Konkurrenz für Dacia Spring und Co.: Der Leapmotor T03 im Test mit Video-Review.
Mach dir deinen Feind zum Freund: Ein Ratschlag, den mit Stellantis und Leapmotor zwei Automobilhersteller befolgt haben. Der eine ist ein internationaler Riese mit offiziellem Hauptsitz im niederländischen Amsterdam, der andere ein, erst 2015 gegründetes, chinesisches Unternehmen.
Bei der Expansion in Märkte außerhalb Chinas wollte Leapmotor die Fehler einiger Mitbewerber wohl nicht wiederholen. Man entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg: Gemeinsam mit Stellantis wurde das Joint Venture Leapmotor Internationel gegründet, an dem die Chinesen mit 49 den etwas kleineren Anteil halten. Gemeinsam werden Elektroautos für Europa adaptiert und weiterentwickelt.
Der T03 im Video
Um Vertrieb und Service kümmern sich Autohäuser innerhalb des Stellantis-Netzes, die sich neben Citroën, Peugeot, Fiat, Opel und Co. also noch eine weitere Marke dazuholen. Der Vorteil für Kunden: Man hat ein gewohntes Umfeld beim Kauf und Ansprechpartner für Wartungen und Service. Ob sich, im Gegensatz zu einigen China-Marken, auch die Ersatzteil-Situation unproblematisch gestalten wird, muss die Zeit zeigen.
Zum Start von Leapmotor in Europa gibt es zwei Modelle: Den C10, ein Mittelklasse-SUV mit Elektroantrieb zu Preisen ab 36.400 Euro, und den Kleinstwagen T03. Er ist gar kein Vollblut-Chinese. Im Rahmen einer CKD-Fertigung („Completely Knocked Down“, also in Einzelteilen) wird der Leapmotor T03 im polnischen Tychy gefertigt. Das Werk spuckt außerdem Modelle wie den Fiat 600, Jeep Renegade und Alfa Romeo Junior aus. EU-Strafzöllen für Elektroautos sieht der T03 also entspannt entgegen, da er – im Gegensatz zum Mitbewerber Dacia Spring – nicht aus China kommt.
Vorne üppig, hinten knapp
Mit einer Länge von 3,62 Metern und einer Breite von 1,65 Metern passt der 1,58 Meter hohe Fünftürer gut in den Stadtverkehr, in kleine Parklücken und entspannt in fast jede Garage. Wenig überraschend: Bei derart kompakten Abmessungen bleibt nicht allzu viel Platz für Gepäck (Kofferraum 210 Liter, nach dem Umklappen der einteiligen Rücksitzlehne 880 Liter) und Fond-Passagiere.
Fahrer und Beifahrer nehmen auf großzügig dimensionierten Sitzen Platz, bei denen auch die integrierten Kopfstützen hoch genug sind. Hinten und vorn gefällt die gute Polsterung unter dem grauen Stoffbezug. Er zieht sich auch in die Verkleidungen der vorderen Türen, hinten genügen Kunststoffe in unterschiedlichen Maserungen.
Alles wirkt gut verarbeitet, die Materialien fühlen sich angenehm an. Das gilt auch für das Cockpit des T03, bei dem einzig die hochglänzend-schwarze Leiste zwischen den Lüftungsdüsen wenig alltagstauglich ist. Das 10,1 Zoll große Infotainment-Display liegt recht tief im Cockpit, um die Übersicht nicht zu stören.
Navigation an Bord
Ein Navigationssystem mit Online-Anbindung ist serienmäßig an Bord. Auch längere Routen werden fix berechnet, eine Ladeplanung fehlt jedoch. Zwar teilt das System mit, dass der Akku-Füllstand je nach Strecke nicht zum Erreichen des Ziels ausreicht, die Fahrt zur Ladesäule und die Standzeiten werden jedoch nicht einkalkuliert. Sämtliche Einstellungen bis hin zum Licht mit den Halogen-Hauptscheinwerfern werden über den Touchscreen gesteuert. Musik vom Smartphone wird per Bluetooth-Verbindung übertragen. Apple CarPlay oder Android Auto gibt es nicht.
Ein weiteres Display mit acht Zoll Bildschirmdiagonale steckt hinter dem Multifunktionslenkrad. Hier werden dem Fahrer Informationen zum Füllstand des Akkus und der Reichweite, dem aktuellen Tempo und der Fahrassistenz serviert. Bei aktivierter Routenführung werden auch Pfeil-Hinweise einblendet. Das wirkt alles ziemlich erwachen für so ein kleines Auto.
Damit geht sogar Autobahn
Unter der hohen Haube steckt ein Elektromotor, der mit bis zu 70 kW (95 PS) und 158 Newtonmetern Drehmoment die Vorderräder antreibt. In 12,7 Sekunden geht es aus dem Stand auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 130 km/h angegeben. Im Alltags-Test wirkt der Leapmotor T03 damit selten untermotorisiert. Er macht genau das, was ein Kleinwagen tun soll. Und noch mehr: Überraschend komfortabel schluckt die Federung auch gröbere Unebenheiten, zudem hält sich die Karosserie trotz des kurzen Radstands von 2,40 Metern bei Wellen beeindruckend ruhig. Sogar Ausflüge auf die Autobahn lassen keine Schweißperlen auf der Stirn des Fahrers erscheinen. Bis zur Höchstgeschwindigkeit (laut digitaler Tachoanzeige sogar 138 km/h) beschleunigt der T03 zwar gemächlich, aber linear. Der Geradeauslauf ist in Ordnung, man fühlt sich nicht unsicher. Die Lenkung lässt sich in drei Stufen einstellen, was mehr eine Software-Spielerei als eine Bereicherung beim Fahren ist.
Auch drei Fahrmodi stehen zur Wahl, konfigurierbar über den Infotainment-Monitor. Zu empfehlen ist der Eco-Modus. In ihm wirkt der T03 kaum gehemmter als im Normal-Modus. Die verstärkte Energie-Rekuperation im Eco-Programm erlaubt aber, bei längerem Anhalteweg, das Ein-Pedal-Fahren mit Anhaltevorgängen ohne Betätigung der Bremse. Trotzdem wirkt die Rekuperation unterwegs nicht zu übergriffig. In vielen Stellantis-Hybriden und Elektroautos fummelt man da stets herum, hier im Joint-Venture-Produkt gäbe es ein Lehrstück.
Andere Systeme ist dafür viel zu vorlaut. Tempolimit-Erkennung, Bereitschaft diverser Assistenz-Systeme, Fahrer-Aufmerksamkeit und was-weiß-ich-noch: Ständig bimmelt und pingt es im Cockpit. Eine Taste zum Stummschalten fehlt leider. An der Abstimmung der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage gibt es dagegen nichts auszusetzen. Das System arbeitet zuverlässig und bestimmt, aber ohne Hektik (siehe Video). Leider lässt sich der Spurhalteassistent erst dann zum Alarm überreden, wenn man die Begrenzungslinie des Fahrstreifens erreicht hat.
Laden, Akku, Reichweite
37,3 kWh Strom fasst der LFP-Akku (Lithium-Eisenphosphat) im Fahrzeugboden. Nach WLTP-Norm, der ein Stromverbrauch von nicht gerade wenigen 16,3 kWh je 100 Kilometer zugrunde liegt, soll der T03 damit bis zu 265 Kilometer kommen, im reinen Stadtverkehr bis zu 395 Kilometer.
Unser Alltagstest findet im typischen Dezember-Wetter Temperaturen zwischen zwei und sieben Grad über null statt, bei trockenem Wetter. Als Abbild eines typischen Pendler-Alltags wird der Testwagen im Stadtverkehr und über Landstraßen bewegt, dabei stets entspannt gefahren. Der Verbrauch pendelt sich bei knapp 19 Kilowattstunden je 100 Kilometer ein. Die real ermittelte (und erfahrene) Reichweite: 202 Kilometer, ohne Autobahn-Fahrten.
Der Ladestecker sitzt zentral in der Frontmaske. Damit ist er in einer für viele Situationen guten Position, sei es am Straßenrand, unter dem Carport oder am Schnelllader. Wer die Wallbox in der heimischen Garage neben dem Tor montiert hat, fährt eben rückwärts hinein. Wechselstrom fließt einphasig mit 6,6 kW. In Deutschland ist bei 4,6 kW Ladeleistung das Limit erreicht, höher darf hierzulande eine Phase nicht belastet werden. Über Nacht ist ein fast leerer Akku an der Wallbox aber wieder vollgestopft mit Elektronen.
Für eine Überraschung sorgt der Leapmotor T03 am Schnelllader: 45 kW Ladeleistung sollen über den CCS-Anschluss erreicht, der Akku in 36 Minuten von 30 auf 80 Prozent seiner Speicherkapazität gefüllt werden können.
Wenn man mit rund 30 Prozent Ladestand ansteckt, klettert die Anzeige an der Ladesäule erstmal nicht über 23, mal 25 kW. Bei knapp halbvollem Akku verharrt bei Werten knapp über 30 kW. Weil man als aufmerksamer Mobilist gelernt hat, dass die Ladeleistung ab 80 Prozent nachlässt, ist man versucht, das Auto abzustecken. Aber dann: Bei eben jenen 80 Prozent geht es (wiederholt) auf knapp über 40 kW und damit bis fast an die Herstellerangabe. Erst bei 88 bis 90 Prozent fällt die Leistung wieder in Richtung 25 kW. Nach 33 Minuten und damit drei Minuten schneller als angegeben sind die 80 Prozent erreicht – trotz kühlem Wetter.
Preis: Günstiger als Dacia
Der Leapmotor T03 wird in Deutschland für 18.900 Euro verkauft. Damit ist er nicht das günstigste Elektroauto, diese Ehre gebührt dem Dacia Spring – zumindest auf den ersten Blick.
Für 16.900 Euro gibt es den Dacia mit 33 kW (45 PS) in der Basisausstattung. Als Expression mit 48 kW (65 PS) kostet er 18.900 Euro und damit exakt so viel (oder wenig) die der T03. Der bringt aber eine umfangreichere Serienausstattung mit, die neben dem Panorama-Glasdach mit Sonnenrollo, Klimaanlage, 15-Zoll-Leichtmetallfelgen und Rückfahrkamera auch das Infotainment-Display mit Navigationssystem umfasst. Ein Media-Display gibt es beim Dacia Spring als Teil eines Optionspakets. Mit ihm steigt sein Preis auf 19.700 Euro.
Etwas größer und geräumiger als der T03, aber deutlich teurer, sind der Citroën ëC3 ab 23.300 Euro und der Hyundai Inster ab 23.900 Euro. Alle zeigen: Es kommt Bewegung in die Klasse der günstigeren Elektroautos.
Die einzige Option beim Leapmotor T03 ist eine optionale Lackierung in hellblau (wie am Testwagen) oder in Silber für 700 Euro. Weiß ist gratis. Die Neuwagengarantie gilt für drei Jahre bis zu einer Laufleistung von 100.000 Kilometern. Auf den LFP-Akku gibt es die branchenübliche Garantie von acht Jahren bis 160.000 Kilometer.
Fazit
Ein günstiger Elektro-Kleinwagen von einer jungen chinesischen Marke – da erwartet man anfangs nicht viel. Der Leapmotor T03, der in einem Werk von Partner Stellantis in Polen endmontiert wird, sorgt dann für eine große Überraschung im kompakten Format. Verarbeitung, Materialauswahl und Fahrkomfort genügen auch hohen Ansprüchen. Der Stromverbrauch liegt mit rund 19 kWh/100 km im Test nicht gerade niedrig, sorgt so für gut 200 Kilometer Reichweite. Beim Laden überrascht die zum Ende hin ansteigende Ladekurve.
Zum Preis von 18.900 Euro bekommt man den Leapmotor T03 mit einer kompletten Ausstattung bis hin zum Panorama-Glasdach, der angesichts der durchschnittlichen Lüftungs-Leistung eigentlich nur eine Sitzheizung fehlt. Gratis dabei ist immer ein Bimmel-Konzert. Der Dacia Spring mit 48 kW starkem Elektroantrieb ist nicht günstiger als der T03.
Als überzeugendes Gesamtpaket zum relativ schmalen Preis dürfte der Kleinwagen von Leapmotor nicht nur Flottenkunden wie Pflege- und Lieferdienste ansprechen, sondern auch private Käufer, die einen elektrischen Zweitwagen suchen oder als Wenigfahrer mit dem T03 auch als Hauptfahrzeug im Haushalt prima auskommen.
Technische Daten
Leapmotor T03 |
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Antriebsart | Elektro |
Antrieb | Frontantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 70 kW (95 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 38 kW (52 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 158 Nm |
Batterie | 37,3 kWh |
Batterie: Typ | LFP (Lithium-Eisenphosphat) |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 45 kW |
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test | bis 40,8 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 6,6 kW |
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test | 4,6 kW |
Beschleuningung 0-100 km/h | 12,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 130 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 16,3 kWh |
Reichweite nach Norm | 265 Kilometer |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 19,0 kWh |
Reichweite im Alltag | 202 Kilometer |
Kofferraumvolumen | 210 - 880 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Bridgestone Blizzak 165/65 R15 |
Leergewicht | 1.175 kg |
Länge / Breite / Höhe | 3.620 / 1.652 / 1.577 mm |
Grundpreis | 18.900 Euro |
Testwagenpreis | 19.600 Euro |