BAW 212

BAW 212 Warum der China-Jeep mehr als eine Wrangler-Kopie ist

7:26 Min.

Der BAW 212 im ersten Test, auch im Gelände!

Auch im Jahr 2025 gibt es noch waschechte Diesel-Offroader für den Einsatz auf der Straße im Gelände. Die Herausforderung für Kunden. Entweder wird dabei das Budget arg (über-) strapaziert, um Toyota Land Cruiser oder gar eine Mercedes-Benz G-Klasse zu erwerben, oder man fährt mit einem Pick-up durch den Alltag. Die große Ladefläche anstelle eines Kofferraums und Blattfedern an der Hinterachse strapazieren die Nerven der Mitreisenden oft nicht nur auf Langstrecken. Da bleibt also nur der KGM Rexton aus Südkorea? „Nein“, sagen ab Anfang 2026 die rund 220 Händler des auf chinesische Automarken spezialisierten Importeurs Indimo Automotive. Sie bieten den BAW 212 an, der schon jetzt für großes Interesse und Wartelisten sorgt.

Diesel mit 166 PS

Nicht nur auf den ersten Blick erinnern Proportionen, Format und Design des BAW 212 an den Jeep Wrangler. Dennoch liegt man falsch, wenn man den China-Offroader als wilde Kopie abstempelt. Genau genommen stehen wir hier vor dem ersten chinesischen Retro-Auto, dass die eigene Geschichte zitiert. Die begann 1965 mit dem „Beijing Jeep“ BJ212, der Anleihen bei einem russischen UAZ-Geländefahrzeug nahm und für das Militär produziert wurde. 1984 startete der Hersteller in Zusammenarbeit mit der damaligen American Motors Corporation, Vorläufer des heutigen US-Arms von Stellantis und Hersteller von Jeep, die in Peking ansässige Beijing Jeep Corporation.

Das Design und die Modellbezeichnung 212 haben also eine lange Tradition, die der Hersteller BAW (Beijing Automotive Works) jetzt wieder aufleben lässt. Zu uns kommt der rund 4,71 Meter lange Fünftürer auf Leiterrahmen mit einem zwei Liter großen Dieselmotor, der 122 kW / 166 PS leistet. Später soll ein Plug-in Hybrid folgen. Der in anderen Märkten erhältliche Benziner kommt nicht nach Deutschland.

Die Serienausstattung des BAW 212 umfasst das komplette Offroad-Besteck mit zuschaltbarem Allradantrieb, Geländeuntersetzung, Bergabfahrhilfe und Differenzialsperren an beiden Achsen. Sogar ein Suchscheinwerfer auf dem vorderen linken Kotflügel, der über den Spiegel-Verstellknopf im Cockpit bedient werden kann, und eine Seilwinde sind ab Werk an Bord. 4,3 Tonnen kann der 212 mit dem rund acht Meter langen Kabel ziehen. Für das andere Ende der Karosserie ist eine Zubehör-Anhängerkupplung in Vorbereitung. Aktuell plant der Importeur mit einer Anhängelast von 2,5 Tonnen (bis 12% Steigung), eventuell werden es mehr.

Platz und Komfort

An der Heckklappe, die für Stadtmenschen etwas unpraktisch nach rechts öffnet, hängt das Reserverad. Leider fehlt eine Abdeckung des Reifens, nur die Felge ist verblendet. Das Volumen des Kofferraums und der Sitzkomfort im Fond kann mit der neigungsverstellbaren Rücksitzlehne variiert werden, außerdem lässt sie sich geteilt nach vorne klappen.

Elektrisch ausfahrbare Trittbretter und stabile Haltegriffe erleichtern den Einstieg, der hintere Türausschnitt ist aber relativ schmal. Das Platzangebot im Fond ist, auch für große Passagiere, sehr ordentlich. Trotz des Leiterrahmens ist auch die Höhe der Sitzfläche angenehm, man muss die Beine nicht zu stark anwinklen. Mit Haltegriffen, Haken für Jacken, einer zentralen Lüftungsdüse und USB-Anschlüssen bietet der China-Geländewagen neben Platz auch viel Komfort. Das gilt auch für den Familienalltag mit kleinen Kindern, die Isofx-Bügel zur Arretierung von Kindersitzen sind gut erreichbar.
Beide Vordersitze sind elektrisch einstellbar, nur der für den Fahrer jedoch auch in der Höhe. Außerdem profitiert der 212-Lenker auch von einer Sitzmassage in drei auswählbaren Programmen, der Ko-Pilot nicht. Gleichstand herrscht bei der Sitzheizung für beide Plätze in der ersten Reihe.

Das steil aufbauende Cockpit im Wrangler-Stil ist mit dem gleichen, haptisch ansprechenden Kunstledermaterial verkleidet wie die Sitze und Teile der Türverkleidung. Klimafunktionen und sämtliche Offroad-Hilfen sind mit Kippschaltern intuitiv bedienbar. Wer mag, kann diese Funktionen aber auch über den 14,7 Zoll großen Infotainment-Touchscreen erreichen. Eine Integration von Smartphone-Inhalten via Apple CarPlay oder Android Auto gibt es werksseitig nicht, im Testwagen haben wir dafür den Dongle Wizcar T01 verwende, alternativ nutzt man die Bildschirm-Spiegelung über Carbit. Bei der vielfältig einstellbaren Ansicht der 360-Grad-Rundumsicht kann man die Karosserie in einen transparenten Modus setzen – sehr hilfreich beim Rangieren über unbekanntem Untergrund.

Die Testfahrt

Der BAW fährt nicht nur querfeldein, sondern auch auf der Straße sehr ordentlich.

Wir starten unsere Testfahrt auf Asphalt. Für einen Geländewagen mit Leiterrahmen fährt der BAW 212 erstaunlich komfortabel, auch bei Landstraßentempo. Bei Fahrzeugen dieser Bauart reichen minimale Anregungen für ein ständiges Zittern im Aufbau. Das fehlt hier, wenngleich man keinen Luftfeder-Luxus-SUV-Komfort erwarten sollte. Auch die Lenkung gefällt. Obwohl sie für den Offroad-Einsatz nicht zu direkt und zackig abgestimmt sein darf, bietet sie unterwegs ausreichend Rückmeldung und schafft damit Zielgenauigkeit. Die Achtstufen-Automatik schaltet eher gemächlich, trifft aber stets die passende Zahnradpaarung. 8,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht der 212 laut Hersteller, der 80 Liter große Tank reicht theoretisch also für bis zu 940 Kilometer. Nach den Testfahrten meldet der Bordcomputer einen Wert von 10,5 Litern Dieseldurst je 100 Kilometer.

Die Wattiefe des BAW 212 liegt bei 69,5 Zentimetern. Das können wir mangels Wasserdurchfahrt heute nicht ausprobieren, wohl aber die Geländetauglichkeit in einem privaten Waldgebiet. Vor sollte man die Umschaltung auf Allradantrieb nicht vergessen, eine automatische Kraftverteilung zwischen den Achsen bietet das System nicht. Es regnet seit Tagen, also wird das Fahrprogramm für matschigen Untergrund gewählt.

Das Auto bleibt auch im Wald stets unterfordert.

Über nasse Wiesen und durch schlammige Furchen wühlt sich der 212 entspannt und ohne Anstrengung, der Dieselmotor grummelt gemütlich vor sich hin. Die Achsverschränkung erlaubt auch bei wechselnden Neigungen guten Bodenkontakt. Vor allem hier fällt auf, dass man nichts hört. Kein Knistern oder Knarzen, weder von der Karosserie noch aus den Verkleidungen im Innenraum. Am Ende liegt es eher am zaghaften Fahrer (oder auch an den Chao Yang A/T-Reifen?) dass sich der BAW im tiefen Matsch festsetzt. Die Seilwinde könnte helfen. Aber Schuhe und Hosen bleiben heute – im Gegensatz zum Auto – sauber, es geht rückwärts entspannt den Berg wieder runter. Der Tester gibt sich dem Gelände geschlagen, das Auto bleibt unbeindruckt.

Der Preis ist heiß

Beide Vordersitze sind beheizbar, der Fahrer kann sich massieren lassen.

Der BAW 212 wird vom Importeur Indimo Automotive in Europa vertrieben. Bei uns in Deutschland hat das Unternehmen ein Händlernetz mit rund 220 Standorten. 39.995 Euro kostet der Geländewagen aus China, inklusive der beschriebenen Ausstattung. Damit liegt er deutlich unter dem Jeep Wrangler, den es zudem nur noch als Benziner und als Plug-in Hybrid gibt. Der Ami kostet als Unlimited mit vier Türen ab 70.900 Euro in der Basis-Version. Der Toyota Land Cruiser startet bei 79.990 Euro mit 204 Diesel-PS. Den KGM (ehemals SsangYong) Rexton, ebenfalls ein Allrad-Geländewagen mit Leiterrahmen, gibt es aktuell zu Preisen ab 47.490 Euro. Dieser Vergleich zeigt, dass der BAW 212 sich seine Kompetenz nicht teuer bezahlen lässt. Dazu kommt eine Neuwagengarantie für drei Jahre ab Erstzulassung ohne Kilometerbegrenzung.

Fazit

Die Zubehör-Industrie dürfte bald auch in Europa eine breite Auswahl für den BAW 212 anbieten.

Die Erwartungen an den BAW 212 waren hoch – und wurden übererfüllt. Der Geländewagen aus China fährt auf der Straße sehr manierlich, offroad steckt er mit Allradantrieb, Sperren an beiden Achsen und Fahrprogrammen fast alles weg, was die Schwerkraft nicht aushebelt. Für harte Einsätze sollten Importeur und Händler bald Zubehör wie Unterfahrschutz-Metalle und grobstolligere Reifen bereithalten.

Zum günstigen Preis von knapp unter 40.000 Euro fährt der 212 nicht nur mit einer umfangreichen Serienausstattung vor, sondern noch mit drei Jahren Garantie.

Technische Daten
BAW 212 T01

Antriebsart
Diesel
Antrieb
zuschaltbarer Allradantrieb
Hubraum
1.968 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder
4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS
122 kW / 166 PS
Tankinhalt
80 Liter
Höchstgeschwindigkeit
160 km/h
Reifenmarke und –format des Testwagens
265/65 R17
Leergewicht
2.235 kg
Länge / Breite / Höhe
4,705 / 1.895 / 1.936 mm
Grundpreis
39.995 Euro
Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad