Der Nissan Leaf fährt seit 2017 bereits in zweiter Generation vor. Kann er im Kreise der jungen Elektroauto-Konkurrenz noch mithalten?
Es war der Nissan Leaf der ersten Generation, der mich ins Neuland entführte! Mein erstes Mal hinter dem Steuer eines Elektroautos durfte ich mit ihm im Zuge einer Händlerprobefahrt 203 erleben. Damals galt der kompakte Japaner als Pionier einer neuen Zeit.
Das erstmals 2010 präsentierte Elektroauto der Japaner wurde – auch mangels massentauglicher Konkurrenz - zu einem Welterfolg und schaffte es bis 2017 stets, den Titel des meistverkauften Elektroautos zu verteidigen - bis ihm im Jahre 2018 das Tesla Model 3 diesen Titel abnahm und kontinuierlich hält. Doch was ist aus dem japanischen Wegbereiter geworden?
Der Leaf im Video-Review
Während in Japan und den USA die Leute den skurrilen Elektrowagen feierten und auch reichlich kaufen, hatte er es bei uns in Deutschland immer schwer. Ob dies am Design, der geringen Reichweite, dem lange übersichtlichen Ladesäulennetz oder aber dem Preis lag, bleibt unbeantwortet. Dank der Zulassungszahlen jedoch wissen wir, dass der Renault Zoe mit seiner Mietbatterie, die den Listenpreis deutlich drückt, dem Nissan Leaf in Deutschland den Rang ablief.
2017 dann kündigten die Japaner einen neuen Nissan Leaf an und lieferten die zweite Generation ab Anfang 2018 an die ersten Kunden bei uns aus. Genau dieses Modell darf ich nun 7 Jahre nach meinem Erstkontakt mit der Elektromobilität für euch fahren und vorstellen.
Der Nissan Leaf ZE1 – so heißt die 2. Generation offiziell - steht nun gefällig und ohne besondere Schnörkel vor dem Auge des Betrachters. Die Zweifarbenlackierung mit schwarzer Dachpartie steht dem Stromer gut und lässt ihn frisch wirken. Die Fahrgastzelle erinnert mit ihrer hohen Linie beinahe an einen Van, was durch die schwarze Dachpartie samt Dachholmen und schwarzer Heckklappe kaschiert werden soll. Verdrehten sich 2013 noch die Menschen nach einem Nissan Leaf den Kopf, so scheint man optisch mit dem aktuellen Modell eher in der Masse untergehen zu wollen.
Innen nicht mehr taufrisch
Bei der Innenraumgestaltung sind die Japaner ebenfalls um Unauffälligkeit bemüht. So wirkt der Instrumententräger mit dem teil-digitalen Kombiinstrument samt analogem Geschwindigkeitsanzeiger und dem eher tief platzierten 8 Zoll Mediabildschirm fast schon in der Zeit stehengeblieben. Hier spürt man, wie schnell die technische Entwicklung in den letzten Jahren an Fahrt aufnahm. Und mit ihr unser Selbstverständnis, immer größere Monitore mit Fingerabdrücken zu tapezieren.
Aus praktischer Sicht fehlt es dem Nissan Leaf im gut verarbeiteten Innenraum an Ablagemöglichkeiten, Auge und Fingerkuppen wünschen sich schickere Materialien.
Weich gepolstert und angenehm breit ausgeformt sind hingegen die manuell verstellbaren Vordersitze. Dass der Beifahrersitz nicht höhenverstellbar ist, bleibt unverständlich. Die Rückbank ist weich gepolstert und sehr hoch montiert, was zu einer etwas gewöhnungsbedürftigen Sitzhaltung mit angewinkelten Beinen führt. Die Kopffreiheit für Personen bis 1,80m ist ausreichend, darüber wird es eng. War der Kofferraum beim Nissan Leaf ZE0 (der Vorgänger) noch eher eine erweitere Reserveradmulde, ist der Kofferraum jetzt alltags- aber weniger elektroautotauglich. An einen doppelten Laderaumboden oder gar eine Verstaumöglichkeit für die Ladekabel hat offenbar kein Entwickler gedacht. Dies wundert um so mehr, da der Nissan Leaf von vornherein als Elektroauto geplant und entwickelt wurde.
Mit 62 kWh-Akku bis zu 160 kW
Einen handelsüblichen Kinderwagen bekommt man in den Kofferraum, wie auch das meiste Reisegepäck. Ärgerlich wird es erst, wenn der Platz nicht ausreicht und man die Rücklehnen umlegen muss, denn dann entsteht im Laderaum eine beachtliche Stufe, die schlicht unpraktisch ist. Bevor wir jedoch auf die Straße gehen können, sollten wir uns zunächst mit der Technik des Nissan Leaf vertraut machen.
Angeboten wird der Nissan Leaf ZE1 aktuell in zwei Leistungs- und Batteriegrößen. Den Einstieg bildet ein 100 kW (150 PS) starker Elektroantrieb gepaart mit einer 40 kWh fassenden Batterie. Mit diesem Stromspeicher soll der Nissan Leaf eine praxisnahe Reichweite von rund 270 km (kombiniert nach WLTP) erreichen.
Alltagtaugliche Reichweite
Für Reichweitenangsthasen bietet Nissan noch den Leaf e+ mit einem 160 kW (217 PS) leistenden Elektromotor samt 62 kWh fassendem Akku. In dieser Kombination sollen dann bis zu 385km praxisnah (kombiniert nach WLTP) möglich sein.
Da in Deutschland die Angst vor zu wenig Radius noch immer groß ist, testen wir den Nissan Leaf e+ TEKNA mit großem Akku. Dazu gibt es im Testwagen die Vollausstattung „Tekna Option“ zum Listenpreis von aktuell 41.808,74€. Dass man sich die knapp 5.000 Euro Aufpreis für den größeren Stromspeicher im Grunde sparen kann, sollte sich schon früh zeigen...
Dem Leaf wird schnell heiß
Das die Japaner offenbar nicht mit einem höheren Absatz für den Nissan Leaf in Europa gerechnet haben, zeigt sich am deutlichsten an der verwendeten Schnellladetechnik mittels CHAdeMO. Dieser in USA und Asien gängige Schnellladeanschluss wurde bei uns leider immer stärker aus dem öffentlichen Schnellladenetz verbannt. Wo einst die sogenannten Triple-Charger (Typ 2, CHAdeMO & CCS) standen, thronen nun die neuesten „Super-Lader“ einzig mit CCS-Anschluss. Zudem sind auch lange Etappen auch nicht des Nissan Leafs bevorzugtes Einsatzgebiet. Es fehlt dem Japaner nämlich an einem effektiven Thermal-Management für den Akku. Wer diesen schnell leert und dann wieder schnell lädt wird spätestens bei 2. Ladevorgang bestraft. Dann nuckelt der Nissan Leaf mit warmer Batterie nur noch mit reduzierter Ladegeschwindigkeit Elektronen.
Somit sind Langstrecken im Nissan Leaf mit geringem Tempo und viel Geduld von Fahrer und Insassen zu bewältigen. Am Schnelllader parkt der Nissan Leaf mit 62 kWh-Akku rund 90min für die Ladung von 20% auf 80% (mit kleinem Akku liegt diese Zeit bei 60min).
Am dreiphasigen Typ-2-Anschluss an der Wallbox oder öffentlicher Ladesäule kann man mit maximal 6,6 kW den Stromspeicher wieder auffüllen, wartet dann aber bis zu mehr als elf Stunden für eine Aufladung auf 100 Prozent State-of-Charge.
Bleibt das schwächste Glied in der Infrastruktur, die Schuko-Steckdose. Den 230V-Haushaltsanschluss sollte nur nutzen, wer das Auto erst in ein paar Tagen wieder fahren möchte. Bis zu 32 Stunden lässt sich der Leaf e+ hier am Kabel parken.
Ist der Stromspeicher aber voll und das Ladekabel im Kofferraum verstaut, summt der Nissan Leaf mit leichtem Druck auf das e-Pedal los. Schnell fallen das komfortable, gut gedämmte Fahrwerk sowie das perfekt umgesetzte One-Pedal-Feeling positiv auf.
Bis auf den BMW i3 lässt sich kein anderes Fahrzeug so hervorragend und zuverlässig mit nur einem Pedal fahren, wie der Nissan Leaf. Dank einer sehr starken aber dennoch gut abschätzbaren Rekuperation schafft man es spielerisch vor Ampeln oder hinter dem Vordermann ohne die Nutzung des Bremspedals zum Anhalten zu kommen. Zudem bremst die Elektronik den Wagen die letzten 2-3 km/h bis zum Stillstand und hält den Wagen gebremst, bis der Fahrer wieder den Impuls zum Losfahren gibt.
Sparsam im Alltag
Entspannt, leichtgängig und ein wenig entkoppelt pilotiert der Fahrer seinen Leaf über den Asphalt und erlebt dabei die herrliche Gelassenheit der Elektromobilität gepaart mit beruhigender Stille im Innenraum. Einen weiteren Punkt zur Entspannung beim Fahren tragen die Assistenzsysteme bei. Diese sind alle unter dem Namen ProPILOT zusammengefasst und ermöglichen dank aktiver Spurführung und Abstandsregelung ein teil-autonomes Fahren.
Wenn es dann doch mal im Fuß juckt, der kann sich im Nissan Leaf e+ über den kräftigen Antrieb mit seinen maximal 160 kW und den sofort anliegenden 340 Nm Drehmoment erfreuen. Die schaffen es dann auch sehr schnell, die Reifen an der Antriebsachse zu überfordern, so dass die Elektronik der Leistung Einhalt gebieten muss. Der Durchzug hält im Leaf e+ auch kontinuierlich an, so dass problemlos die maximale Höchstgeschwindigkeit von 157 km/h erreicht wird. Energieeffizienz sieht anders aus, aber Spaß muss auch mal sein.
Im Alltag pendelt sich der Stromverbrauch bei 16 kWh je 100 Kilometer ein. Ohne große Probleme lassen sich aber auch Werte um 14,5 kWh erzielen, womit der Nissan Leaf auch viele Jahre nach seinem Debut als sehr sparsames Elektroauto durchgeht.
Fazit zum Nissan Leaf
Am Nissan Leaf zeigt sich, wie schnell aus einem Pionier ein Nachzügler werden kann. Die Konkurrenz schläft nicht und die technische Entwicklung geht voran. Da muss sich der Nissan Leaf plötzlich mit moderneren Mitbewerbern wie dem Hyundai Kona Elektro, dem Kia e-Niro und dem VW ID.3 messen lassen, die nicht mal teurer sind.
Ein Beitrag von Autor Matthias Gill
Technische Daten
Nissan Leaf e+ Tekna-Option |
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Elektromotor: Maximale Leistung kW | 160 kW (217 PS) |
Elektromotor vorn: Nennleistung KW | 85 kW (116 PS) für 60 Minuten |
Batterie | 62 kWh, Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 157 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 18,5 kWh (WLTP) |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 16 kWh |
Leergewicht | 1.723 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.490 / 1.788 / 1.545 mm |
Grundpreis | 40.648,74 Euro |
Testwagenpreis | 42.978,49 Euro |