Unterwegs im Audi R8. 540 PS aus zehn Zylindern. Das wird laut!
Jetzt nur nicht schlucken! Sollte der allerbeste Zahnarzt von allen das Gold-Inlay doch nicht allerperfektest verklebt haben, besteht Gefahr, dass es jetzt in den Rachen fliegt.
Den Fliehkräften, die wirken, hält nicht einmal das Gehirn stand. Es donnert gegen den Hinterkopf – ob da Schmerzen bleiben? Egal, der Spaß ist es wert. Was eigentlich passiert? Eigentlich bin ich nur von der Bremse gegangen…
Aber von vorne:
Wählhebel der siebenstufigen S-tronic auf „S“, Drive Select auf „Sport“ (ein bisschen Gummi wollen wir ja noch am Auto lassen). Rechter Fuß voll auf das Gaspedal, der linke verharrt auf der Bremse. Knapp hinter der Kopfstütze, nur durch eine wärmeabweisende Glasscheibe vom zweisitzigen Innenraum getrennt, erhebt sich das Orchester aus zehn Töpfen zu einer Demonstration der Macht. Es wird laut!
Der linke Fuß rutscht vom Bremspedal und PENG! Du bist die Kanonenkugel. Die vier angetriebenen Pirelli P Zero – Gummiwalzen grippen sich nach vorne, reißen wohl Fetzen aus dem Asphalt. Und Du freust Dich, auch ohne Astronautentraining eine Rakete starten zu dürfen.
Die Launch Control, mit der das Zusammenspiel aus dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, dem 540 PS starken 5,2 Liter V10 Motor und dem quattro-Allradantrieb perfekt zusammenspielen, um den Audi R8 maximal schnell hinter den Horizont zu werfen, ist ein gewaltiges Zeichen der Macht.
Die der R8 – selbst im Basisoutfit ohne „plus“ im Namen, ohne Mehrleistung und ohne extra Spoilerwerk – auch sonst zur Schau stellt. Spätestens, wenn die im manuellen Modus der S-Tronic eingesetzten Zwischengastöne den V10-Groll durch die 30er-Zone husten. Da werfen sogar die Damen vor der Seniorenresidenz einen Blick über die Schulter, endlich hören sie mal wieder etwas.
Im Comfort-Modus und ohne Fingerakrobatik an den Schaltwippen erledigt sich das zwar etwas gesitteter, in unserer downgesizten Vierzylinderwelt ist die Big Band der zehn Brennräume aber auch dann noch der Paradiesvogel.
Der innerstädtische Catwalkauftritt ist aber nicht „unser Ding“. Der Audi R8 will von der Leine gelassen werden. Da steht man schon mal gerne früher auf. Während Otto Normalbürger sich sonntags nochmal von links nach rechts dreht, nehmen der R8 und ich Asphalt unter die Räder.
Newtonmeter und PS versammeln sich knapp hinter der Rückenlehne, während die Autobahnauffahrt in den Beschleunigungsstreifen mündet. Der rechte Fuß wird schwer.
Und ab geht es! 320 km/h erreicht das aktuelle R8-Basismodell (ein aufgeladener V6 soll wohl noch folgen). Trotz der frühen Stunde ist für mich heute bei digital angezeigten 309 Stundenkilometern Schluss, selbst die dreispurige Autobahn wird plötzlich ganz schön eng und bettflüchtigen Sonntagsfahrern auf der Mittelspur ist in dieser Tempodimension noch weniger zu trauen als sonst.
Ist die Landstraße die bessere Spielwiese? Jein. Natürlich wirft sich der R8 mit einer Inbrunst um Kurven und Kehren, wie es eben nur ein Mittelmotorsportwagen kann. Mehr als genug Leistung am Kurvenausgang ist natürlich immer da und trotz aller Urgewalt lässt sich der Apparat auch zielsicher über Serpentinenstrecken dirigieren.
Hier ist es, das „aber“. Aber alles wäre noch toller, wenn der R8 weniger ausladend wäre. Auf der winkligen Landstraße mit Gegenverkehr, Baumbestand und schlecht einsehbaren Kuppen hat man oft Furcht, die breiten Backen blieben doch mal irgendwo hängen. Als ob er Dir sagen will, dass er ja viel lieber auf der Rennstrecke seine Runden drehen möchte.
Also nimmt man als umsichtiger Fahrer zwangsläufig ein bisschen dem Dampf raus und fordert den R8 weniger. In seiner Langeweile kann er zeigen, dass er auch die Rolle des Reisesportlers gut besetzt. Die adaptiven Dämpfer bringen überraschend guten Federungskomfort an des Fahrers Gesäß. Das sitzt auf im Gegensatz zum Vorgänger nun tiefer montierten Sitzen. Die bieten aber, zumindest für große Fahrer, im oberen Bereich überraschend wenig Seitenhalt.
Daneben leistet sich der Audi R8 aber mit deutlich hörbaren Windgeräuschen an der rechten A-Säule nur noch eine wirkliche Nachlässigkeit. Dass die Assistenzsysteme nicht auf dem letzten Stand der Technik sind und der Fernlichtassistent einfach nur auf- und abblendet, dabei eben den Gegenverkehr nicht maskiert, sollte beim gelegentlichen Ausflug in die Längsdynamik nicht unbedingt stören.
Das virtuelle Cockpit serviert alle nötigen Informationen inklusive Live-Verkehrsdaten und ja, es gibt sogar eine Audioanlage samt Soundsystem. Das war aber in noch keinem Testwagen so oft ausgeschaltet. Denn es muss noch einmal gesagt werden: Das Orchester für die Sinfonie in Moll, mit Bläsern, die links und rechts ihre Instrumente aus dem Heckstoßfänger recken und dem Lautstärkeregler unter dem rechten Fahrerfuß – das spielt hier die Musik.
Kostprobe gefällig? Für Bild- und Tonproben empfiehlt sich das diesen Artikel begleitende Video. Darin gehe ich auch der Frage nach, ob der Audi R8 in (m)einen normalen Alltag passt. Siehe unten.
Technische Daten
Audi R8 V10 Coupé |
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Hubraum | 5.204 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V10 |
Maximale Leistung kW / PS | 397 / 540 bei 7.800 U/min |
Max. Drehmoment | 540 Nm bei 6.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 3,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 320 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 11,4 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 16,8 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli P Zero 245/30 R20 (v) / 305/30 R20 (h) |
Leergewicht | 1.670 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.426 mm / 2.037 mm / 1.240 mm |
Grundpreis | 166.000 Euro |
Testwagenpreis | 189.260 Euro |