Kommt er, oder kommt er nicht? Der JAC e-JS4 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Auffallend unauffällig rollt das weiße Auto durch den Ort. Dabei hätte es das eine oder andere „oh“ oder vielleicht sogar einen Smartphone-Schnappschuss verdient. Schließlich fahren wir ein echtes Einzelstück – zumindest auf deutschen Straßen.
Der Jac e-JS4 im Video
Was nichts daran ändert, dass der SUV-Crossover mit seinem solide gezeichneten Allerweltdesign als typischer Asienimport durchgehen darf. Die Front trägt moderne LED-Lichtstreifen über den tief platzierten Hauptscheinwerfern, die Flanken scharfe Kanten und am Heck bleiben die breiten Leuchten mit LED-Haken an den Seiten im Gedächtnis. Der lange vordere Überhang erinnert ein wenig an den Citroën C5 X. Und daran, dass dieses Elektroauto ein umgebauter Verbrenner ist.
Worum geht es überhaupt? Um den JAC e-JS4 aus China. Dieses Exemplar ist das Evaluierungsfahrzeug des Importeurs Indimo Autmotive. Dort kümmert man sich um den Vertrieb des Pick-ups JAC T8 Pro , weitere Modelle der Marke könnten folgen. Wie dieses hier.
Pikantes Detail am Rande: In Russland läuft die Verbrenner-Variante neuerdings als Lizenzprodukt unter der wiederbelebten Marke Moskwitsch vom Band, China beteiligt sich bekanntermaßen nicht an den Sanktionen vieler Staaten.
Viel Platz für Menschen und Gepäck
Zurück zum elektrischen e-JS4. Das Format entspricht mit einer Länge von 4,41 Metern, einer Breite von 1,80 Metern und einer Höhe von 1,66 Metern dem typischen Kompakt-SUV-Format. Das Interieur zeigt sich sehr geräumig, vor allem im Fond. Hier wird es unter der Mechanik des Panorama-Glasschiebedachs nur für große Menschen etwas knapp, zudem sind die Kopfstützen zu kurz. Das Kofferraumvolumen wird mit 520 Litern angegeben. Hinter der Öffnung muss die Ladung tief ins Abteil gehievt werden. Beim Umklappen der geteilten Lehne der Rücksitzbank entsteht eine hohe Stufe. Abhilfe könnte ein doppelter Ladeboden schaffen.
Vorne lässt sich der Fahrersitz teilweise elektrisch verstellen (die Neigung der Lehne muss manuell justiert werden). Wie oft bei Autos aus dem Reich der Mitte ist das Lenkrad nur in der Höhe einstellbar. Trotzdem passt die Sitzposition auch für große Menschen. Dank tiefem Fußraum muss man den Sitz nicht ganz nach hinten fahren.
Moderne Connectivity
Tusch beim Blick auf das große Infotainment-Display. Im Gegensatz zu vielen anderen Autos aus China kann man im JAC e-JS4 das Smartphone via Apple CarPlay und Android Auto integrieren. Zudem hält das Menü des Touchscreens DAB-Radio, eine Bluetooth-Verbindung und eine 360-Grad-Kamerarundumsich parat.
Die Bedienung der Klimaanlage und einige Audio-Funktionen lassen sich über ein großes Feld mit Toch-Flächen steuern. Im Multifunktionslenkrad gibt es dagegen physische Tasten und Kippschalter. Dahinter blickt man auf digitale Instrumente. Bislang macht der JAC e-JS4 also einen ordentlichen Eindruck. Er schmeichelt dem Auge etwas weniger als der Konkurrent Aiways U5, bietet dafür besser ablesbare Displays und eine einfachere Bedienung.
Ruppiges Fahrverhalten
Per Drehschalter auf der Mittelkonsole wird die Fahrstufe „D“ eingelegt und die Testfahrt beginnt. Der Elektromotor treibt die Vorderräder an, entwickelt eine Leistung von bis zu 142 kW / 193 PS. Das maximale Drehmoment liegt bei 340 Newtonmetern. Ein Großteil davon wird leider sehr achtlos auf die Antriebsachse geworfen. Man ist fast gewillt, die Vokabel „Turboloch“ herauszukramen.
Beim Tritt auf das Fahrpedal passiert erst einmal nicht viel, dann überfallen Kraft und Leistung die Michelin Primacy (also keine Billigreifen). Das Ergebnis. Es reicht eine nur leicht feuchte Straße, um die Vorderreifen beim Herausbeschleunigen aus einer Kurve (also in Fahrt, nicht aus dem Stand heraus), nach jenseits der Grip-Grenze zu schicken. Die Traktionskontrolle wird dem kaum Herr.
Ähnlich unausgewogen zeigt sich auch die Lenkung, die vor allem um die Mittellage herum sehr teigig wirkt. Auch das Auto selbst will sich damit nicht herumschlagen. Fahrassistenten wie einen Spurhalteassistenten mit Lenkeingriff gibt es nicht, auch keine Totwinkelüberwachung. Die Geschwindigkeitsregelanlage hält das Tempo, aber mangels Sensorik nicht den Abstand zum Vordermann.
Keine spürbare Rekuperation
In einem Untermenü des Touchscreen-Monitors kann man den Fahrmodus umstellen, spürt bei Verlassen der „Eco“-Stellung einen deutlichen Ruck im Antrieb. Wirklich anders fährt der e-JS4 dann aber auch nicht. Auch eine Rekuperationsstufe lässt sich hier, zumindest laut virtuellem Schieberegler, einstellen. Zu spüren ist davon aber nichts, auch Paddels am Lenkrad fehlen. Also bleibt der Tritt aufs, immerhin gut zu dosierende, Bremspedal.
17,6 kWh Strom je 100 Kilometer soll der Chinese, den Angaben seines Herstellers zufolge, verbrauchen. Laut Anzeige des Bordcomputers (übrigens ohne die Möglichkeit, diesen zu „nullen“, warum auch immer) sind es deutlich über 24 kWh.
Nur 70 kW Ladeleistung
Der 65,7 kWh große Akku im Fahrzeugboden soll nach Norm für eine Reichweite von bis zu 410 Kilometern sorgen, in der Realität also um 260 Kilometer. Und dann ist Warten angesagt. Nur etwa 70 kW ist die Ladeleistung am Schnelllader über den CCS-Anschluss. Unter Idealbedingungen soll der Akku in 45 Minuten auf 80 Prozent seiner Speicherkapazität gebracht werden können. Wohlgemerkt bei 30 Prozent „State of Charge“ als Ausgangswert. Wechselstrom nimmt der JAC dreiphasig mit bis zu 11 kW auf.
Die recht komplette Ausstattung und das großzügige Platzangebot des JAC e-JS4 machen das ruppige und unausgewogene Fahrverhalten nicht wirklich wett. Also könnte er zumindest über den Preis punkten? Als Schnäppchen-Alternative Menschen zum Umstieg oder Einstieg in die Elektromobilität bewegen?
Was soll er kosten?
Damit kommen wir zum Punkt, warum unser Testwagen wohl vorerst ein Einzelstück auf deutschen Straßen bleiben wird (in der Schweiz verkauft ein anderer Importeur das Modell). Nach aktueller Kalkulation kostet der JAC e-JS4 – vor Abzug einer Förderung – 47.590 Eur. In der Bafa-Liste der förderfähigen Fahrzeuge ist der mit einem Netto-Preis von 39.995 Euro aufgeführt.
Damit liegt der Preis auf dem Niveau eines Aiways U5 Prime, aber auch nicht wirklich unter dem von Elektroautos etablierter Marken aus Südkorea. Auch Importeur Indimo Automotive ist sich bewusst, dass der JAC mit diesem Tarif kaum neue Freunde finden wird. Bisher gab es jedoch keine Bewegung beim Hersteller in China, den Einkaufpreis zu senken (auf den dann noch Steuern, Zoll, Händlermarke, Rücklagen für Garantiearbeiten etc. aufgeschlagen werden müssen).
Also bleiben zwei mögliche Wege. Entweder die Chinesen legen Hand am Fahrverhalten sowie der Ladeleistung an, um das Auto technisch massiv aufzuwerten. Oder sie denken doch nochmal über den Preis nach. Viel Zeit bleibt nicht. Das Marktsegment der Elektro-SUV-Crossover wird immer voller.
Fazit
Der JAC e-JS4 ist ein geräumiges Elektroauto mit moderner Ausstattung. Vor allem bei der Abstimmung des Fahrverhaltens, beim Angebot an Assistenzsystemen und der Ladeleistung gibt es aber (zu) viel Nachholbedarf. In dieser Form dürfte der Chinese zum angepeilten Preis kaum Chancen auf einen großen Markterfolg haben.
Technische Daten
JAC e-JS4 |
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Antrieb | Frontantrieb |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 142 kW (193 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 340 Nm |
Batterie | 65,7 kWh Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 70 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 11 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,0 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 150 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 17,6 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 24,2 kWh (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | 225/45 R18 |
Leergewicht | 1.690 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.410 / 1.800 / 1.660 mm |
Grundpreis | ca. 47.600 Euro (geplant) |