Der Maserati Ghibli mit 350 PS und Hinterradantrieb im Alltagstest.
Es liegt nicht nur am dramatischen Klangteppich, den die vier Endrohre basslastig in die Welt werfen. Auch im Stand lockt der Maserati Ghibli interessierte Menschen an, „mal gucken“ und „was ist denn das?“. Unabhängig vom Reiz der italienischen Marke, den Maserati auch dieser Tage noch in großen Portionen versprüht, ist der Ghibli auch ein relativ unbekanntes Wesen.
Da mag verwundern, wo die aktuelle Baureihe doch schon seit 2013 auf dem Markt ist? Übrigens als dritte Ghibli-Generation in der Geschichte, aber erstmals als viertürige Limousine. Mit ihm trat die Mannschaft aus Modena an, Fahrer hochpreisiger Firmenwagen vom Format üppig motorisierter BMW 5er oder Mercedes E-Klassen für sich zu gewinnen.
Der Ghibli im Video-Review
Das hat bislang nicht so gut funktioniert. 2019 wurden ganze 303 Maserati Ghibli in Deutschland auf die Straße gebracht. Das Verharren in der Nische mag einerseits an den fast selbstzerstörerisch subventionierten Leasingraten der großen Konzerne liegen, andererseits aber auch am oben erwähnten Nimbus der Marke. Mit einem Maserati beim Kunden oder Geschäftspartner vorzufahren, kann schnell Neid und Missgunst auslösen.
Bleiben also Solo-Selbständige, Freiberufler, Gastronomen und andere Menschen, die schlicht und einfach keinen Porsche fahren wollen. Die greifen dann auch nicht unbedingt zum Diesel (auch den gibt es im Ghibli), sondern zum Benziner.
Im schlicht Maserati Ghibli betitelten Grundmodell er Baureihe kommt der Viertürer mit einer 350 PS starken Ausbaustufe des doppelt aufgeladenen Dreiliter-V6 und Hinterradantrieb. Klassisches Sportlimousinen-Layout.
Ferrari baut den Maserati-Motor
Ganz neuzeitlich beugt sich aber auch der große Italiener mit dem bei Ferrari zusammengeschraubten Motor den EU-Emissionswerten. Nach dem Anlassen, das nach dem Druck auf die Sportmodus-Taste die Base Drum hinzuholt, fällt der rechte Fuß auf das Gaspedal. Die Achtgang-Wandlerautomatik ist bereit.
Jetzt könnte es eigentlich direkt nach vorne gehen. Aber der Ghibli hält kurz inne. Der Sound geht in Deckung, das Auto rollt an anstatt loszuschießen. Erst mit ein bisschen Geschwindigkeit und Drehzahl donnert das Fahrgerät ungestüm nach vorne. Eine ähnliche Anfahrverzögerung lässt sich übrigens auch beim Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio und vielen starken Audi-Modellen feststellen.
In 5,5 Sekunden geht es laut Datenblatt auf 100 km/h. Einfacher nachzufühlen sind 267 km/h Höchstgeschwindigkeit auf der leeren Autobahn. Egal, aus welchem Tempo. Der Ghibli stürmt auch als „Basismodell“ von 130, 180 oder 210 km/h nach vorne, markiert den Sportler. Das adaptive Skyhook-Fahrwerk – Bestandteil des Ausstattungspakets GranSport – sorgt für eine verbindliche und dennoch komfortable Rückmeldung vom Asphalt.
Bequeme Sitze, enger Fond
Vier Passagiere sitzen auf bequemem Mobiliar, auch die beiden Passagiere auf der Rücksitzbank freuen sich über ordentlichen Seitenhalt. Theoretisch kann hier auch eine fünfte Person mitfahren. Nicht erst dann wird es eng, denn für Beine und Köpfe bietet der Fond des Ghibli eher überschaubare Ressourcen.
Mit einem 8,4 Zoll großen Touchscreen in der Mittelkonsole sowie einer Smartphone-Integration über Apple CarPlay und Anroid Auto ist der Maserati Ghibli in Sachen Connectivity und Infotainment auf der Höhe der Zeit. Die Bedienstruktur des Menüs, von Konzernschwester Jeep übernommen, ist aber teilweise verwirrend. Eher enttäuschend ist der Klang des optionalen Harman/Kardon-Soundsystems, dem druckvolle Bässe fehlen.
Die adaptiven Matrix-LED-Scheinwerfer bringen viel Licht ins Dunkel. Wer nachts die eigene Familie nicht durch den Sound der Abgasanlage geweckt hat, kann die Türe sanft anlehnen. Die beim GranSport serienmäßige Soft-Close-Automatik zieht sie leise zu.
Weniger diskret, weil sehr regelmäßig, gelingt der Besuch an der Stammtankstelle. Als Kostverächter will der Maserati Ghibli nicht durchgehen. Er wie aus den vollen gefräst wirkt, hat auch Appetit: 16 Liter Testverbrauch auf 100 Kilometer sprechen ihre eigene Sprache. Aber wir hatten das weiter oben schon – für Langstreckenkunden lässt Maserati den Ghibli ja bei Bedarf auch selbstzünden.
Fazit zum Maserati Ghibli
Stabile Schaltwippen aus Metall, eine direkte Lenkung, tolle Sitze und ein brachialer Klang. Der Maserati Ghibli ist auch mit 350 PS und Hinterradantrieb ein Statement emotionsgeladener Autobaukultur.
Gleichzeitig wirkt er etwa aus der Zeit gefallen, was Maserati in Kürze mit der Premiere des Ghibli Hybrid wieder geraderücken will. Ob das funktioniert? Wir werden berichten…
Technische Daten
Maserati Ghibli GranSport |
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Abgasnorm | Euro 6d |
Hubraum | 2.979 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 257 kW / 350 PS bei 5.000 U7min |
Max. Drehmoment | 500 Nm bei 1.750 - 4.500 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,5 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 267 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 10,7 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 16 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli P Zero 245/40 ZR20 v. / 285/35 ZR20 h. |
Leergewicht | 1.810 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.971 / 1.945 / 1.461 mm |
Grundpreis | 84.770 Euro (GranSport) |
Testwagenpreis | ca. 101.000 Euro |