Hyundai Ioniq 6 Was kann der Streamliner?

Der Hyundai Ioniq 6 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.

Das Ende des SUV-Booms wollen wir nicht heraufbeschwören. Aber die Elektromobilität bringt unübersehbar eine längst ad acta gelegte Karosserieform wieder zurück: Die der Fließhecklimousine. Tesla, Nio und Co. haben entsprechende Modelle im Programm. Nach dem Hyundai Ioniq 5 , der seine SUV-Gene im gekonnten Pixel-Retro-Design verbirgt, kommt jetzt der Ioniq 6. Flacher, länger und windschlüpfiger. Der Hersteller spricht vom „Streamliner“.

Der Hyundai Ioniq 6 im Video

Der Luftwiderstandsbeiwert, besser als cW-Wert bekannt, liegt bei nur 0,21. Möglich wird das durch die aerodynamisch optimierte Form der viertürigen Limousine. Der zweite Elektro-Hyundai auf der konzernweit eingesetzten Plattform E-GMP (Electric Global Modular Platform), setzt eine eigene Designsprache in Szene. Auch künftige Ioniq-Baureihen, demnächst kommt das große SUV-Modell Ioniq 7, werden eine eigene Linienführung haben.

Design-Vergleich mit dem Ioniq 5

Der Testwagen steht in der optionalen Lackfarbe „Gravity Gold“ auf 20 Zoll großen Leichtmetallfelgen. Zum Vergleich haben wir einen Ioniq 5 mitgebracht. Schon auf den ersten Blick ist klar: Die neue Limousine wirkt deutlich schlanker. Nicht unbedingt kleiner, aber weniger wuchtig – und dürfte damit eine andere Kundengruppe ansprechen als der Fünfer.

Mit einer Länge von 4,86 Metern ist der Hyundai Ioniq 6 deutlich länger als der Ioniq 5 (4,64 Meter), dabei etwas schmaler (1,88 Meter ohne Außenspiegel) und flacher (1,50 Meter). Der Längenzuwachs geht voll auf das Konto des Designs, das am Heck mit den bekannten Pixel-Grafik spielt. Vorne stecken, sofern man eines der beiden höchsten Ausstattungspakete wählt, erstmals adaptive Matrix-LED-Scheinwerfer in einem Hyundai.

Wenig Raum für Köpfe und Koffer

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Trotz der Fließheckkarosserie thront der Spoiler des Ioniq 6 nicht auf einer großen Klappe. Für den Zugang zum Gepäckabteil muss ein kleiner Limousinen-Deckel reichen. Magere 401 Liter fasst der Kofferraum dahinter. Für langes Gut kann man die Lehnen der Rücksitzbank federvorgespannt umklappen.

Bei aufrechter Lehne stoßen nicht nur große Passagiere im Fond schnell mit dem Kopf ans Dach. Die Form mit der früh abfallenden Linie zeigt das schon von außen. Um einen möglichen Kompromiss zu finden, wurde die Bank arg tief eingebaut. Das bedingt stark angewinkelte Beine, da im Fahrzeugboden ja auch noch Platz für den Akku benötigt wird. Außerdem passen die Füße nicht unter den Vordersitz, wenn dieser weit nach unten gestellt wurde. Im Kontrast zu diesen Punkten steht die massenhaft vorhandene Kniefreiheit. Der Radstand des Hyundai Ioniq 6 beträgt üppige 2,95 Meter, er liegt damit fünf Zentimeter unter dem des Ioniq 5.

Wann wird es grün?

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Vorne nehmen Fahrer und Beifahrer auf großem Mobiliar Platz. Lediglich das stark nach unten gezogene Dach stört manchmal, beispielsweise beim Blick auf eine Ampel. Auffallend schmal sind die Türverkleidungen, was auch den subjektiven Raumeindruck verbessert. Um dieses Ziel zu erreichen, steckten die Designer die Taster für Fensterheber und Verriegelung auf die freischwebende Mittelkonsole.

Hier kann, je nach Ausstattung, auch ein Smartphone induktiv geladen werden. Das ist erwähnenswert. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten bietet der Koreaner hier auch Platz für große Geräte, die die rutschfrei auf einem gummierten Boden liegen. Eine gut sichtbare LED-Leiste zeigt zudem an, wenn das Telefon geladen wird.

Weiter oben blickt man auf die bekannte Marken-Cockpitlandschaft mit zwei 12,25-Zoll-Displays. Im Vergleich zum Ioniq 5 wirkt der Neuling mit schmaleren Rahmen aber moderner, mit einem verchromten Rahmen zudem etwas hochwertiger.

Viele kleine Schritte auf dem Weg dahin, dass man sich im Hyundai Ioniq 6 gut integriert fühlt. Weniger Loft-Atmosphäre als beim SUV-Bruder, mehr klassische Automobil-Architektur.

Schnell, auch in Kurven

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Wir sind mit dem aktuellen Topmodell der Baureihe unterwegs. Hier stecken neben dem 77,4 kWh großen Lithium-Ionen-Akku zwei Elektromotoren unter dem Karosseriekleid. Die Systemleistung wird mit maximal 239 kW (325 PS) angegeben. Laut Datenblatt stürmt der Allradler in 5,1 Sekunden auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei allen Ioniq 6 bei 185 km/h.

Wie auf leeren Straßen zu erfahren ist, beschleunigt das Auto mit vollem Akku tatsächlich gewaltig und ohne nachlassenden Druck von 605 Newtonmetern Drehmoment. Viel mehr überrascht aber das dynamische Potenzial in Kurven. Vor allem im Sport-Modus gibt die Lenkung ein sehr gutes Feedback. Der Hyundai lenkt willig ein und verteilt die Kraft blitzschnell zwischen den beiden Motoren. Trotzdem bleiben rund 2,1 Tonnen Leergewicht natürlich nicht folgenlos, die Masse des Autos drängt bei hohem Tempo spürbar nach außen.

Konfigurierbarer Antrieb

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Das Fahrwerk überzeugt mit hohem Komfort, trotz der großen Options-Räder. Eine Besonderheit des Allradmodells steckt in der Fahrmoduswahl. In einer Individual-Einstellung kann man auswählen, wie sich der Antrieb sortieren soll. Man kann die Software variabel zwischen Hinter- und Vorderachse verteilen lassen oder eine Einstellung für permanenten Allradantrieb anklicken. Außerdem gibt es einen Klick-Befehl für reinen Heckantrieb.
Da der vordere Elektromotor dann nicht bestromt wird, kann man damit im Alltag oder auf der entspannten Langstrecke Strom sparen. Laut Hersteller lässt sich die Reichweite somit um sechs bis sieben Prozent erhöhen.

Vier LED-Pixel im Pralltopf des Lenkrads blinken bei Änderung des Fahrmodus farbig auf. Zudem werden sie als zusätzliche Hinweisgeber für den Fahrer genutzt. Ein Beispiel: Sobald der Rückwärtsgang eingelegt ist, leuchten sie rot.

Sparsamer als der Ioniq 5

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Die Anzeige im Testwagen zeigt bei vollem Akku einen Radius von 466 Kilometern an. 519 sollen es mit 20-Zoll-Rädern laut WLTP-Norm sein, dann liegt ein Stromverbrauch von 16,9 kWh pro 100 Kilometer zugrunde. Damit liegt er leicht unter dem aerodnamisch nicht ganz so günstig geformten Ioniq 5 mit gleichem Antrieb un 19-Zoll-Rädern (17,9 kWh / 100 km, Alltags-Testverbrauch 22,3 kWh / 100 km).

Nach etwa 200 Kilometern mit Stadtverkehr, kurvigen Landstraßen und Etappen auf tempolimitierten spanischen Autobahnen (120 km/h) zeigt der Bordcomputer einen Wert von 19,7 kWh an. Durch fleißiges Herumflippern an den Lenkradwippen, mit denen man die Energie-Rekuperation bis hin zum One-Pedal-Driving variieren kann, dürfte man ohne Anstrengung auf rund 18 kWh kommen.

Den genauen Verbrauch, die Reichweite und die Ladeleistung muss und wird ein späterer Alltagstest klären. Wechselstrom lädt der Hyundai dreiphasig mit bis zu 11 kW. Am Schnelllader sollen, der 800-Volt-Technologie sei Dank, bis zu 240 kW möglich sein. Unter Idealbedingungen ist die Speicherkapazität in 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent steigerbar.

Auch der Ioniq 6 kann über V2L (Vehicle-to-Load) andere Geräte und sogar gestrandete Elektroautos mit Strom versorgen. Der dafür notwendige Adapter ist als Option zu bekommen.

Modellprogramm und Preise

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Die Zahl in der Modellbezeichnung ist höher, der Grundpreis nicht. Wie der Hyundai Ioniq 5 startet auch Nummer Sechs in der Grundversion bei 43.900 Euro. Dann steckt ein 53 kWh großer Lithium-Ionen-Akku im Auto, ein permanenterregter Synchronmotor mit maximal 111 kW (151 PS) treibt die Hinterräder an.

Für 5.000 Euro mehr, also ab theoretischen 48.900 Euro, gibt es einen 77,4 kWh großen Akku. Der bestromt einen auf 168 kW (229 PS) starken Motor im Heck. Theoretisch bedeutet: Dieser Antrieb ist an das Dynamic-Ausstattungspaket gekoppelt, womit der Grundpreis bei 54.000 Euro liegt. Von dieser Konfiguration versprechen sich die Vertriebsstrategen den höchsten Verkaufsanteil.

Unser Testwagen hat den großen Akku mit Allradantrieb, besorgt von zwei Motoren im Auto. Die Systemleistung liegt bei 239 kW (325 PS). In Verbindung mit Uniq-Paket und Optionen wie den digitalen Außenspiegeln, der Lackierung in „Gravity Gold“ und 20-Zoll-Leichtmetallfelgen steigt der Listenpreis des Autos, vor Abzug einer Förderung, auf 67.290 Euro.

Nicht teurer als der Ioniq 5

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Auch mit „voller Hütte“ ist der Ioniq 6 also nicht teurer als der Ioniq 5. Im gleichen Preisuniversum bewegt auch die der Mitbewerber Tesla Model 3. Als Long Range Modell mit Allradantrieb und mehr Leistung als der Ioniq 6 kostet das Model 3 inklusive Auto Pilot und 19-Zoll-Felgen zurzeit – vor Abzug des Herstelleranteils zur Förderung – rund 64.000 Euro. Auch der kommende VW ID.7 dürfte zu den ernsten Konkurrenten des Hyundai Ioniq 6 zählen, aber deutlich teurer werden.

Was erwartet der Hersteller

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Angesichts der gebotenen Qualitäten und des Auftritts des neuen Modells erscheinen die Absatzpläne des deutschen Hyundai-Importeurs für den Ioniq 6 fast bescheiden. 5.500 Autos sollen im Jahr 2023 hierzulande erstmals ein Kennzeichen bekommen. Der Engpass ist die Fahrzeugverfügbarkeit des in Korea gebauten Ioniq 6.

Vom Ioniq 5 wurden im zurückliegenden Jahr 2022 in Deutschland gut 14.000 Einheiten abgesetzt, vom elektrischen Kona etwa 17.000 Autos.

Fazit

Hyundai Ioniq 6 Test Fahrbericht Vergleich Ioniq 5 Video Review 2023

Der Hyundai Ioniq 6 ist das Resultat einer peniblen Produktstrategie. Er bereichert den Markt mit seinem eigenständigen Design über der hochkarätigen E-GMP-Technologie. Für die ideale Linie nahmen die Designer auch Abstriche bei Kofferraum und Platzangebot in Kauf.

Dank der guten Aerodynamik dürfte sich der Hyundai Ioniq 6 vor allem bei Elektrauto-Kunden in Szene setzen, die öfter auch längere Strecken fahren. (Nicht nur für) Sie hält der Hyundai-Händler dann auch verschiedene Ladetarife bis hin zur Premium-Behandlung bei Ionity bereit. Und er hält die Hand auf. Denn mit mehr Leistung und einigen der vielen leckeren Optionen im Konfigurator ist der Ioniq 6 schnell ein teures Auto. Aber auch dann seinen Preis wert.

Technische Daten

Hyundai Ioniq 6

Antrieb elektrischer Allradantrieb
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Systemleistung: kW / PS 239 kW (325 PS), 605 Nm
Batterie 77,4 kWh Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) 220 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 11 kW (dreiphasig)
Beschleuningung 0-100 km/h 5,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 16,9 kWh, Reichweite 519 km (mit 20-Zoll-Felgen)
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km 19,7 kwh (lt. Bordcomputer)
Reifenmarke und –format des Testwagens Pirelli P Zero 245/40 R20
Leergewicht 2.113 kg
Anhängelast (gebremst) 1.500 kg, Stützlast 100 kg
Länge / Breite / Höhe 4.855 / 1.880 / 1.495 mm
Testwagenpreis 67.290 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad