattungsniveau namens Top leisten. Dann kommt der Geländewagen mit verchromten Außenspiegelkappen und Türgriffen sowie Holzoptik (merkt ihr was? Holzoptik! Nicht Holz) im Innenraum. Leider auch am Lenkrad, das dadurch manchmal zu rutschig ist, vor allem wenn man die 265/60 R 18 – Walzen um enge Ecken drücken möchte.
Des Weiteren verwöhnt das Top-Modell mit einem großen Glas-Schiebedach, Ledersitzen und Mitsubishis komplexem Multimediasystem nebst 420W Soundsystem. Dafür ruft die Preisliste 44.990 Euro auf, als einzige Option kommt die Metalliclackierung für 800 Euro hinzu. Der empfehlenswerte Fünftürer mit sieben Sitzen kostet glatte 5.000 Euro mehr.
Viel Geld für ein technisch knapp 10 Jahre altes Auto? Zumindest nicht wenig. Aber dennoch günstig, da der letzte wirkliche Mitbewerber Toyota Land Cruiser fast 5.000 Euro mehr kostet. Und ein auf den ersten Blick viel billigerer Jeep Wrangler kostet mit Hardtop statt Stoffdach, Navigation, und Ledersitzen ausstattungsbereinigt auch knapp mehr als der Mitsubishi.
So fällt es diesmal gar nicht leicht, bei einer abschließenden Empfehlung den Daumen nach oben oder nach unten zu bewegen.
Daher bleibe ich so butterweich wie der Schlamm, den der Pajero gerne unter den Rädern hat: Wer sich aus Coolnessgründen einen großen, hohen Wagen zulegen möchte, sollte entweder zur Selbstwerttherapie gehen oder eben doch zum SUV greifen.
Wer einen Zugbullen mit wirklicher Geländekompetenz haben muss, für den ist der Pajero ein gutes Angebot. Vor allem eines, das hält, was es verspricht.
Wenn (Park-)Raum und Geld keine Rolle spielten, würde ich auch gerne einen nehmen – einfach für unendlichen Wühlspaß am Wochenende.
Technische Daten
Hubraum | 3.200 ccm |
Maximale Leistung kW / PS | 140 kW/190 PS bei 3.500 U/min |
Max. Drehmoment | 441 Nm bei 2.000 U/min |
Getriebe | 5-Stufen-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 9,0 Liter /100km |
Verbrauch real auf 100km | 12,4 Liter /100km |
Grundpreis | 44.990,00 € |
Testwagenpreis | 45.790,00 € |