Eine schöne Schale hat er ja, der Renault Megane GT. Mal sehen, was darunter steckt.
Kompakte Renaults sorgen seit jeher für eine optische Bereicherung in der Kompaktklasse. Manches erwies sich als wegweisend, wie die große Klappe des R16, manches als zukünftiger Klassiker (der ruhig gezeichnete R19, vor allem als 16V) oder als neumodisch und schnell veraltet, wie die zweite Megane-Generation von 2002 bis 2009.
Auch die aktuelle Baureihe, die seit 2016 vom Band läuft, guckt man gerne an. Die großen Lichtspangen an der Front prägen das aktuelle, unverwechselbare Renault-Gesicht. Das Profil mit der breiten, steilen C-Säule vermittelt Solidarität und auch am Heck leuchtet einem der Designgedanke ein. Die breiten Rückleuchten machen das Modell tagsüber und vor allem auch nachts unverwechselbar.
Kann der französische Golf-Konkurrent mehr als nur Laufsteg? Um das herauszufinden, rollte ein Iron-Blauer Renault Megane GT Energy dCI 165 EDC zum AUTONOTIZEN-Alltagstest an. Hinter der kryptischen Bezeichnung steht die Sportausstattung mit einem 163 PS (trotz der 165 im Namen) starken 1,6 Liter-Dieselmotors. Der erfüllt auch aktuell nur die Abgasnorm Euro 6. Wann Renault einen SCR-Katalysator und AdBLue-Tank nachliefert, ist aktuell noch nicht bekannt. Die optionalen 18-Zoll Leichtmetallfelgen mit dem Namen Magny Cours schmeicheln zusammen mit der Lackfarbe namens Iron-Blau, die es exklusiv für den Renault Megane GT gibt, der Optik zusätzlich. Die Vorfreude steigt also.
Leider verfliegt die gute Laune verfliegt im alltäglichen Umgang mit dem Megane recht schnell. Das größte Ärgernis am Testwagen ist aber bei aktuellen Neufahrzeugen teilweise behoben. Renaults R-Link-Infotainment mit dem großen, vertikalen Monitor sollte eine Kamera installiert haben. Dann könnten sich die Konstrukteure zumindest totlachen, wenn sie verzweifelte Menschen dabei beobachten, so simple Befehle wie die Auswahl eines Radiosenders auf dem Touchscreen-Monitor auszuführen.
Immer, wenn man gerade denkt „ne, so lange kann das nicht dauern, die Technik hat meinen Fingerdruck nicht erkannt“ und man wieder hin fasst, ist R-Link doch mit der Umsetzung beschäftigt. Dann wird der zweite Fingertapser aber sofort erkannt und kann hat garantiert in ein falsches Menu gewechselt oder einen anderen Sender als den gewünschten im Ohr. Sämtliche Mobiltelefone ließen sich zwar für die Telefonie verbinden, aber nicht als Audioplayer. Warum auch immer, denn laut R-Link war die Medienwiedergabe stets aktiv. Das ist aber vorbei, mittlerweile kann der Megane Android Auto und Apple Car Play.
Dann nutzt man am besten auch gleich das Navigationssystem des Smartphones. Das Renault-System ist zwar die ersten 36 Monate kostenlos online und arbeitet mit Echtzeit-Verkehrsdaten, aber wie. Auf der ersten Langstrecke sorgte das Navi schon für pure Verzweiflung. Beim kleinsten Hindernis führte es von der Autobahn ab über teilweise abenteuerliche Routen. In einer Ortschaft oder einer Stadt erkennt es in jeder roten Ampel einen Stau und berechnet eine Umfahrung. Ungelogen, alle 30 Sekunden ertönt „sie nähern sich einem Stau“. Um die Verwirrung komplett zu machen, zeigt das System dann Umleitungsempfehlungen an, die nicht nur länger sind, sondern auch eine längere Fahrzeit bedeuten.
Wer also nicht (wie der Autor) kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehen will, achtet beim Lager- oder Gebrauchtwagenkauf auf ein Modell mit der oben erwähnten Smartphonekopplung. Der Rest des Megane bemüht sich zwar, die Laune wieder zu heben, aber leider gelingt das auch nur teilweise.
Der Dieselmotor ist ausreichend kräftig, aber kein der GT-Optik entsprechender Stürmer. Dazu passt, dass das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe selbst im R.S.-Modus der Multi Sense - Fahrmoduskontrolle den Befehl zum Kickdown öfters ignoriert. Im Umkehrschluss erfreut der Megane dCi mit einem akzeptablen Trinkverhalten. Durchaus zügig bewegt waren es über den Testzeitraum 7,0 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Mit der großen Abweichung zum NEFZ-Wert (4,6 Liter) steht der Renault nicht alleine da.
Die GT-Sportsitze sind mit hübschem und strapazierfähiger Microfaser bezogen. Leider sitzt man recht hoch, selbst wenn man den Sitz mit dem billig wirkenden Hebel – der zudem stets so laut knackt, dass man denkt „jetzt habe ich ihn abgebrochen“ – ganz nach unten gestellt hat. Weil im Gegenzug die Windschutzscheibe recht flach ist, verliert man auf Pole Position an der Kreuzung die Ampeln aus dem Blickfeld. Auch eine Lendenwirbelstütze könnte den Sitzen guttun, denn im Gegensatz zu den Schultern wird der untere Rücken nur unzureichend gestützt.
Eine Rücksitzbank hat der Megane natürlich auch. Das hört man schon, bevor man Passagiere einlädt, mitzufahren. Das Möbelstück knarzte nämlich im Testwagen stets munter vor sich hin. Der Platz im Fond ist nicht als wirklich üppig zu bezeichnen, aber für normal gewachsene Menschen vorne und hinten durchaus brauchbar. Die integrierten Kopfstützen versperren aber den Blick nach vorne.
Zumindest sehen die Mitfahrer dann nicht, wie der Regensensor abgeht. Auch hier führt die Software ein Eigenleben. Lange passiert gar nichts. Wenn man dann noch ans Selberregeln denkt, legen die Scheibenwischer los – aber selbst bei leichtem Nieselregen in höchster Geschwindigkeit und wischen dabei so lange, bis der Gummi lautstark über die Scheibe rubbelt.
Die Straßenlage ist gelungen und auch die Lenkung macht Freude. Im Megane GT leistet sich Renault eine Allradlenkung, zu erkennen an den 4Control-Schildchen an der B-Säule. Bis 60 km/h lenken die Hinterräder entgegengesetzt zur Vorderachse, was die Wendigkeit des Megane in der Stadt erhöht. Darüber – ab 80 km/h im Sport-Modus – schlagen sie die Räder an beiden Achsen in die gleiche Richtung ein. Spurwechsel auf der Autobahn oder schnelle Landstraßenkurven meistert der Renault damit sehr zielsicher und ruhig.
Am Ende des Testzeitraums hat sich vor allem ein Wort vor dem inneren Auge eingebrannt: Schade! Zur ernsthaften Kaufempfehlung hat der Renault Megane GT einfach zu viele dunkle Flecken auf der schönen blauen Weste. Als Wehrmutstropfen helfen da vielleicht die fünf Jahre Garantie, denn der Preis lockt nicht unbedingt. 38.180 Euro kostet der umfangreich ausgestattete Testwagen nach aktueller Preiseliste. Ein VW Golf GTD ist ausstattungsbereinigt zwar 3.000 Euro teurer, mit Euro 6d-TEMP aber zumindest nach aktuellen Maßstäben sauberer.
Lieber Megane, komm´ gerne wieder! Modellgepflegt mit AdBlue-Tank, besseren Sitzen und ohne der bei hohen Geschwindigkeiten wild flatternden Motorhaube. Weil dein R-Link dann Apple CarPlay und Android Auto kann, verspreche ich auch, über den Touchscreen hinwegzusehen. Vielleicht wird es dann ja was mit uns. Denn hübsch bist du ja.
Die technischen Daten und Preise findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Renault Megane ENERGY dCi 165 EDC GT |
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Hubraum | 1.598 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 120 kW / 163 PS bei 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 380 Nm bei 1.750 U/min |
Getriebe | 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 214 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,6 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 7,0 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental SportContact 225/40 R18 |
Leergewicht | 1.505 kg |
Grundpreis | 32.090 Euro |