...und dann bist du fassungslos. Der Hyundai i30 N im Alltagstest.
Freies Blickfeld. Die Beute ist anvisiert. Die Sinne geschärft. Aktion im richtigen Moment. Treffer. Und nochmal von vorn. Die Jagdsaison ist eröffnet. Die Ziele: Kurven. Vorurteile. Erwartungshaltungen. Das Geschoss hat das richtige Kaliber: Hyundai i30 N.
Der als geschmacklicher Drahtseilakt in „Performance Blue“ lackierte Testwagen kommt als Wachablöse des VW Golf GTI Performance in den Testfuhrpark, dessen positiver Eindruck sich mal wieder in die Hirnrinden tätowiert hat. Du denkst Dir kurz „schade, dass Hyundai nicht die 275 PS starke Performance-Version des i30 N geschickt hat“, sondern das 250 PS starke Grundmodell, aber dann fährst Du einfach direkt in die Berge. Erst ziellos. Dann fassungslos.
Viele haben es versucht, dem Platzhirsch VW Golf GTI in der sportlichen Kompaktklasse die Stirn zu bieten. Manchmal hat es gut funktioniert, wie mit dem Opel Kadett GSI in den späten 1980er Jahren. Manchmal schossen die Mitbewerber aber auch gleich über das Ziel hinaus. Ein Honda Civic Type R oder ein Ford Focus RS sind natürlich tolle Autos, aber nicht für jeden Geschmack alltagstauglich. Und dann kommt Hyundai. Mit dem i30 N.
Ihr alle habt es schon x-mal gelesen: Hyundai hat für das N-Label nicht nur erfahrene deutsche Entwicklungsgenies verpflichtet und den i30 N zu großen Teilen auf der legendären Nordschleife und schon vor dem Serienstart mit Einsätzen bei 24-Stunden-Rennen entwickelt und getestet. Im Juli 2017 ist dann ein fertiges Produkt zu den Händlern gerollt, dass voll ins Schwarze trifft.
Der Zweiliter-Turbobenziner mit 250 PS serviert 353 Newtonmeter maximales Drehmoment, das zwischen 1.450 und 4.000 Umdrehungen pro Minute anliegt, per Overboost sind es 378 Newtonmeter (1.750 – 3.500 U/min). Klingt jetzt so typisch nach Autotest, oder? Fühlt sich aber ungefähr so an: Yeah!
Die Launch Control zum fast perfekten Null-Hundert-Ritt probierst Du mal aus, weil es sie gibt. Aber der Durchzug aus fast egal welcher Drehzahlregion, der Schub selbst beim Gasbefehl aus Tempo 200 (Spitze 250 km/h) und das nahe an der Perfektion abgestimmte Fahrwerk mit einstellbaren Dämpfern lassen sie Grenzen zwischen Reifen (Michelin Pilot Super Sport) und Asphalt. Der Hyundai i30 N saugt sich förmlich an die Ideallinie, in die Kurve hinein. Am Scheitelpunkt steigst Du hemmungslos ins Gas und trotz der beim 250 PS – Modell nicht vorhandenen Differenzialsperre schnalzt der frontgetriebene Koreaner – zum großen Teil entwickelt in Deutschland, gebaut in Tschechien – mit Karacho aus der Kehre. Egal wie sehr Du ihn provozierst, er macht alles mit, das die physikalischen Gesetze erlauben.
Über Drucktasten am Multifunktionslenkrad kann man nicht nur den Fahrmodus in drei Stufen (Sport, Normal, Eco) einstellen, sondern auch ins N-Menü wechseln. Der rabiateste aller Fahrmodi sortiert Dir dann bei Stadttempo die Bandscheiben neu durch. Der Motor bratzelt, bollert und knallt aus Herzenslust aus den dicken Endrohren, beim Zurückschalten mit dem präzise geführten Hebel des manuellen Sechsganggetriebes gibt es zwar softwaregesteuerte, aber lustvolle Zwischengasstöße.
Auf Dauer angenehmer ist der „N Custom“ Modus, bei dem man den Antrieb so maximalbissig belassen kann, das Fahrwerk sich aber auf ein ordentliches Komfortmaß trimmen lässt. Dann ist der Hyundai i30 N genau das, was Type R, RS und Co. nicht gelingt. Er ist ein voll und ganz alltagstauglicher sportlicher Kompaktwagen, der dem erwähnten Wolfsburger das Wasser reichen kann. Der ihm aber das Trinkgefäß aus der Hand schlägt, wenn es richtig hurtig zur Sache gehen soll. Serpentinen und Landstraßen nimmt der Hyundai ebenso gekonnt ins Visier wie der GTI, die deutsche Paradedisziplin Autobahn meistert er aber um Längen besser. Im Geradeauslauf erinnert der N an ein Katapult. Er folgt seiner Linie ohne Unterlass, kennt nur den Horizont als Ziel. Die Dämpfer geben Dir dabei genau die richtige Portion Rückmeldung, die Du für das konzentrierte Schnellfahren brauchst. Windgeräusche? Nein. Abrollgeräusche? Auch nicht.
Aber es gibt etwas, das auf einer langen Autobahnetappe mit dem Hyundai i30 N stört. Die fehlenden Kurven! Er fleht Dich an, die Strecke zu verlassen, ihm die Sporen zu geben. Oder flehst Du das Auto an, es Dir so richtig zu besorgen?
Weil wir gerade beim Besorgen sind. Hyundai könnte für den i30 N gerne ein zumindest optionales Soundsystem für die Audioanlage heranschaffen. Auch wenn man vom Motorsound nur selten genug bekommt, wäre ein anständiger Klang aus den Boxen doch was Feines. Die Software passt nämlich. Das Navigationssystem ist trotz Kartenspeicher auf einer SD-Karte fix, DAB+, Android Auto und Apple Car Play kann die Anlage auch und Mobiltelefone mit QI-Standard lassen sich kabellos aufladen.
Die Jagd auf den Golf GTI und seine Jünger hat der Hyundai i30 N also eröffnet. Dessen aktuelle Modellgeneration ist wie gesagt ein hervorragendes Auto. Fast könnte man zugreifen. Und dann kommt dieser Hyundai ums Eck gepfeilt. Die Karten werden neu gemischt. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem i30? Es gibt ihn auch in anderen Lackierungen.
Der letzte Absatz stellt ja oft die Frage: Kann man dieses Auto ruhigen Gewissens kaufen? Die Antwort lautet „nein“. Wie jetzt? Spinnt der? Und was ist mit den letzten 803 Wörtern? Der Feind liegt im eigenen Bett. Wenn Hyundai i30 N, dann gleich den mit Zusatznamen Performance. Der kostet ausstattungsbereinigt 1.720 Euro Aufpreis, bringt dafür 19-Zöller (statt 18), eine größere Bremsanlage, Klappenauspuff und 25 PS Mehrleistung mit. Und bleibt dabei immer noch mehrere Tausend Euro unter einem vergleichbar ausgestatteten VW Golf GTI Performance.
Ab Juli 2018 bekommt der Hyundai i30 N übrigens einen Partikelfilter. Die Leistungswerte bleiben gleich, aber leiser soll er werden – ein Argument für den Klappenauspuff des i30 N Performance.
Die technischen Daten findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Hyundai i30 N |
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Hubraum | 1.998 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 184 kW / 250 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 353 Nm bei 1.450 - 4.500 U/min / Overboost 378 Nm bei 1.750-3.500 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 7,0 Liter (nach NEFZ) |
Verbrauch real auf 100km | 10,3 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Super Sport 225/40 R18 |
Leergewicht | 1.475 - 1.555 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.335 / 1.795 / 1.451 mm |
Grundpreis | 29.700 Euro |
Testwagenpreis | 33.520 Euro |