Deutlich gewachsen und mit ordentlichem Sound: Erste Fahrt im neuen VW Polo.
Streifen haben für viele Menschen eine große Bedeutung. Als Trio sorgen sie auf Sneakers und Sportklamotten für Identifikation und Stolz, als Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel sorgen sie bei vielen für Fernweh. Auch der VW Polo, der jetzt ganz frisch als komplett neu entwickelte sechste Generation zum Händler rollt, möchte mit einem Streifen punkten.
Das neue Dauer-Sondermodell Beats soll eine Zielgruppe ansprechen, die bisher den stets seriösen Kleinwagen nicht auf ihrem Wunschzettel hatte. Sie soll mit einem satt klingenden 300W – Soundsystem von Beats (der zu Apple gehörenden Trendmarke für Kopfhöhrer) und gelungenen Farbakzenten im Innenraum neue Frische in den Polo bringen. Nach außen macht der VW Polo Beats das mit einem roten Dekorstreifen deutlich, der sich über die Motorhaube und das Dach zieht. Die Beklebung muss man nicht mögen und kann sie ja zur Not in einem Schaukampf mit den eigenen Fingernägeln abknibbeln; beim Rest des Autos fällt es – Achtung, Spoiler! – aber ziemlich schwer, den Daumen nicht zu heben.
Zur ersten Ausfahrt steht der neue VW Polo Beats mit dem aktuell stärksten Benziner, einem 95 PS starken 1.0 TSI-Dreizylinder, im modernen White-Silver-Metallic bereit. Die Lackierung passt prima zum modellspezifischen Interieur mit schwarzen Stoffsitzen samt Lederwangen in „Aqua Graphite“. Dieses sehr helle Grau ziert auch den unteren Teil der Instrumententafel und die Türverkleidungen samt dem Griff. Schick sieht das alles aus, im Alltag dürfte sich jedoch schnell Frust über verfärbte Plastikteile und Sitzkanten einstellen.
Den kann dann die Fahrfreude wieder wettmachen. Denn der neue VW Polo macht mit diesem Motor schon gute Laune. Der Dreizylinder ist stets leise, selbst bei höheren Drehzahlen macht das bauartbedingt kernige Geräusch auf seine Bauform aufmerksam, nicht aber ein höherer Lärmpegel als bei einem Vierzylinder.
Die Vordersitze sind bequem und – das freut die Schultern des Autors - ziemlich groß geraten. Was übrigens für das ganze Auto gilt. Auch der VW Polo macht den neuesten Spaß der Kleinwagenklasse mit, die Vier-Meter-Hürde zu reißen. Er ist um acht Zentimeter auf 4,05 Meter gewachsen, die Breite legte um sieben Zentimeter auf 1,95 Meter (inklusive der leider ziemlich kleinen Außenspiegel) zu. Das, aber vor allem der um über neun Zentimeter auf 2,55 Meter gewachsene Radstand sorgen für eine Bewegungsfreiheit im Polo, die mehr der Kompakt- als der bisher bekannten Kleinwagenklasse entspricht. Zusammen mit dem satt klingenden Soundsystem kann man also fast von einer Großraumdisco sprechen.
Statt an den Turntables (liebe Jungleser, so nennt man die Dinger hinter dem DJ-Pult, die da früher mal waren, bevor das Mac Book mit den Soundfiles angeschlossen wurde) dreht man am Lenkrad und freut sich über deren Direktheit und Rückmeldung ebenso wie über die sehr schluckfreudige Federung in Verbindung mit den beim VW Polo Beats serienmäßigen 16-Zoll-Leichtmetallfelgen.
Wer 440 Euro Aufpreis in das Radiosystem Composition Media investiert, der bekommt ein edel aussehendes, hinter einer Glasfläche liegendes 8-Zoll-Touchscreen-Gerät, das neben den Tastenfeldern für die Menüführung weiterhin auf zwei ergonomische Drehregler setzt. Für weitere 565 Euro steckt darin auch ein Navigationssystem, das aber erst per CarStick LTE (abermals Aufpreis, diesmal 150 Euro) online gehen und damit Echtzeit-Verkehrsinformationen abrufen kann. Obwohl das ein wenig gebastelt aussieht, hat VW den USB-Stick wohl von Anfang an fest eingeplant. Denn daneben ist ein zweiter Anschluss zum Laden des Smartphones oder um z.B. das iPhone per Apple Car Play via der Option App Connect (Ihr ahnt es, Aufpreis: 225 Euro) anzuschließen.
Ziemlich viel Text über das Infotainment und die Connectivity, aber wenig über das Fahrerlebnis? Gut erkannt, denn darüber gibt es nichts Dramatisches zu berichten. Einmal mehr beweist VW, dass sie mit der neuen Modellgeneration eines Auto den Maßstab einer Klasse neu definieren. Einmal quer durch Deutschland im neuen Polo – warum eigentlich nicht? Auch das Gepäck für die große Reise findet seinen Raum, denn das Abteil hinter der – auf dem Mittelplatz leider ziemlich dünn gepolsterten und flatterig bespannten – Rücksitzbank ist im Zuge des Modellwechsels von 280 auf 351 gewachsen.
Auf der Autobahn zieht der Dreizylinder-Turbo ansatzlos nach oben heraus, auch bei Reisegeschwindigkeiten von 160 km/h und mehr ist kaum etwas von ihm zu hören. Das 7-Gang-DSG schaltet gedankenlesend mit, das kennen wir.
Nochmals eiliger, fast schon sportlich, wirkt der Polo mit dem ebenfalls gefahrenen 115 PS – TSI. Diese Version, mit baugleichem Motor aber mehr programmierter Leistung, lässt beim Ampelstart ordentliche Sprinterqualitäten erkennen und nährt die Vermutung, dass die ebenfalls später kommenden stärken Polo (1,5 TSI mit 150 PS und GTI mit 200 PS) ordentlich die Mundwinkel in Richtung Ohren schieben werden.
Das im 115 PS – Testwagen verbaute Sportfahrwerk samt optionaler 17-Zoll-Räder macht ein bisschen Freude wieder zunichte, allzu oft trampelt der ansonsten so reif wirkende Polo mit dieser Kombination über Querfugen, Gullideckel und Teerflicken. Diese Optionen kann man sich also sparen. Eine gute Nachricht, denn auch an der Kasse bleibt sich der Polo trotz aller Innovationen treu: ein günstiges Auto wird er nicht mehr.
Das Basismodell Trendline mit 65 PS-Saugbenziner kostet zwar nur 12.975 Euro. Wer den Polo jedoch in einer, seinem vollwertigen Anspruch entsprechenden Motorisierung und Ausstattung nimmt, wird viel mehr los. Der getestete Polo Beats mit 95 PS und DSG kommt mit sämtlichen Sicherheitsassistenten und Entertainment-Optionen – aber ohne das noch nicht bestellbare Active Info Display – auf 26.190 Euro.
Auch beim Preis möchte der VW Polo am liebsten kein Kleinwagen mehr sein. Trotz der Streifenbeklebung.
Technische Daten
VW Polo Beats 1.0 TSI |
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Hubraum | 999 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 3 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 70 kW / 95 PS bei 5.000 - 5.500 U/min |
Max. Drehmoment | 175 Nm bei 2.000 - 3.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplung |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 187 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,7 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 7,0 Liter lt. Bordcomputer |
Leergewicht | 1.180 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.053 / 1.946 / 1.461 mm |
Grundpreis | 20.650 Euro |
Testwagenpreis | 26.190 Euro |