Der neue Hyundai Staria im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Und dann sind sie alle locker im Nacken. Fünf Personen stehen an einer Bushaltestelle. Alle gucken nach links, die Augen weit offen. Kollektives Drehen des Kopfes, die Hälse weit nach oben gereckt (Stretching!). Drehung nach rechts. Die Blicke folgen uns in die Ferne (gut für Smartphone-geschädigte Augen!).
Der Staria im Video
Was ist passiert? Nein, wir sind nicht im neuesten Supersportwagen vorbeigefahren. Sondern in einem Van. Im Gegensatz zum Sportler hätten auch alle fünf mitfahren können im neuen Hyundai Staria. Selten weckte ein Auto, nicht nur an der als exemplarischen Beispiel herausgepickten Bushaltestelle im Frankfurter Süden, während erster Testfahrten mehr Aufmerksamkeit.
Mit der flach stehenden Frontscheibe ohne Winkel zur Motorhaube, den glatten Flächen und den vom Hyundai Ioniq 5 bekannten LED-Leuchten in Pixeloptik wirkt der neue Hyundai Staria wie ein Besucher aus der Zukunft.
Diesel mit 177 PS
Als Nachfolger des H1 Starex kann er so nur bedingt gelten, zu stark hat sich das Wesen des Vans gewandelt. So futuristisch der Auftritt ist, so gegenwärtig dieselt der Motor vor sich hin – zumindest bis zur Präsentation des geplanten Elektro-Staria mit Brennstoffzelle. „Ach, ich hätte jetzt gedacht, der fährt elektrisch. Bei der Optik!“, bringt es ein Passant auf den Punkt.
Unter der kurzen Haube des Hyundai Staria steckt der bewährte 2,2 Liter-Vierzylinder-Dieselmotor des Hauses. Er leistet hier 130 kW / 177 PS und ist serienmäßig an ein Achtgang-Automatikgetriebe gekoppelt. Nicht nur im Format, sondern auch beim Antrieb positioniert er sich also als direkter Konkurrent zu den etablierten Großraumvans Mercedes-Benz V-Klasse und VW Multivan.
Die Karosserie des Staria ist 5,25 Meter lang und sprengt damit die Fläche von Normparkplätzen. Zum Vergleich: Die V-Klasse „lang“, also die mittlere Version, misst 5,14 Meter. Wie die Mitbewerber bleibt der Staria aber mit einer Höhe von 1,99 Metern knapp unter der Zweimeter-Marke und erlaubt damit eine Einfahrt in die meisten Tief- und Parkgaragen.
Egal, ob man in Parkplätze rangiert oder im Verkehr mitschwimmt. Die niedrige Gürtellinie und schlanke Dachpfosten sorgen für eine optimale Rundumsicht. Wer im Nacken aber weniger flexibel sein mag als die Fünfertruppe im Bushäuschen kann sich auf ein Kamerasystem mit Rundumsicht sowie den Totwinkelassistenten mit Monitoranzeige im Kombiinstrument verlassen.
Neue Cockpit-Architektur
Dieses Display steht weit weg vom Fahrer und über dem Lenkrad. Damit sind die fahrrelevanten Informationen stets direkt im Blickfeld, auf ein Head-up-Display kann verzichtet werden. Vor den Instrumenten ist sogar noch Platz für eines von unzähligen Ablagefächern, bei dem eine gummierte Unterlage das Herumrutschen und Rascheln von Kleinkram verhindert.
Im riesigen Staria-Innenraum wirkt das Infotainmentdisplay auf den ersten Blick klein. Es handelt sich dabei aber um das bekannte 10,25-Zoll-Modul mit Onlineanbindung für Echtzeitverkehrsdaten. Die Bedienung des Menüs auf dem Touchscreen erfolgt logisch. Überraschung: Endlich scheinen die Programmierer auch die Sprachsteuerung im Griff zu haben. Erstmals in einem Hyundai oder Kia der neueren Generation funktioniert die Unterhaltung mit dem Computer ohne ständige Abbrüche wegen angeblich zu lauter Umgebungsgeräusche.
Allradantrieb optional
Laut geht es im Hyundai Staria ohnehin nicht zu. Der Dieselmotor arbeitet diskret im Hintergrund. 430 Newtonmeter Drehmoment stehen ab 1.500 U/min und damit knapp über Standgas bereit. Trotz dieser Kraft wirft der Selbstzünder das Auto aber nicht in Richtung Horizont. Denn mit fast 2,5 Tonnen ist der Staria als Allradversion nicht nur groß, sondern auch schwer.
Die Antriebsoption erlaubt eine variable Verteilung der Antriebskraft zwischen den Achsen von 100% an den Vorderrädern in vier Modi bis zu einer 50-50-Aufteilung. Die lässt sich bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h über die „4WD Lock“-Taste im Cockpit auch fixieren.
Den Allradantrieb brauchen wir heute nicht. Unsere Testfahrt startet vor der Schirn-Kunsthalle in der Frankfurter Innenstadt, zügig geht es über Landstraßen und Autobahnen ins Umland. Das Fahrwerk zeigt sich auf schlechterem Untergrund eher straff. Optionen wie ein Luftfahrwerk (V-Klasse) oder adaptive Dämpfer (Multivan) gibt es für den Hyundai nicht.
Business Class im Fond
Fahrer und Beifahrer sitzen bequem mit viel Platz in alle Richtungen und können dennoch neidisch sein. Denn beim Hyundai Staria Signature, der aktuell einzigen Modellvariante im deutschen Programm, betten sich die Mitfahrer in der zweite Reihe auf „Premium-Relaxsitzen“. Sie sind, wie die erste Reihe, beheiz- und belüftbar. Zusätzlich kann man sie fast flach legen und eine Beinauflage ausfahren. Alles elektrisch versteht sich. Manuell kann man die Sesse zudem auf den Sitzschienen im Boden längsverstellen und auch leicht zur Mitte schieben. Das erinnert an Business-Jets. Wer bringt denn jetzt gleich die Schnittchen?
Der Sitzkomfort verhindert aber ein Umklappen, um die 3er-Bank ganz hinten zu entern. Hier kommt man am besten über die Mitte des Autos zwischen den Relaxsitzen durch. Auch das erinnert ans Fliegen. Hinter dem Cockpit kommt die Business Class, durch die man „in die Eco“ geht. Wobei man im Staria durchaus von Premium Economy sprechen kann. Denn unabhängig von der Längsposition der vorderen Sitze hat man auch hier viel Platz. Becherhalter, Ablagen und USB-Anschlüsse stehen bereit, aber leider keine Isofix-Bügel zur Arretierung von Kindersitzen. Die müssen in der zweiten Reihe montiert werden.
Eine eigene Klimazone für den Fond kann sowohl im Armaturenbrett als auch über ein Bedienfeld hinten eingestellt werden. Schade ist aber, dass sich die hinteren Ausstellfenster nur manuell, nicht aber von vorne elektrisch, bedienen lassen.
Auf Knopfdruck klappt immerhin die Kommunikation. Über „Passenger View“ zeigt eine Innenkamera das Bild aus dem Fond im Infotainment-Display. Außerdem erleichtert „Passenger Talk“ über Mikrofone und Lautsprecher die Unterhaltung untereinander.
Kein perfektes Familienauto
Als Familienauto taugt der Hyundai Staria Signature nur bedingt. Denn das luxuriöse Mobiliar lässt trotz längsverschiebbarer, aber nicht einfach herausnehmbarer, Rücksitzbank nur maximal 431 Liter Kofferraumvolumen zu. Wer Kinderwagen, Hundebox und Co. transportieren möchte, sollte auf die Markteinführung weiterer Modellvarianten des Staria warten.
Die Anhängelast des Diesels beträgt, unabhängig vom optionalen Allradantrieb, 1.500, die Stützlast 100 Kilogramm. Größere Wohnwagen hängen also auch weiterhin bevorzugt an V-Klasse und Multivan mit jeweils 2.500 Kilogramm Anhängelast.
Der Tag der Probefahrten mit dem Hyundai Staria neigt sich dem Ende zu. Genug Zeit, den beachtliche 75 Liter großen Tank leerzufahren, blieb nicht. Also glauben wir dem Bordcomputer, der einen Durchschnittsverbrauch von 9,8 Liter Diesel je 100 Kilometer verrät. Das liegt einen knappen Litern über dem WLTP-Normwert von 8,9 Litern und ist durchschnittliches Klassenniveau.
Das kostet der Staria Signature
Beim Preis hält der Hyundai Staria einen fünfstelligen Abstand zu V-Klasse und Multivan. Beim Signature umfasst die Serienausstattung beispielsweise Nappa-Leder-Bezüge, zwei elektrische Schiebetüren und elektrische Heckklappe, umfangreiche Fahrassistenz und ein famoses BOSE-Soundsystem. Das alles gibt es zum Preis von 56.150 Euro, Allradantrieb kostet 2.000 Euro mehr. Die einzige Option ist, neben allen Lackfarben außer Silber, ein Panorama-Glasdach.
So modern die LED-Scheinwerfer auch aussehen. Außer einem starren Fernlichtassitenten gibt es leider keine adaptiven Lichtfunktionen. Hier dürfen die Koreaner gerne nachlegen. Auch die Garantie sei erwähnt: Während alle Hyundai-PKW eine Fünfjahresgarantie ohne Kilometerbegrenzung mitbringen, sind es beim Staria nur drei Jahre.
Fazit
Hoppla! Der coolste Van kommt jetzt aus Korea. Das futuristische Design des Hyundai Staria sorgt für Aufsehen und bringt mit guter Rundumsicht und viel Platz innen auch praktische Vorzüge. Ambiente und Verarbeitung sind auf hohem Niveau, die Preise liegen deutlich unter den beiden Premium-Konkurrenten.
Der 177 PS starke Dieselmotor passt gut zum großen Reiseauto. Die Ausstattungsversion Signature mit Business Class – Sitzen ist ein tolles Statement, eignet sich mit der eingeschränkten Variabilität aber eher für Shuttledienste als für Familien oder Hobbysportler. Das Modellprogramm dürfte aber zügig ausgebaut werden – bis hin zum Elektro-Staria mit Brennstoffzelle.
Technische Daten
Hyundai Staria 2.2 CRDi Allrad Signature |
|
---|---|
Abgasnorm | Euro 6d |
Hubraum | 2.199 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 130 kW / 177 PS bei 3.800 U/min |
Max. Drehmoment | 430 Nm bei 1.500 - 2.500 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Tankinhalt | 75 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 13,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 185 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 8,9 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,9 Liter (laut Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | 235/55 R18 |
Leergewicht | 2.443 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.253 / 1.997 / 1.990 mm |
Grundpreis | 58.150 Euro |
Testwagenpreis | 59.100 Euro |