Was kann der Toyota Prius Hybrid außer auffallen?
Ein Manga, die japanische Form des Comics, zeichnet sich oftmals durch eine Detailverliebtheit in Geschichte und Bildsprache aus, die sich über hunderte von Seiten erstreckt. Die traditionell von rechts nach links umgeblättert werden. Dagegen sind europäische Mainstream-Comics kürzer, man könnte sagen flacher.
Was das mit Autos zu tun hat? Stellen wir uns ein „Lustiges Taschenbuch“ vor. Da weiß man, was einen erwartet- so, wie wenn man in einen Golf einsteigt. Und danach geht es zum Toyota Prius. Der schon optisch anders ist, sich von hinten blättern lässt. Bei dem es auch nach 30 Minuten um-das-Auto-Geschleiche noch Neues zu entdecken gibt.
Der Prius fällt auf. In seiner vierten Modellgeneration bei den meisten Mitmenschen negativ. Ich möchte jetzt aber eine Lanze für die moderne Interpretation des Rumpler Tropfenwagens brechen: So und nicht anders muss er aussehen, und dabei gefällt er mir immer besser, je öfter ich ihn ansehe.
Das Gesicht mit den LED-Scheinwerfer-Pupillen, dem vorstehenden Toyota-Logo als Nase und dem grinsenden Kühlergrill scheint Dir entschlossen zuzuspringen, man wähnt sich in einem Anime. Die Fließheckkarosserie gibt sich in ihrem weiteren Verlauf voll und ganz der Aerodynamik hin, opfert dabei auch jeden Ansatz von Kopffreiheit auf der Rücksitzbank (der Versuch, hier einen Kindersitz zu montieren, scheiterte) einem cW-Wert von 0,24.
Im langgezogenen Schwung endet der Aufritt des Prius, nachdem er eine sanft gerundete Karosseriesicke passiert hat, in skulptural geformten Heckleuchten, wie sie sich kein teutonisch-deutscher Autobauer bei einem Serienmodell erlauben würde - weil zu feige.
Auch im Innenraum geht der Prius seinen eigenen Weg. Das zentrale Display ist selbst nach längerer Eingewöhnung nichts für mich. Zu breit ist die Anzeigentafel, das Auge wendet sich bei der Suche nach bestimmten Informationen zu lange von der Straße ab.
Das Cockpit zeigt sich dabei aber erstaunlich hochwertig und vor allem penibel zusammengebaut. Hier versteckt sich auf den zweiten und dritten Blick viel Liebe zum Detail. So zum Beispiel bei der nahtlosen Gestaltung der Armaturentafel sowie bei den Lüftungsdüsen. Jede ist speziell geformt, obwohl vier Gleichteile billiger wären, und trägt einen silbernen Prius-Schriftzug in ihrer Mitte.
Der sieben Zoll große Monitor in der Mittelkonsole ist gut ablesbar, zudem lässt er sich per Tastenfeldern an seinen Rändern und auf dem Touchscreen einfach und zielsicher bedienen. Mit Navigationssystem samt Echtzeit-Verkehrsinformation und kostenlosen Kartenupdates in den ersten drei Jahren ist der Prius in der mittleren Comfort-Version auch schon sehr gut bestückt. Dazu gibt es ein Head-up Display mit Anzeige von Verkehrszeichen, Spurverlassenswarner und ein überraschend satt klingendes Lautsprechersystem.
Das im teureren Prius Executive verbaute JBL-Soundsystem müsste daher für viele Ohren überqualifiziert sein und wer auf eine optionale Lederausstattung verzichten kann, der wird auch mit dem Comfort-Modell glücklich.
Bei dem gibt es den Einparkassistenten nur gegen 950 Euro Aufpreis. Gut so, denn dieses Geld kann man sich getrost sparen. Bei allen Versuchen hat das System zwar brav gelenkt, nur halt nicht in die vorgesehene Parklücke. Die Einparksensoren (gegen 700 Euro Aufpreis für vorne und hinten) und die serienmäßige Rückfahrkamera reichen. Letztere ist mit Recht in jedem Prius ab Werk dabei, die Rundumsicht ist katastrophal, nach hinten versperrt der breite Steg zwischen den beiden Heckscheiben die Sicht.
Genug geguckt und geparkt. Kommen wir zum Fahreindruck. Der beginnt mit einem Druck auf den Startknopf und dann… mit nichts außer der „Ready“-Anzeige. Lautlos rollt der Prius los, nutzt zum Anfangen Strom aus der Batterie. Dann beginnt versteckte Hetik.
Es ist ein ewiges Hin und Her, das der Toyota Prius sogar auf zwei Displays gleichzeitig anzeigen kann. Der 1,8 Liter große Vierzylinder-Benzinmotor gibt sich mit dem Elektromotor für den Vorderachsenantrieb (ein zweiter dient als Generator) einen andauernden Schlagabtausch.
Denn der Prius, der Urvater der elektrifizierten Fortbewegung dieser Tage, ist ein Hybrid ohne „Plug-in“ im Vornamen. Seine Batterie lädt man nicht an der Haushaltssteckdose oder einer Ladesäule auf. Er versorgt seinen Nickel-Metallhybrid-Akku mit 1,31 kWh Kapazität an Bord mit Strom, wenn man vom Gas geht oder bremst.
Ist dieses Konzept im Zeitalter der Plug-in-Hybride und des anrollenden Elektroauto-Tsunamis antiquiert? Finde ich nicht! Da stimmen mir sicherlich unzählige Laternenparker oder Menschen ohne Stromanschluss in der Garage zu. Ermöglicht ihnen das ausgeklügelte und laut Erfahrungsberichten unzähliger Taxifahrer und anderer Langstreckenkönige auch sehr zuverlässige System im Prius doch sparsame Mobilität, die mit der Elektrounterstützung beim Ampelstart sogar Spaß machen kann.
Die Kraft der Elektronen schiebt den Prius vom Start weg an, der Benziner läuft dabei knapp über Leerlaufdrehzahl. Das wirkt zuerst ungewohnt, da sich kein Klangbild linear zur Beschleunigung aufbaut. Wenn man dann vom Prius in einen normalen Benziner oder Diesel umsteigt, merkt man den Unterschied: Wie erst Kraft aufgebaut werden muss, der Turbolader die Abgase sammelt und sich das Drehmoment zusammenrechnet – da ist der Prius schon lange über der Kreuzung.
Überraschend handlich ist er noch dazu. Ich hätte nicht geglaubt, dass Kurvenräubern mit dem Prius so viel Spaß macht, die tiefe Sitzposition, die geringe Seitenneigung und die überraschend zielgenaue Lenkung wecken dynamische Ambitionen – wie sich so ein Prius wohl mit mehr (Elektro-)Kraft anfühlen würde?
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, zu gestehen: Im AUTONOTIZEN-Alltagstest konnte sich der Toyota nicht als Sparwunder in Szene setzen. Durchschnittlich 6,4 Liter Superbenzin sind alle 100 Kilometer durch die Einspritzdüsen zerstäubt worden. Das ist dem Prius aber nur bedingt anzukreiden: In den Tagen der Testfahrten war es bitterkalt, teilweise zeigte das Thermometer zweistellige Minusgrade. Ungünstige Umstände für Motor und Batterie, zudem liefen Sitzheizung und Klimaanlage stets mit. Die Winterräder auf 17-Zoll-Felgen haben auch noch mal einen extra Schluck erbeten. Die Touren führte auch über teils längere Autobahnetappen. Auf denen der Prius anstandslos die Zahl 190 im Head-up Display anzeigt. Bei diesem artfremden Tempo klingt der Motor, von der stufenlosen Automatik schon während der Beschleunigungsphase auf seinen Drehzahlgipfel geworfen, wie ein Laubbläser.
Der Rest des Prius zeigt sich dabei unbeeindruckt. Beim albernen Tempodreschen federt er genauso kommod, lenkt genauso direkt und bettet Dich genauso bequem auf dem ausreichend großen Fahrersitz wie im Stadtverkehr, seinem eigentlichen Revier.
Hier fährt er grundsätzlich elektrisch los, bei vollem Akku und mit ausreichend meditativer Ruhe im rechten Fuß bleibt der Verbrennungsmotor auch nicht nur in der oft zitierten 30er-Zone still. Immerhin 700 elektrische Meter bei Tempo 50 waren drin. Hauptstraße statt „Anlieger frei“ – Zufahrt also. Damit erfüllt der Hybridantrieb weit mehr, als ich ihm zugetraut hätte. Und integriert sich dabei unauffällig in jeden automobilen Alltag.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Prius sich neben der ausgeklügelten Antriebstechnik in manchen Dingen durchaus grobmotorisch gibt: Der Fernlichtassistent unterstützt vor allem die Blendung vorausfahrender oder entgegenkommender Verkehrsteilnehmer, er vergisst oftmals das Abblenden. Bei Regen oder Dunkelheit verzichtet die sonst prima funktionierende Verkehrszeichenanzeige den Dienstanritt. Und für langbeinige Fahrer dürfte sich das Lenkrad gerne noch ein Stückchen weiter herausziehen lassen.
Irgendwie beruhigend, dass sich der exzentrisch gestaltete Prius beim Streben nach Perfektion auch ein paar Schrulligkeiten leistet. Wer sich daran stört, kann ruhigen Gewissens weiterhin die lustigen Geschichten von Micky Maus, Asterix und Co. In bunten Bildchen verschlingen. Wer aber auch mal von rechts nach links blättern will und sich dabei an teilweise komplexeren Inhalten nicht verhebt, für den kann im übertragenen Sinne der Toyota Prius durchaus eine Alternative zum automobilen Einheitsbrei sein. Bald übrigens auch als Plug-in-Hybird für Garagenbesitzer und Sonnenstromsammler.
Eines hat der Toyota Prius übrigens noch mit Manga-Comics gemeinsam: In Deutschland bedienen beide Randgruppen, die die Druckwerke im Fachhandel oder Online kaufen. So wie der Prius im vergangenen Jahr nur knapp 2.400 Mal bei uns an Mann und Frau ging. Anders in Japan: Hier liegen die Comic an jeder Supermarktkasse im Bickfeld des Kunden aus. Und Die Toyota Prius-Baureihe ist im Land der aufgehenden Sonne das meistverkaufte Auto.
Fotomodell: celyontheroad (Instagram: @celyontheroad)
Technische Daten
Toyota Prius Hybrid Comfort |
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Hubraum | 1.798 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 72 / 98 |
Max. Drehmoment | 142 Nm bei 3.600 U/min |
Getriebe | stufenlose Automatik |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 53 |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 163 Nm |
Systemleistung: kW / PS | 90 / 122 |
Batterie | 1,31 kWh Nickel-Metallhybrid |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 3,3 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 6,4 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Alpin 5 215/45 R17 (Winterreifen) |
Leergewicht | 1.450 - 1.475 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.540 / 1.760 / 1.470 mm |
Grundpreis | 29.900 Euro |
Testwagenpreis | 31.740 Eruo |