Der neue Honda Civic Type R leistet 329 PS und wird deutlich teurer. Fahrbericht mit Video-Review.
Applaus gleich in der ersten Zeile, gerichtet an Honda. Die japanische Marke hat wiederholt ihre Ziele bekräftigt, das Modellangebot in Europa vollständig zu elektrifizieren. Außerdem kleinen, aber teuren Honda e fehlen zwar noch weitere Elektroautos im Programm (2023 ändert sich das), alle anderen Baureihen fahren aber als Hybride in elektrifizierter Form vor. Spaß war gestern? Das lassen die Strategen so nicht stehen.
Der Honda Civic Type R im Video
Denn während viele Mitbewerber auf diese Frage mit „ja leider“ antworten, scheut sich Honda nicht, den neuen Civic Type R zu bringen. 25 Jahre nach dem ersten Hot Hatch zeigt sich die Sportversion der elften Civic-Generation. Und wieder tropft das Adrenalin aus den Fugen. Denn während der normale Civic mit der Bezeichnung e:HEV auf Effizienz ausgelegt ist (dabei aber auch Fahrspaß bietet, bald mehr dazu), bleibt sich der Type R treu.
Das Rezept: Ein aufgeladener Zweiliter-Vierzylinder treibt die Vorderräder an. Im Vergleich zum Vorgänger wurden der Turbolader überarbeitet und eine neue Abgasanlage konstruiert. Sie ist jetzt gerade, was weniger Gegendruck innerhalb der Rohre und damit mehr Leistung zur Folge hat. Am Ende atmet der Type R wieder durch drei Endrohre aus.
Leistungssteigerung auf 329 PS
242 kW / 329 PS leistet der Benziner im neuen Modell. Damit ist der Fünftürer der stärkste Civic Type R aller Zeiten. Das maximale Drehmoment stieg mit dem Modellwechsel um 20 auf 420 Newtonmeter, die ab frühen 2.200 U/min anliegen. Für die perfekte Übersetzung im richtigen Moment ist der Fahrer am manuellen Sechsganggetriebe zuständig.
So fährt sich der Civic Type R
Und damit sind wir auch schon mittendrin. Im Civic Type R und im Fahrspaß. Wir starten unsere Testfahrten auf kurvigen Landstraßen an der portugiesischen Atlantikküste. Auf dem Weg hier hin gibt sich der Type R im Komfort-Modus beinahe lammfromm. Die adaptiven Dämpfer bügeln Unebenheiten im Asphalt meist glatt, der Sound ist unaufdringlich. Beim Abbiegen fällt die schlechte Übersichtlich der Civic-Karosserie nach schräg hinten auf. Dafür sind breite, schräge C-Säulen und kleine Fenster verantwortlich, nicht der große Spoiler. Je nach Sitzposition stört er die Sicht für den Fahrer nicht, weil er auf dem oberen Rand der Heckscheibe aus dem Blickfeld verschwindet.
Wechsel in den Sportmodus. Der Hot Hatch strafft die Muskeln. Enge Winkel bei erlaubten Tempo 90 können genommen werden, ohne lange den Fuß vom Gas zu nehmen. Die direkte Lenkung gibt hervorragendes Feedback, die kurzen Wege des präzise geführten Schaltstummels machen Gangwechsel zur Freude. Wie auf Schienen lenkt der Type R ein, kennt – zumindest auf trockener Straße – trotz Frontantrieb keine Traktionsprobleme.
Ausflug auf die Rennstrecke
Die muss es doch aber bei stärkerer Belastung geben, oder? Gefragt, getan: Wir stehen in der Boxengasse der Rennstrecke in Estoril. Der ehemalige Formel-1-Kurs soll zeigen, welches Potenzial im Civic Type R steckt. Per Tastendruck wird der „+R“-Modus aktiviert. Die digitale Instrumentenanzeige wechselt in ein von der Formel 1 entliehenes Layout mit großen Drehzahlmesser-Band und LED-Schalthinweisen.
Der erfahrene Instruktor Thomas Neumannfeuert mich an: „Die Kurve nimmst Du voll“ (also: ohne vom Gas zu gehen). Am Scheitelpunkt presst sich das Pedal in die Bodenplatte. Der Civic schnalzt in Richtung Horizont, verlässt auch hier nicht die geplante Linie. Untersteuern? Fehlanzeige. Vielmehr hast Du schnell den richtigen Dreh raus, um das Heck zur Mitarbeit zu motivieren. Am guten Grip haben, neben der sauberen Arbeit der Honda-Ingenieure, gewiss auch die Michelin Pilot Sport 4S mit 265 Millimeter breiter Auflagefläche ihren Anteil.
Bei der hohen Racing-Kompetenz des Type R verwundert es, dass im Mikrofaser-Kranz des Lenkrads keine 12-Uhr-Markierung vorgesehen ist. Aber es muss wohl noch Potenzial für ein Zubehörprogramm bleiben. Dort wird es dann auch ein Karbon-Paket geben, u.a. mit einem aus dem leichten Kohlefasermaterial geschnitzten Heckflügel. Der sorgt, auch im Serientrimm, bei 200 km/h für 58 Kilogramm Anpressdruck auf der Hinterachse. Dieses Tempo erreicht der Civic, von mir gefahren, auf der Start-Ziel-Gerade (beim Instruktor sind es knapp 220).
Angeschärftes Design
Auch als Type R senkt der Civic in der Diskussion um das Design die Stimme. Seine 4,59 Meter lange Fließheckkarosserie kauert tief über dem Asphalt. Weniger harte Kanten als beim Vorgänger sorgen für Gefälligkeit. Gleichwohl macht auch die Neuauflage keinen Hehl um ihre Potenz. Das optische Tuning im Vergleich zum schwächeren Civic-Modell fällt aber eine Nuance weniger dramatisch aus als bisher.
Die größeren Lufteinlässe im vorderen Stoßfänger und eine Öffnung in der Alu-Motorhaube sorgen für negativen Auftrieb an der Front. Auch hinter den vorderen Radhäusern trägt der Hot Hatch Luftauslässe. Mit ihnen wird der Luftdruck im Radhaus reduziert, während der Fahrtwind um Seitenschweller, Hinterräder und Überhang am Heck gelenkt wird.
Zum Type-R-Markenzeichen gehört der eben angesprochene. Auch im Jahr 2023. Auf der Kunststoff-Heckklappe wird die Theke verschraubt. Natürlich nicht für reine Showeffekte, sondern – wie wir gelernt und erfahren haben - für maximalen Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten.
Geräumiges Interieur
Vor dem 410 Liter großen Kofferraum bietet der Honda Civic Type R auf beiden Reihen großzügige Platzverhältnisse. Die Schrägheckkarosserie hat aber eine eingeschränkte Kopffreiheit für große Mitfahrer in der zweiten Reihe zur Folge.
Das Bedienkonzept im Civic überzeugt. Die einzelnen Menüpunkte auf dem zentralen Touchscreen-Monitor sind über große Icons ansteuerbar. Physische Tasten für das Home-Menü und die „Zurück“-Funktion sowie ein Drehregler für die Audiolautstärke vereinfachen die Interaktion mit der Maschine.
Auch die Klimafunktionen lassen sich ohne Studium der Betriebsanleitung steuern, Drehregler und Tasten geben ein gut spürbares Feedback. Materialien und Verarbeitungen sind auf hohem Niveau. Lediglich die Kunststoffgitter der Lüftungsdüsen und deren Verstellknubbel fallen haptisch leicht ab.
Das kostet der Civic Type R
Zu viel Euphorie? Dann wird es doch mal Zeit für schlechte Nachrichten. Mit dem Modellwechsel steigt der Preis des Honda Civic Type R sprunghaft an. 55.500 Euro wird das Auto kosten, wenn es Anfang 2023 auf den Markt kommt. Das sind rund 12.000 Euro mehr, als zuletzt für den Vorgänger verlangt wurden.
Die Serienausstattung ist, bis hin zur zweifarbigen Innenausstattung mit roten Vordersitzen und Teppichen sowie schwarzer Rücksitzbank, komplett. Viele Fahrassistenten zum Halten von Abstand, Tempo und Spur sind an Bord, außerdem Navigation, Laptimer und Klimaautomatik. Im Vergleich zum braveren Honda Civic e:HEV fehlen aber Sitzheizung und Mittelairbag zwischen den Vordersitzen. Auch das BOSE-Soundsystem ist für die Sportversion nicht lieferbar.
Was bietet die Konkurrenz?
Nicht nur im ansonsten hybridsierten und elektrischen Honda-Modellprogramm ist der Civic Type R ein Einzelkämpfer. Auch bei anderen Marken kann man einen direkten Konkurrenten nicht sofort finden. Der VW Golf R kommt in Sachen Leistung mit 320 PS (oder 333 PS als Golf R Performance) dem Japaner am nächsten. Mit permanentem Allradantrieb ist der Wolfsburger Sportler aber mehr Bodybuilder als Sprinter. Mit Preisen ab 52.895 Euro ist der Golf R etwas günstiger als der Honda. Konzernschwester Cupra hat den Leon VZ Cup mit 300 PS starkem Turbo-Benziner und Frontantrieb im Programm, verlangt dafür 48.370 Euro (alle Preise Stand November 2022).
In Sachen Sportsgeist kommt der Hyundai i30 N aber dem Civic Type R näher. Auch er hält bei der Motorleistung des Zweiliter-Vierzylinders aber Abstand zum Honda. 280 PS leistet die Performance-Version, die als Fastback mit längerem Heck ab 38.850 Euro.
Fazit
Während der Testfahrten bliebt keine Zeit zum Klatschen. Am Ende der Performance darf aber wieder applaudiert werden. Für die Fahrdynamik des neuen Honda Civic Type R. Für den Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Rennstreckenkompetenz. Für Platzangebot, Bedienung und Design. Buhrufe hört man aber, wenn es um den massiv gestiegenen Preis gibt. Trotzdem schwillt gerade die Welle der „Zugabe“-Rufe an…
Technische Daten
Honda Civic Type R |
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Antrieb | Frontantrieb |
Abgasnorm | Euro 6d |
Hubraum | 1.996 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 242 kW / 329 PS bei 6.500 U/min |
Max. Drehmoment | 420 Nm bei 2.200 - 4.000 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Tankinhalt | 47 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 275 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 8,2 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 4S 265/30 R19 |
Leergewicht | 1.480 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.594 / 1.890 / 1.401 mm |
Grundpreis | 55.500 Euro |