Als Hybrid mit V6 und 364 PS Systemleistung sorgt der Q50 für ordentlich Fahrspaß.
Alles wird weltweit gleicher? Was bei Konsumgütern wie Mode stimmen mag, wo die immer gleichen Handelsketten Innenstädte und Shopping-Center austauschbar machen, gilt für den Automobilbereich nur eingeschränkt. Hier herrscht vor allem in Europa noch eine große Portion Patriotismus, Kunden kaufen gerne heimische Marken. Vor allem im Premiumsegment. Cadillac, Lexus oder Infiniti? Nicht mal Randerscheinungen in einem von Audi, BMW und Mercedes-Benz dominierten Markt.
Da helfen auch speziell für unseren Geschmack gebaute Autos wie der kompakte Infiniti Q30, der auf Basis der Mercedes A-Klasse in England montiert wird, nicht. Während die noble Nissan-Schwester in den USA zu den großen Playern gehört, tröpfeln hier nur wenige Autos in Kundengaragen.
Zu Unrecht? Um das zu bestimmen, rollt mit dem Infiniti Q50 die durchaus ansehnliche Mittelklassealternative der Marke zum AUTONOTIZEN-Alltagstest heran. Auch der Q50 ist ein Kind der Kooperation zwischen Daimler und Renault-Nissan. In vielen Bereichen sind Mercedes-Teile im Q50 verbaut, darunter zählen das Automatikgetriebe und auch die Vierzylinder-Motoren als Benziner mit zwei Litern Hubraum und 211 PS sowie der selbstzündende 2,2 Liter mit 170 PS.
Der Testwagen hat die auch für Firmenwagenkunden mit dynamischen Anspruch interessantere Alternative unter der sanft geschwungenen Haube: die Kombination aus einem 3,5 Liter-V6 Benziner mit einem Elektromotor, dazu einen traktionsstarken Allradantrieb. Infiniti Q50 S Hybrid AWD Sport Tech heißt das Auto dann in voller Länge.
306 PS leistet der satt klingende Sechszylinder, in Verbindung mit dem 50 kW starken Elektromotor ergibt sich eine Systemleistung von 268 kW oder 364 PS. Damit gehört der Q50 zu den schnelleren Autos auf dem Asphalt. 5,4 Sekunden werden für den Spurt auf Tempo 100 veranschlagt, 250 km/h Höchstgeschwindigkeit sind Champions League auf der Autobahn.
Tempo baut der Q50 Hybrid auch bei höheren Geschwindigkeiten fix auf, ein Gasbefehl bei 180 Sachen drückt Fahrer und Passagiere mit Nachdruck in die bequemen Sitze. Dabei wird der frei saugende V6 vom Elektromotor unterstützt, was sich im ansatzlosen Nach-vorne-Stürmen ebenso zeigt wie beim Anfahren an der Ampel. Schon auf den ersten Metern mit dem elektrifizierten Infiniti wird klar: er ist mehr Spaß- als Sparmaschine, der Hybrid dient als Herzschrittmacher.
Wirklich nur Spaß? Der Testverbrauch beträgt 10,0 Liter Super auf 100 Kilometer. Erfahren mit langen, schnellen Autobahnetappen und circa 30 Prozent Stadtverkehr. Das ist natürlich deutlich höher als die 6,8 Liter NEFZ-Normverbrauch, aber für eine fix bewegte 364 PS-Limousine mit knapp zwei Tonnen Gewicht durchaus ok.
In den praktisch erlebbaren Fahrleistungen liegt der Infiniti Q50S Hybrid auf Augenhöhe mit starken Dieseln und Benzinern vom Schlage eines BMW 330d oder 340i. Der Verbrauchsvorteil des Diesel dürfte sich auf ungefähr zwei Liter begrenzen. Für viele nicht mehr so Diesel-affine Kunden könnte die Hybrid-Konfiguration des Infiniti also durchaus auch aus ökonomischen Gesichtspunkten interessant sein.
Im Japaner kann man sich schnell geborgen fühlen. Die Vordersitze mit ausziehbarer Oberschenkelauflage sind bequem und bieten ausreichend Seitenhalt. Der schmale, aber nicht zu enge Fußraum ist an der Mittelkonsole mit einer Lederpolsterung begrenzt, die dem Fahrerknie schmeichelt. Nur die – auch ein Benz-Teil – antiquiert wirkende Fußfeststellbremse stört ein wenig.
Antiquert wirkt mittlerweile auch die verschachtelte Bedienung des Q50-Cockpits. 2013 waren die beiden Touchscreen-Displays ihrer Zeit voraus und optisch macht das auch fünf Jahre später noch Eindruck. Träge reagierende Oberflächen und eine oftmals unübersichtliche und keinesfalls intuitive Menüführung verlangen vom Piloten aber viel Geduld und Lernbereitschaft.
Nach einiger Zeit hat man sich damit aber arrangiert und vermisst eigentlich nur eine modernere Smartphone-Integration via Apple Car Play und Anroid Auto. Dann könnte man auch die Navigation des Telefons nutzen und müsste nicht die oftmals langsam reagierende On-Board-Einheit mit TMC-Staudaten verwenden.
Die Fahrassistenten im Infiniti Q50 regeln automatisch, aber recht ruppig, den Abstand zum Vordermann und warnen vor Fahrzeugen im toten Winkel. Der Spurverlassenswarner piept brav. Außerdem gibt es einen aktiven Spurhalteassistenten. Der muss aber nach jedem Motorstart unverständlicherweise neu aktiviert werden und greift meist zu zaghaft ein.
Womit wir beim Thema Lenkung sind. Der Infiniti Q50 hat „Steer by Wire“ an Bord, eine elektronische Lenkung ohne mechanische Verbindung zu den Rädern. Als Back-up ist das herkömmliche System aber weiterhin an Bord, der Gesetzgeber schreibt das (noch) vor.
Neben dem straffen Fahrwerk ist auch die Lenkung eines der Elemente im Q50, die für Fahrfreude sorgen. Befürchtung, dass sie künstlich oder entkoppelt wirkt, sind nach der ersten Kurve verflogen. Alle Befehle zum Richtungswechsel setzt der Q50 direkt und präzise um, sorgt so für eine sehr genaue Linie. Bei höheren Geschwindigkeiten nimmt der Widerstand der Lenkung zu, was sich in einem hervorragenden Geradeauslauf auf langen Autobahnetappen bemerkbar macht.
Viel Licht also und wenig Schatten am und im Infiniti Q50, trotz des recht kleinen Glasschiebedachs. Woran liegt es also, das im vergangenen Jahr nicht mehr als 169 Q50 (über die gesamte Modellreihe) in Deutschland erstmals zugelassen wurden?
Einer größeren Verbreitung steht das immer noch recht dünne Händler- und Servicenetz im Weg, obwohl man mittlerweile nach Nissan-Häuser als Servicepunkte einsetzt. Außerdem darf die Preisgestaltung von Infiniti als durchaus selbstbewusst gelten.
Der Q50-Hybrid Testwagen kostet nach Liste 61.960 Euro, der Metalliclack ist die einzig verfügbare Option. Ein vergleichbar ausgestatteter BMW 340i xDrive Sport Line liegt mit 65.490 Euro nur knapp darüber. Bei den für die Kunden solcher Autos relevanten Leasingkonditionen kann ein Hersteller wie BMW aber spitzer kalkulieren, bei der Monatsrate dürfte der Infiniti das Nachsehen haben.
So empfiehlt sich der Infiniti Q50S Hybrid für Barzahler oder Freiberufler und Selbständige, die einen gepflegten Auftritt beim Kundentermin haben möchten und auf dem Weg dorthin viel Fahrspaß suchen. Drei Worte reichen als Fazit: Kann man machen.
Das ausführliche Video zum Infiniti Q50S Hybrid gibt es unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Infiniti Q50S Sport Tech Hybrid AWD |
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Hubraum | 3.498 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 225 kW / 306 PS bei 6.800 U/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 5.000 U/min / kombiniert 546 Nm |
Getriebe | 7-Gang-Automatik |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 50 kW (68 PS) |
Systemleistung: kW / PS | 268 kW / 364 PS |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,8 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 10,0 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Dunlop SP Sport Maxx 245/40 RF19 Runflat |
Leergewicht | 1.936 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.810 / 1.820 / 1.430 mm |
Grundpreis | 61.100 Euro |
Testwagenpreis | 61.960 Euro |