Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid Das Missverständnis

Nach dem Facelift mit neuem Infotainment-Paket tritt der Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid zum Alltagstest an.



Schöne neue Welt, auch wenn man nicht ganz auf den Verbrenner verzichten will. Auf dem Weg in die Arbeit steigt man morgens in seinen Plug-in-Hybriden, stromert lokal emissionsfrei und fast lautlos aus dem Wohngebiet oder dem Stadtgebiet. Erst auf der Schnellstraße schaltet sich der Verbrenner zu und am Ziel fährt das Auto wieder elektrisch. So das allgemeine Verständnis, wenn es um einen Plug-in-Hybriden geht.

Hyundai Ioniq Plug-in-Hbrid PHEV Test Verbrauch Facelift

Und dann drückt man im Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid den Startknopf, setzt rückwärts aus der Parklücke heraus und: Motorstart des Vierzylinders unter der Haube. Auf den ersten Kilometern, also einmal quer durch die Nachbarschaft, läuft der Benziner – ohne dabei aber die Räder anzutreiben. Vielmehr gibt sich der Hyundai als serieller Hybrid , speist mit dem Verbrenner den Akku und lässt den Elektromotor auf die angetriebenen Vorderräder los. Erst nach ein paar Kilometern, auf der Autobahn, legt sich der Benziner schlafen. Mit bis zu 120 km/h fährt der Ioniq dann elektrisch.

Kleine Ursache, große Wirkung

Dieses Schauspiel ist übrigens nicht nur bei winterlichen Temperaturen zu beobachten, selbst bei milden 18 Grad Außentemperatur, 20 Grad für den Innenraum eingestellt, lässt sich der Ioniq nicht wie erwartet starten.

Was ist da los? (Relativ) kleine Ursache, große Wirkung: Hyundai (und übrigens auch Konzernschwester Kia bei Niro, Ceed und XCeed PHEV) verzichtet auf einen elektrischen Zuheizer. Deswegen muss der Verbrenner für die nötige Energie sorgen, schaltet sich erst ab, wenn er nicht mehr benötigt wird. Wie zum Beispiel auf der Autobahn. Was dann auch dazu führt, dass er im Zielstädtchen dann doch wieder ranmuss und man auch oft mit laufendem Motor an der roten Ampel steht.

Vermeiden lässt sich das nur mit Deaktivierung der Heizung – also komplett. Das ist bei kühlen Temperaturen aber auch keine Lösung. Ja, Kontaktwärme der serienmäßigen Sitz- und Lenkradheizung helfen, aber auf Dauer wird es dann doch klamm im Auto.

Mit seiner Arbeitsweise erinnert der Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid an den Thriller „Memento“ von Regisseur Christopher Nolan. Hier wird die Geschichte in großen Teilen rückwärts erzählt. Ist die Verwirrung (der Ärger?) üben den vorlauten Hyundai aber erstmal verflogen, dann zeigen sich endlich die positiven Seiten des kompakten Autos. Und davon gibt es einige.

Nachhaltige Materialien

Hyundai Ioniq Plug-in-Hbrid PHEV Test Verbrauch Facelift

Die aerodynamisch optimierte Karosserie, deren abfallendes Dach Einschränkungen im Kopfraum mit sich bringt, wurde beim Facelift 2019 nur sanft aufgefrischt. Mehr war auch nicht nötig, kam der Ioniq doch als Hybrid und Elektro erst 2016, als Plug-in-Hybrid 2017 auf den Markt.
Mehr ist im Innenraum passiert. Hier, wo in Teilen nachwachsende Rohstoffe wie Zuckerrohrfaser und pulverisiertes Holz, aber auch Vulkangestein und recyceltes Plastik verarbeitet werden, gab es ein flacher bauendes Cockpit vor den weiterhin sehr bequemen Sitzen. Mit den beiden höheren Ausstattungspaketen – der Testwagen kam als Premium-Topmodell zum Test – gehört das neue BlueLink-Infotainmentsystem mit hochauflösendem 10,25-Zoll-Display zur Serienausstattung. Im Basismodell und beim Trend-Paket ist ein Achtzoll-Audiosystem vorhanden.

3,8 Liter Verbrauch

Mit Android Auto, Apple CarPlay, Onlinezugang für Echtzeitverkehrsdaten und die Verbindung zu einer eigenen App ist der Ioniq damit auf der Höhe der Connectivity-Zeit. Auch Ladestationen in der Nähe werden, inklusive einer Information über die vorhandenen Anschlüsse, angezeigt.
Der Onboard-Charger verkraftet maximal 3,3 kW Ladeleistung. An einer Ladesäule steht der Ioniq dann 2:15h, um den 8,9 kWh großen Lithium-Ionen-Polymer-Akku zu füllen, an der Haushaltssteckdose sind es vier Stunden.

Trotz des hervorragend klingenden Infinity-Soundsystems stört dann aber nach der Ladeaktion doch der Blick auf die Energieanzeige, verdirbt gar die Freude am Laden per Kabel. Verbrenner und Elektromotor laufen, dennoch wird der Akku langsam entladen. Oft läuft der Benziner, der für sich genommen 105 PS leistet und mit dem 45 kW starken Elektromotor eine Systemleistung von 104 kW / 141 PS besorgt, im von der Geschwindigkeit losgelösten Drehzahlbereich relativ ruhig. Die Abstimmung des 6-Gang-DCT war hier bestimmt aufwändig. Der Lohn der Mühe: Trotz dem ständigen Verbrenne bleibt der Spritkonsum erfreulich gering.

Außerdem gefällt das sehr harmonische Zusammenspiel der beiden Motoren. Übergänge sind kaum wahrnehmbar und der Benziner ist oft so leise, dass Mitfahrer schon auf das Display blicken müssen, um sich Informationen über die aktuelle Antriebsquelle zu holen.

Im Testzeitraum verbrauchte der Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid 3,8 Liter auf 100 Kilometer – zusätzlich zu einer nicht gemessenen Strommenge. Der Normwert des Herstellers: 1,1 Liter Benzin und 10,3 kWh Strom. Auch der Koreaner weicht deutlich von der Norm ab, aber weit weniger stark als andere Plug-in-Hybride.

Fazit zum Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid

Hyundai Ioniq Plug-in-Hbrid PHEV Test Verbrauch Facelift

Das Auto zieht weiter, der Autor bleibt irritiert zurück. Format, Package und Ingenieursleistung des Hyundai Ioniq gefallen. Er ist ein komfortables Pendlerauto mit moderner Infotainmentausstattung.

Beim Plug-in-Hybrid vermiest leider der fehlende Zuheizer und damit der zu oft laufende Benzinmotor das Spiel. Damit kommen zwei weitere Testvorhaben auf die Agenda. Es gilt, herauszufinden, ob man den Hyundai Ioniq nicht besser als Hybrid für Menschen mit gemischtem Fahrprofil oder als reine Elektroversion empfehlen kann. Und zwischen diesen Stühlen für den PHEV leider kein Platz ist.

Technische Daten

Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid mit Premium-Paket

Abgasnorm Euro 6.2 (6d-Temp-EVAC-ISC)
Hubraum 1.580 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 77 kW / 105 PS bei 5.700 U/min
Max. Drehmoment 147 Nm bei 4.000 U/min
Getriebe 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Elektromotor: Maximale Leistung kW 45 kW (61 PS)
Elektromotor: Maximales Drehmoment 170 Nm
Systemleistung: kW / PS 104 kW / 141 PS, 265 Nm Drehmoment
Batterie 8,9 kWh Lithium-Ionen-Polymer
Beschleuningung 0-100 km/h 10,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit elektrisch 120 km/h
Höchstgeschwindigkeit 178 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 10,3 kWh
Norm-Verbrauch auf 100km 1,1 Liter
Verbrauch real auf 100km 3,8 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Continental Winter Contact TS 860 205/55 R16
Leergewicht 1.626 kg
Anhängelast (gebremst) n/a
Länge / Breite / Höhe 4.470 / 1.820 / 1.450 mm
Grundpreis 38.800 Euro
Testwagenpreis 38.800 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad