Der Leapmotor C10 mit 440 kW (598 PS) und Allradantrieb im ersten Fahrbericht.
Wenn man die in wirtschaftlichen Zusammenhängen oft genannte „China Speed“ greifbar erleben will, empfiehlt sich ein Blick in die Leapmotor-Geschichte. Erst 2015 wurde das Unternehmen gegründet, zwei Jahre später präsentierte man ein zaghaftes Elektro-Coupé. Nur sechs Jahre später gingen die Chinesen für die Expansion in andere Märkte ein Joint-Venture mit Stellantis ein, der Konzern hält mit 51 Prozent der Anteil die knappe Mehrheit der Anteile an Leapmotor International. Im Herbst 2024 begann der Verkauf des Kleinwagens Leapmotor T03 und des Mittelklasse-SUV C10. Meist in etablierten Stellantis-Autohäusern neben Marken wie Opel und Co.
Jetzt auch mit Allrad
Wenige Monate nach dem Verkaufsstart des C10 gesellte sich ein serieller Plug-in Hybrid als Range Extender (REEV, Test folgt in Kürze) zum vollelektrischen Modell. Und jetzt, nur ein Jahr nach der Einführung, kommen zusätzlich Varianten mit 800-Volt-Technologie und mehr Leistung.
Die Speicherkapazität des LFP-Akkus (Lithium-Eisenphosphat) steigt, im Vergleich zum weiterhin angebotene Grundmodell, von 69,9 auf 81,9 kWh. Der Name wird erweitert, zum Leapmotor C10 gesellt sich also der C10 ProMax 800V. Ihn gibt es mit Heckantrieb und 220 kW (299 PS) starker Maschine an der Hinterachse, außerdem als Allradmodell. Hier arbeitet ein zweiter Elektromotor mit gleichem Output vorne, die kombinierte Leistung steigt also auf 440 kW (598 PS), das Drehmoment auf 720 Newtonmeter.
Die 800-Volt-Technologie sorgt, das ist mittlerweile gemeinhin bekannt, für schnelleres Laden. Das gilt auch für das chinesische SUV, wenngleich Rekordleistungen beim Laden des Akkus nur im Vergleich zum C10 Pro auszumachen sind. Der nuckelt am Schnell(!)-Lader mit maximal 84 kW. Die Versionen mit größerer Batterie schaffen, laut Hersteller, bis zu 180 kW. Eine deutliche Steigerung also. Mitbewerber schaffen diesen Wert aber auch schon länger, viele 800V-Systeme liegen weit über der 200er-Marke (von Smart #5 und den Updates bei Xpeng ganz zu schweigen). In 22 Minuten soll der Akku des Leapmotor C10 von 30 auf 80 Prozent geladen werden können, an der heimischen Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule wird Strom über drei Phasen mit 11 kW gesaugt.
Das umfangreiche Technik-Update ist optisch nicht auszumachen. Der 4,74 Meter lange C10 gefällt mit einem unaufgeregten Design ohne effekthaschende Sicken oder einen pseudo-bösen Blick. Schmale Lichtleisten an beiden Enden der Karosserie und eine leicht eingezogene Flanke zeigen Charakter, viele Passanten dürften das SUV aber schlicht „übersehen“. Oftmals ein Zeichen für eine Linienführung, die über einen langen Zeitraum wirkt. Oder nicht? Das wird die Zeit zeigen.
Die Türgriffe sind bündig in die Karosserie eingelassen, weshalb sie ergonomisch nicht optimal ausklappen. Hinter den vier großen Pforten freut man sich über einen gut verarbeiteten Innenraum mit harmonisch aufeinander abgestimmten Materialen, Dekoren ohne (!) Hochglanz-Kunststoff und einem üppigen Raumangebot. Vor allem der Knieraum im Fond ist gigantisch. Im Gegensatz zu vielen anderen Elektro-SUV muss man als großer Mitfahrer in der zweiten Reihe die Beine nicht zu stark anwinkeln, die Sitzfläche ist angenehm hoch über dem Innenboden platziert.
In beiden Reihen sind die Möbel weich gepolstert. Damit bieten die Sitzflächen guten Komfort, ohne zu flauschig zu wirken. Seitenhalt besorgt man sich leider nur über die rechte breite Mittelkonsole, an der das Fahrerknie ständig reibt.
Außer zwei Walzen im Lenkrad gibt es keinerlei physische Bedienelemente im Cockpit. Alle wird über den 14,6 Zoll großen Touchscreen gesteuert, bis hin zur Verstellung der Außenspiegel und das Fahrlicht. Wer fleißig klickt, der kann sich auch über Sitzheizung und-lüftung freuen, die in der Ausstattungslinie Design (Serie beim C10 ProMax) serienmäßig sind. Das berührungsempfindliche Display reagiert meist, aber eben leider nicht immer schnell auf Befehle mit der Fingerkuppe. Das kann vor allem bei der Zieleingabe für das werksseitig eingebaute Navigationssystem nerven. Bei weit entfernten Zielen wird darauf hingewiesen, dass der Füllstand des Akkus nicht ausreicht – den Befehl zur Suche und Integration von Ladepunkten muss man dann aber erneut geben.
Der Fahreindruck
Wir fahren den Allrad-C10 in der Schweiz erstmals zur Probe. Das volle Potenzial mit einer Beschleunigung von 4,0 Sekunden auf 100 km/h und die 190 km/h Höchstgeschwindigkeit können wir hier nicht ausprobieren, wenn wir nicht in den kommenden Monaten das Thema Autos nur theoretisch abbilden wollen. Es reicht aber schon der kurze Beschleunigungs-Stint aus der Ortschaft auf die Landstraße, um das Wesen des Autos kennenzulernen. Im Sport-Modus zieht der 440-kW-Chinese eilig voran, ohne aber mit einem Tritt in den Rücken zu nerven. Im Normal-Modus und vor allem im Eco-Programm wird die Längsdynamik spürbar reduziert. Extrem nervig: Das One-Pedal-Programm lässt sich nur im Eco-Modus nutzen und auch nur dann aktivieren, wenn man vorher bis zum Stillstand abgebremst hat und die Parkbremse aktiviert wurde. Ein Wechsel in diese Funktion, selbstredend wieder in einem Untermenü versteckt, gelingt also nicht während der Fahrt.
Die Lenkung ist recht weich ausgelegt und wirkt vor allem um die Mittellage eher taub. Das passt zum entspannten Familien-Cruiser, aber nicht zum SUV mit sportlichen Ambitionen. Mal sehen, ob Tuner Irmscher für die Sonderserie Leaptmotor i C10 hier an die Abstimmung herandurfte (oder konnte).
Bei einem WLTP-Normverbrauch von 20,9 kWh/100 km soll der Allrad-C10 eine Reichweite von 437 Kilometern schaffen. Der Testtag lässt keine Zeit zum Leerfahren der Batterie, erlaubt aber nach vielen Kilometern einen Blick auf die Bordcomputer-Anzeige hinter dem Lenkrad. 23,8 kWh/100 km werden gemeldet. Abgeglichen mit der Reichweitenanzeige und dem Füllstand des Akkus dürfte man (Rekuperationsphasen mit eingerechnet) rund 350 Kilometer weit kommen und im Zweifel kurz vorher das Ladekabel anstecken.
Auch mit 800V noch günstig
Das technische Upgrade für den Leapmotor C10 kam nicht nur schnell, sondern auch zum verhältnismäßig günstigen Preis. Der Hecktriebler mit 220 kW startet als C10 Design bei 41.900 Euro, er liegt damit lediglich 2.000 Euro über dem 400V-Modell mit 160 kW Motorleistung für 39.100 Euro. Die Basis-Ausstattung für 37.600 Euro gibt es nur mit dem schwächeren Antrieb und dem kleineren Akku.
3.000 Euro kostet der zweite Motor vorne, das Allradmodell insgesamt also 44.900 Euro. Optionen gibt es keine, lediglich andere Lacke als das ansprechende Dunkelgrün schlagen 800 Euro auf. Die Serienausstattung umfasst neben der Zweizonen-Klimaautomatik und dem Panoramadach auch eine elektrische Heckklappe und eine brauchbar funktionierende Fahrassistenz mit Spurführungsfunktion. Unverständlich: Der Stellantis-Konzern hielt es nicht für nötig, eine Smartphone-Integration über Apple CarPlay oder Android Auto in die Leapmotor-Modelle für den Export zu installieren. Wer mehr als eine Bluetooth-Verbindung möchte, der muss den Umweg über eine App oder besser über einen Dongle im Auto gehen.
Fazit
Der Leapmotor C10 bekommt nur rund ein Jahr nach dem Europa-Start ein Upgrade mit 800V-Technik für schnelleres Laden, mehr Leistung und Allradantrieb. 440 kW (598 PS) sind üppig, machen aus dem geräumigen SUV aber keinen Sportwagen. Gut so, sonst würden die rückmeldungsarme Lenkung und der fehlende Seitenhalt der Vordersitze stärker auffallen.
Der C10 empfiehlt sich, auch in dieser Antriebs-Konfiguration, viel mehr als Familienauto mit guter Ausstattung, der aber eine anständige Smartphone-Integration fehlt. Das können die meisten chinesischen Mitbewerber mittlerweile besser.
Technische Daten
Leapmotor C10 ProMax AWD
- Antriebsart
- Elektro
- Antrieb
- Allradantrieb
- Getriebe
- Eingang-Reduktionsgetriebe
- Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW
- 220 kW (299 PS)
- Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment
- 360 Nm
- Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW
- 220 kW (299 PS)
- Elektromotor hinten: Maximales Drehmoment
- 360 Nm
- Systemleistung: kW / PS
- 440 kW (598 PS), 720 Nm
- Batterie
- 81,9 kWh
- Batterie: Typ
- LFP (Lithium-Eisenphosphat)
- Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC)
- 180 kW
- Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC)
- 11 kW (dreiphasig)
- Beschleunigung 0-100 km/h
- 4,0 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit
- 190 km/h
- Norm-Verbrauch kWh / 100 km
- 20,9 kWh
- Reichweite nach Norm
- 437 Kilometer
- Kofferraumvolumen
- 435 - 1.410 Liter
- Leergewicht
- 2.264 kg
- Anhängelast (gebremst)
- 1.500 kg
- Stützlast
- 60 kg
- Länge / Breite / Höhe
- 4.739 / 1.900 / 1.680 mm
- Basispreis Baureihe
- 37.600 Euro
- Basispreis Modellvariante
- 44.900 Euro
- Testwagenpreis
- 45.700 Euro