Der neue Dacia Bigster Hybrid 155 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Spätestens jetzt ist die Marke Dacia im automobilen Mainstream angekommen. Menschen, die auch bei den aktuellen Modellen wie Sandero, Jogger und vor allem beim neuen Duster noch immer nur den Billigheimer aus Rumänien sehen, dürften beim Bigster große Augen machen. Die Rechtfertigung „Ja, ist ein Dacia, aber der ist günstig und trotzdem gut“ kann man sich sparen. Beispielsweise dann, wenn man mit dem Bigster beim Elternabend auf dem Schulparkplatz vorfährt, beim Sportverein oder einfach in der Anwohnerstraße.
Der Octavia-Effekt
Mit dem neuen Kompakt-SUV strebt Dacia ins hart umkämpfte C-Segment, tritt damit gegen Modelle wie VW Tiguan, Hyundai Tucson und Kia Sportage an. Nicht nur als günstigere Alternative, sondern mit stolz geschwellter Brust. Das erinnert an den Auftritt des ersten Skoda Octavia der Neuzeit im Jahr 1996, der die einstige Ost-Billig-Marke über Nacht fest etablierte und sogar begehrlich machte.
Um das zu erreichen, muss es heutzutage ein SUV sein (wenngleich Dacia auch ein neues Kompaktmodell als geistigen Nachfolger des Renault Megane mit Verbrenner plant). Mit dem Duster ist die Marke seit vielen Jahren sehr erfolgreich unterwegs, der Bigster soll die Geschichte eine Klasse weiter oben wiederholen. Da kann ein schicker Auftritt nicht schaden. Dafür streckt sich der Neuling im Vergleich zum Duster um 23 Zentimeter auf eine Länge von 4,57 Meter – damit ist er einen Zentimeter länger als der VW Tiguan.
Der Bigster im Video
Front-Design und Vorderwagen bis zu B-Säule entsprechen weitestgehend dem kleineren Bruder. Dahinter stellt der Bigster die Achsen weiter auseinander, zudem wächst der Überhang am Heck. Das kommt vor allem dem Kofferraum zugute. 667 Liter fasst er beim Benziner, beim Bigster Hybrid 155 stehen 546 Liter Volumen zur Verfügung. Erstmals bei Dacia schwingt die Heckklappe elektrisch nach oben und wieder zu. Nach dem Umklappen der dreigeteilten Rücksitzlehne über Hebel in der Kofferraumverkleidung wächst der Laderaum auf 1.851 Liter. Eine ebene Ladefläche entsteht aber nicht. Dass auch dieser Dacia mit spitzem Bleistift kalkuliert wurde, zeigen Details wie ein einfacher Filz-Laderaumboden und offen gezeigtes Blech mit herausragenden Schrauben darunter.
Der gestreckte Radstand sorgt für ein üppiges Platzangebot im Fond. Auch große Menschen genießen Luft vor den Knien und über dem Kopf. Große Fensterflächen lassen Licht ins Auto und sorgen für einen guten Ausblick. Erstmals kann man beides bei Dacia mit der Bestellung eines optionalen Panorama-Glasschiebedachs (mit Öffnungsfunktion, heutzutage erwähnenswert!) weiter verbessern. Die Sitzbezüge im getesteten Topmodell Bigster Journey kombinieren hellgrauen Stoff mit „Micro Cloud“ genanntem Mikrofasermaterial, das pflegeleicht wirkt. Im Familienalltag mit kleinen Kindern, deren Sitze an hinter Reisverschlüssen platzierten Isofix-Bügeln befestigt werden, eine Wohltat.
Markentypisch bleiben die einteiligen Türinnenverkleidungen im Fond aus schwarzem Hartplastik, die manchen Kunden vielleicht zu einfach aussehen. In den Vordertüren wird die Kunststofffläche mit farbig abgesetzten Leisten aufgelockert. Die Dekore zitieren, wie viele Details am und im Auto bis zu den Lüftungsdüsen, die Y-Grafik der Hauptscheinwerfer.
Ein weiteres Novum bei der Marke Dacia ist ein teilelektrisch einstellbarer Fahrersitz. Das entspricht den Kundenerwartungen in der Kompaktklasse wohl mehr als den Wünschen der Entwickler, denn die Verstellung wurde nur halbherzig umgesetzt. Die Neigung der Lehne und die Sitzhöhe lassen sich motorgetrieben justieren, die Längsverstellung erfolgt weiterhin manuell. Wie bei den anderen Baureihen bietet auch der Fahrersitz im Bigster zu wenig Oberschenkelauflage für große Menschen.
Hinter dem Multifunktionslenkrad versammeln sich die Instrumente in den Ausstattungslinien Extreme und Journey auf einem zehn Zoll großen Display (Essential und Expression mit 7-Zoll-Anzeige). Je nach Wunsch kann man hier über die entsprechende Taste am Lenkrad Angaben des Bordcomputers, Navigationshinweise und Anzeigen der Fahrassistenz aufrufen. In Verbindung mit dem Hybrid 155, dem aktuell einzigen Bigster mit Automatik-Getriebe, umfasst die Liste der Fahrhilfen erstmals auch eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage. In Verbindung mit dem aufpreispflichtigen „City-Paket“ ist neben einer Rundumsicht-Kamera auch ein Totwinkel-Assistent an Bord.
Das werksseitig eingebaute Navigationssystem, in den Linien Extreme und Journey serienmäßig, nutzt Karten des Dienstleisters Here. Wie schon im Jogger benötigt der Routenführer beim Hochfahren des Systems teils arg lang. Schneller kann man ein Ziel in der Routenführungs-App des eigenen Smartphones eingeben. Apple CarPlay und Android Auto lassen sich, auch in den Basisversionen, ohne Kabelverbindung nutzen. Die Ablagefläche mit induktiver Lademöglichkeit gibt es nur bei Extreme und Journey – sie lädt zumindest ein iPhone während unserer Testfahren aber nur sehr langsam auf.
Testfahrt mit dem Hybrid

Der Dacia Bigster Hybrid 155 wird, so der Plan des Herstellers, den größten Verkaufsanteil haben. Zum Marktstart gibt es den Bigster auch mild hybridisiert als TCe 140 mit neuem Dreizylinder-Benziner und 140 PS sowie als TCe 130 (130 PS) mit Allradantrieb. Beide fahren mit manuellem Sechsgang-Schaltgetriebe vor. Die angekündigte Eco-G-Version mit zusätzlichen Autogas-Tanks und dem 140 PS starken Motor folgt später – gut möglich, dass aus ihr der angekündigte Automatik-Hybrid mit Allradantrieb gestrickt wird.
Für unsere erste Ausfahrt steht der Bigster Hybrid 155 bereit. Er hat einen weiterentwickelten Vollhybrid-Antrieb (ohne externe Ladefunktion) an Bord. Der Benzinmotor ist neu. 1,8 Liter Hubraum hat der Vierzylinder-Sauger, der auf eine Leistung von 80 kW / 109 PS kommt. Er arbeitet im Team mit einem 36 kW (49 PS) starken Elektromotor, dazu kommt ein Startergenerator. Er orchestriert das Zusammenspiel der beiden Motoren mit dem Multi-Mode-Getriebe, das insgesamt 15 Übersetzungen bereithält.
50 Liter Tank und 1,2-kWh-Akku sind voll, die Anzeige im Kombiinstrument zeigt eine Reichweite von 1.000 Kilometern an. Wir stromern los. Erst nach rund 500 Metern meldet sich erstmals der Benziner zu Wort. Nicht nur der neue Hybridantrieb, sondern auch die verbesserte Geräuschdämmung mit dickeren Seitenscheiben tragen Früchte. Im Vergleich zum Duster Hybrid 140 arbeitet der Antrieb im Bigster deutlich leiser. Leichte Ruckler beim Wechsel, auch ausgelöst vom Multi-Mode-Getriebe, kann sich aber auch der Bigster Hybrid nicht verkneifen.
Im Stadtverkehr schaltet sich der Verbrennungsmotor öfter auch für längere Strecken aus. Bei Landstraßentempo läuft er meist hörbar, kann wird es im Innenraum des Bigster auch teils brummig. Man muss also nicht erst die Energieflussanzeige ins Auge nehmen, um zu checken, in welchem Modus der Hybrid gerade arbeitet. Immerhin erfüllt der elektrifizierte Antrieb sein Effizienz-Versprechen. 5,1 Liter je 100 Kilometer verbrauchten wir am Test-Tag laut Bordcomputer, nur knapp mehr als der WLTP-Wert von 4,7 Litern verspricht. Genaue Angaben zum realen Verbrauch und der Reichweite kann nur ein späterer Alltagstest liefern.
Das Fahrwerk des Dacia Bigster hat eine straffe Grundnote. Die optionalen 19-Zoll-Leichtmetallräder des Testwagens (ein Extra für die Version Joruney, 18-Zöller sind Serie) unterstreichen das. Bei langsamer Fahrt stolpert das SUV manchmal über Querfugen und Wurzelaufbrüche, ab 50 km/h und vor allem auf der Landstraße wird es besser. Aber auch dann liefern Feder und Dämpfer gerne Informationen über die Straßenbeschaffenheit in den Innenraum.
Preise und Ausstattung

Auch im Kompakt-SUV-Segment tritt Dacia als Preisbrecher auf. Trotz der neuen Komfort-Details wie der elektrischen Heckklappe, der Fahrersitzverstellung und dem Panorama-Glasdach verlässt die Marke (noch?) nicht ihre Budget-Nische.
Ab günstigen 23.990 Euro ist der Bigster in der Ausstattungslinie Essential als TCe 140 zu haben. Dann sind bereits Einparksensoren am Heck und Rückfahrkamera, Multimedia-System mit 10-Zoll-Display und Smartphone-Integration und 17-Zoll-Leichtmetallfelgen an Bord. Auch die Verkehrszeichenerkennung mit Warnfunktion ist serienmäßig. Sehr praktisch: Auch im Bigster lassen sich die Dauertöne wegkonfigurieren und die Auswahl per doppeltem Tastendruck links vom Lenkrad nach Fahrtantritt bestätigen.
Unser Testwagen markiert das andere Ende der Preisliste. Der Dacia Bigster Journey hat die elektrische Heckklappe ab Werk dabei, erlaubt den schlüssellosen Zugang, ließ seine 18-Zoll-Felgen glanzdrehen und bringt das erwähnte Navi mit. In Verbindung mit dem Hybrid 155 – Antrieb kostet er 30.440 Euro. Unser Testwagen zeigt zusätzliche Extras in Form der Metalliclackierung in Dolomit-Grau (700 Euro) mit Dach in schwarzem Kontrast (150 Euro), 19-Zoll-Felgen (400 Euro), City-Paket mit Totwinkelwarner, Einparksensoren vorne und Kamera-Rundumsicht (600 Euro) sowie dem Winter-Plus-Paket inklusive Heizung für Vordersitze, Lenkradkranz und Windschutzscheibe (540 Euro). Dabei setzt Dacia auf eine einfachere Lösung mit sichtbaren Heizdrähten anstelle einer Folie in der Verglasung.
Der Listenpreis des hier auf den Fotos und im Video gezeigten Bigster klettert somit auf 32.830 Euro. Viel Geld für einen Dacia – aber ein Schnäppchen im Vergleich zu den Kompakt-SUV anderer Hersteller. Die liegen mit vergleichbarer Ausstattung oft bei über 40.000 Euro, dazu punktet der Bigster mit dem großen Kofferraum.
Fazit

Der Verbrenner des Dacia Bigster Hybrid 155 arbeitet oft recht brummig, die Federung ist, zumindest in Verbindung mit den optionalen 19-Zoll-Felgen, straff. Nichts, was eine Modellpflege nicht beheben könnte. Und nichts, was dem Erfolg des größten Dacia aller Zeiten im Weg stehen wird. Mit seinen günstigen Preisen schont der Bigster das Familienbudget, liefert dabei auch noch einen guten Auftritt.
Als Zugfahrzeug eignet sich der Hybrid 155 mit 1.000 Kilogramm Anhängelast aber nur bedingt. Tipp für Inhaber von (kleineren) Wohnwagen: TCe 140 und TCe 130 4x4 dürften 1,5 Tonnen an den Haken nehmen, verlangen aber nach Handarbeit am Schalthebel. Nicht nur auf der Fahrt in den Urlaub, sondern auch auf dem Weg zum Elternabend.
Technische Daten
Dacia Bigster Hybrid 155 Journey
- Antriebsart
- Hybrid-Benziner
- Antrieb
- Frontantrieb
- Hubraum
- 1.799 ccm
- Anzahl und Bauform Zylinder
- 4 in Reihe
- Maximale Leistung kW / PS
- 80 kW / 109 PS
- Max. Drehmoment
- 172 Nm bei 3.000 U/min
- Getriebe
- Multimode-Getriebe
- Elektromotor: Maximale Leistung kW
- 36 kW (49 PS)
- Elektromotor: Maximales Drehmoment
- 205 Nm
- Systemleistung: kW / PS
- 115 kW / 155 PS
- Batterie
- 1,2 kWh
- Tankinhalt
- 50 Liter
- Beschleunigung 0-100 km/h
- 9,7 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit
- 180 km/h
- Norm-Verbrauch auf 100km
- 4,7 Liter
- Verbrauch real auf 100km
- 5,2 Liter (lt. Bordcomputer)
- Kofferraumvolumen
- 546 - 1.851 Liter
- Leergewicht
- 1.494 kg
- Anhängelast (gebremst)
- 1.000 kg
- Stützlast
- 75 kg
- Dachlast
- 80 kg
- Länge / Breite / Höhe
- 4.570 / 1.813 / 1.6705 mm
- Basispreis Baureihe
- 23.990 Euro
- Basispreis Modellvariante
- 30.440 Euro
- Testwagenpreis
- 32.830 Euro