Renault Espace im Alltagstest Reisen, nicht rasen.

Der Renault Espace ist ein herrlich anderes Reiseauto.

Einfach mal Zeit lassen. Diese Einstellung passt, und damit nehme ich nun kein Fazit vorweg, sehr gut zum Renault Espace.

Schon vor der Markteinführung des aktuellen Modells begann die Langsamkeit des Seins. Sich-sicher-seins. Was man denn will. Und kann. Nach R25 und Safrane endeten Versuche, dem Rhombus im automobilen Oberhaus zu etablieren, leider desaströs. Der Vel Satis war zu seiner Zeit (2002 – 2009) unverstanden, den Avantime (2001-2003) kann man auch rückblickend nicht in vollem Umfang begreifen.

Renault Espace im Alltagstest

Also musste der Espace herhalten. Die Modellreihe, die Anfang der 80er Jahre, als Renault dem Zulieferer und Produktionspartner Matra das fertig entwickelte Konzept der ersten europäischen Großraumlimousine abkaufte, für einen neuen Aufbruch stand. Bis zur vierten Generation, die 2002 vorgestellt wurde, wuchs der Espace nicht nur beständig, sondern wurde auch etwas nobler und gleichzeitig teurer. Plötzlich musste er als (fast-)Premium-Angebot von Renault die Fahne hochhalten.

Und dann gab es auch noch den Umbruch im Markt. Vans waren plötzlich nicht mehr en vogue, SUV das große Ding.

So ganz aufgeben wollten die Renault-Leute den Espace aber nicht. Während Mitstreiter wie der Chrysler/ Lancia Voyager in die Geschichtsbücher eingingen, sollte der Espace als letzter Krieger dem Untergang des großen Vans in Europa die Stirn bieten. Emotionaler gestrickt und teurer verkauft als profane Galaxy oder Sharan. 12 Jahre lang hangelte sich die vierte Generation durch die Modellpalette.

Renault Espace im Alltagstest

2015 war es dann endlich so weit, ein neuer Espace erblickte das Licht der Autowelt. Und das taktisch sehr überlegt, gleichzeitig gewagt. Man hätte einfach stupide einen neuen Großraumvan bringen können, eben knapp an den Wünschen der Zielgruppe vorbei. Oder man hätte auf das SUV-Thema springen können. Mit einem siebensitzigen Sorento-SantaFe-Touareg-Konkurrenten. Beides passte nicht.

Der aktuelle Renault Espace denkt den Vorgänger weiter. Seinen Ansatz, mehr als nur Mittelklasse zu sein. Stolz thront er an der Spitze der Renault Modellpalette. Er verkörpert weiterhin klassische Van-Tugenden. Einzelsitze im Fond, auf Wunsch eine dritte Sitzreihe und eine Windschutzscheibe, vor der sich viele Kleinstadt-Kinoleinwände verstecken müssen.

Gleichzeitig wirft sich sein Design selbstbewusst den Van-Kritikern entgegen. Eine bullige Front mit deutlichem Knick zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe, eine deutlich flachere Karosserie (1,68 Meter im Vergleich zu 1,80 Metern beim Vorgänger) und große Räder markieren eine Neuinterpretation des Reiseautos: Den mächtigen Wagen für die lange Tour.
Zumindest aus Renault-Sicht. Dass ein ähnliches Konzept vor einer Zeit mit der Mercedes-Benz R-Klasse kläglich scheiterte, erwähnen wir jetzt mal nur am Rande.

Renault Espace im Alltagstest

Einfach mal Zeit lassen. Ruhe stellt sich auch ein, wenn man den Innenraum des Renault Espace entert. Der Testwagen verwöhnt mit der höchsten Ausstattungsversion Initale Paris das Auge. Braunes Nappaleder harmoniert hervorragend mit dunkelgrauen Holzdekoreinlagen, die in der Mittelkonsole sanft in schwarzen Hochglanzlack übergehen. Schick!

Sämtliche Kunststoffteile des Innenraums, von der Mittelkonsole über Türgriffe und Verkleidungen in Fond und Kofferraum sind ebenfalls braun. Das passt perfekt zum Leder und wirkt harmonischer als das dunkelgraue Standard-Zeugs in sämtlichen Premiumautos deutscher Hersteller, was dort oft die Wahl einer braunen Ausstattung vermiest.

Es gibt viel zu gucken, schön. Und wie im Designmuseum heißt es besser: Nicht anfassen! Denn in all´ der Schwelgerei donnert man zügig wieder auf den Boden der kaufmännischen Tatsachen zurück, wenn man das harte Plastik spürt. Nicht nur in versteckten Bereichen, wo sich heutzutage selbst jeder größere Skoda eine Schicht Weichmacher überzieht. Sondern im kompletten Bereich unterhalb der Anzeigen und Instrumente. Was jetzt wie Jammern eines verblendeten oder gar gekauften Autoschreibers aus Deutschland klingt, ist vielmehr Wehklagen des rechten Fahrerknies, dass sich nämlich aus rein physischen Gründen zumindest an der Mittelkonsole weichere Materialien gewünscht hätte.

Renault Espace im Alltagstest

Das massive Cockpit schränkt den Lebensraum für Fahrer und Beifahrer nämlich merkbar ein. Da sitzt man nun in seiner Kanzel und genießt zumindest den sehr bequemen Sitz mit seiner einstellbaren Oberschenkelauflage. Der massiert auf Wunsch auch, einzustellen in vielen Stufen über das Menü des stets präsenten Touchscreen-Bildschirms. Dabei knarzen die Luftpolster im Sitz leider deutlich hörbar, was dann weniger entspannend wirkt. Ähnlich, wie wenn der Aroma-Masseur ständig die Nase hochziehen würde.

Was man auch deshalb hört, weil es ansonsten ziemlich ruhig ist im Espace. Allerdings nur bis 130 Stundenkilometer. Darüber nehmen die Windgeräusche überproportional zu. Zudem wirkt das Fahrwerk bei höherem Autobahntempo zu rumpelig. Richtig Freude macht schnelles Fahren nicht. Als ob das Auto hingabevoll für französische Autobahnen konzipiert worden wäre: Privatisiert und deswegen meist in optimalem Zustand und auf eben jede Hundertdreißig limitiert. Dazu passt auch di Beschränkung auf einen Sensor für die adaptive Abstandsregelung, der nur bis 140 km/h zu Diensten steht.

Renault Espace im Alltagstest

In diesem Zusammenhang klingen die 200 PS des getesteten Renault Espace TCe200 plötzlich gar nicht mehr so potent. Dieser nur 1,6 Liter große Turbo-Benziner stellt neben dem 160 PS leistenden Diesel, ebenfalls mit 1,6 Litern Hubraum, die einzige Antriebsalternative für den noblen Espace Initiale Paris dar.

So ein kleiner Motor und dem riesigen Auto? Klappt nie! Denken manche. Klappt aber überraschend gut, zumindest im Stadtverkehr und auf Landstraßen. Und bis zur Richtgeschwindigkeit. Der Vierzylinder ist extrem leise und harmoniert gut mit dem serienmäßigen 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Meistens zumindest, dazu später mehr. Nur auf den Verbrauch sollte man nicht schauen.

Nicht übertrieben hektisch und sogar oftmals im „Eco“-Modus des Multi Sense-Systems bewegt, flossen im Testzeitraum stolze 12,5 Liter Super in die vier Brennräume. Mal eben das Doppelte des ambitionierten NEFZ-Verbrauchs von 6,2 Litern.

Im erwähnten Spar-Modus wirkt das Motörchen deutlich gehemmt, der Renault hängt an der kurzen Leine. Zudem werden durch das Multi Sense System auch weitere Parameter wie Lenkung (im Initiale Paris übrigens serienmäßig mit Allradlenkung 4Control), das adaptive Fahrwerk, die Leistung der Klimaanlage und Schaltpunkte im Getriebe gesteuert. Im Sport-Modus kommt ein alberner Motorsound hinzu, er röhrt vernehmlich aus den Boxen hinten rechts (wo eben auch die Abgasanlage ihr Endrohr trägt).

Richtig albern ist aber, dass ich das zeitweise sogar nett finden kann. Warum sollte man in der heutigen Zeit, in der man mehr virtuelle Freunde hat als echte und Siri uns öfter zuhört als die eigene Mutter, einen digitalen Sound nicht zumindest mal interessant finden.

Renault Espace im Alltagstest

Apropos Sound. Der Espace Initiale Paris kommt ab Werk mit einer BOSE-Soundanlage. Liest sich super in der Preisliste: Surround-Sound-System mit 12 Lautsprechern, 360 Grad Sounderlebnis und Gegenschall zur Reduzierung von Motorgeräuschen. Wenn man im Auto die Kofferraumabdeckung anhebt sieht man auch den prominent platzierten Subwoofer.

Aber dann: Dünne Bässe, wenig klare Höhen und keinerlei Einstellmöglichkeiten anhand eines Equalizers für unterschiedliche Musikstile. Das System ist in meinen Augen die 1.100 Euro Aufpreis für die niedrigere Ausstattungslinie Intens nicht wert und beweist auch nach einigen Hörerlebnissen im trauten Heim mit diversen Anlagen des Herstellers: BOSE ist durchaus als Abkürzung für Buy-Other-Sound-Equipment zu verstehen.

Und was ist nun mit der Kaufempfehlung zum Auto an sich? Diese Frage ist nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten.

Nachdem PSA (Peugeot, Citroen und DS) das Feld der großen Autos anderen überließen, ist es schön, dass Renault mit dem Espace die Nische des avantgardistischen Autos am Leben erhält. Ein Auto, das durchaus auffällt. Dabei im Fond und Kofferraum ohne Ende Platz bietet. Und nebenbei seiner Van-Tradition gerecht wird und drei Einzelsitze mit drei ISOFIX-Verankerungen auf der Rücksitzbank bereit hält. Die Bequemlichkeit der optionalen dritten Sitzreihe kann in diesen Zeilen nicht beurteilt werden, da der Testwagen als Fünfsitzer vorstellig wurde.

Wer also einen entspannten Reisewagen ohne sportliche Allüren sucht, sich auf großen Sitzen räkeln möchte und das Kreuz beim gewiss sparsameren Dieselmotor macht, erhält mit dem Espace ein interessantes Auto. Auf keinen Fall günstig, aber selbstbewusst.

Und eines sei auch noch gesagt: In das oftmals gescholtene R-Link-Bediensystem hat man sich spätestens am dritten Tag hinein gefummelt.

Renault Espace im Alltagstest

Epilog

Einfach mal Zeit lassen. Das Mantra des Espace-Testwagens. Wenn er nämlich öfter mal seinen Dienst verweigerte. Nach dem Motorstart wollte zeitweise das Doppelkupplungsgetriebe den Befehlen seines elektronisch gesteuerten Wählhebels nicht Folge leisten. Das Ergebnis war ein Auto, dass augenscheinlich auf Position „D“ oder „R“ fahrbereit war, aber nur der Motor aufheulte. Kein Vortrieb. Interessanterweise war es jedes Mal erst damit getan, wenn man das Auto verlassen und abgesperrt hatte und sich ca. fünf Minuten Zeit ließ. Schnellere Neustartversuche schlugen fehl.

Des Weiteren fuhr die Instrumenteneinheit ihr ganzes Portfolio an möglichen Fehlermeldungen auf. Über eine defekte Batterie und Probleme mit Start/Stopp bis hin zum angeblichen Ausfall des Bremssystems. Die freundliche und kompetente Servicehotline konnte leider nicht mehr tun, als den Abschleppwagen schicken. Da sich Renault kein Netz an eigenen Werkstattmobilen leistet, war die einzige Option das Abschleppen in die nächste Werkstatt und ein Mietwagen.

Renault Espace im Alltagstest

Alles wieder abgeblasen und der Besuch des Renault Händlers am nächsten Morgen untermauerte meine Vermutung: Kein Fehler an den Bremsen (oder sonstigen Teilen), sondern die Elektronik spinnt. Seitenweise Meldungen wurden gelöscht, dann lief es wieder – drei Tage lang bis zum nächsten Bling-Bling im Cockpit. Den Fehler im Getriebe konnte die überraschend freundliche und kompetente Vertragswerkstatt (überraschend deswegen, weil man in der Servicewüste Deutschland schlimmeres gewohnt ist) nicht reproduzieren, war aber über einen Rückruf in dieser Sache informiert.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Daher tippe ich mal, dass diese Wehwehchen des Testwagens ein Einzelfall sind und nicht allgemein für die Güte des Espace stehen. Da beruhigt der Hinweis auf fünf Jahre Garantie (drei Jahre Werksgarantie und zwei Jahre Anschlussgarantie) auf dem Modellprospekt ungemein.

Technische Daten

Renault Espace ENERGY TCe 200 EDC Initiale Paris

Hubraum 1.618 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 147 kW/ 200 PS bei 6.000 U/min
Max. Drehmoment 260 Nm bei 2.500 U/min
Getriebe 7-Gang-Doppelkupplung
Beschleuningung 0-100 km/h 8,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 211 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 6,2 Liter
Verbrauch real auf 100km 12,5 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Dunlop Sport MAXX RT 235/55 R19 101W
Leergewicht 1.684 kg
Länge / Breite / Höhe 4.857 / 1.888 / 1.675 mm (Länge / Breite / Höhe)
Grundpreis 44.900 Euro
Testwagenpreis 47.690 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad