Microlino im Alltag Mit Retro-Charme in die Zukunft?

Der Microlino im Alltagstest mit Video-Review

Selten hat ein Testwagen mehr Aufmerksamkeit erregt, wurde öfter fotografiert und gefilmt (nicht nur von uns!). Noch nie wurde der AUTONOTIZEN-QR-Code öfter mit dem Smartphone gescannt.

Auffallend sympathisch

Der Microlino fällt weitaus stärker auf als Supersportwagen oder Luxuslimousinen. Er ist zwar bisher noch ebenso selten im Straßenbild anzutreffen, punktet aber vor allem mit einem sympathischen Auftritt. Ältere Mitmenschen werden durch ihn nicht nur an das Design-Vorbild Isetta erinnert, sondern an die Zeit der Massenmobilisierung in Deutschland mit Kabinenroller Lloyd und Co. Jüngere Passanten finden den Microlino einfach „knuffig“, „süß“ und „hinreißend“ – so einige Zitate aus den letzten Tagen.

Über den Zeitraum von 14 Tagen war der Microlino im AUTONOTIZEN-Alltagstest unterwegs. Dabei legten wir Stadt- und Überlandfahrten zurück, um einen typischen Pendleralltag darzustellen. Gleichzeitig konnte der Microlino nach dem ersten Fahrbericht zeigen, was er im täglichen Umgang kann und was nicht.

Der Microlino im Video

Das große Aufsehen, sobald der Winzling die Szenerie betritt, reiß nie ab. In hohe Verkaufszahlen wurde der Auftritt bisher noch nicht übersetzt. Das liegt zum Teil an den hohen Preisen. Als L7e-Modell mit einer auf 90 km/h beschränkten Höchstgeschwindigkeit und 12,5 kW (17 PS) starkem Elektromotor kostet der Microlino ab 17.490 Euro. Dann steckt ein 5,5 kWh großer Akku im Auto, der für eine maximale Reichweite von 93 Kilometern ausgelegt ist. Der 10,5-kWh-Akku im Testwagen, womit nach Herstellerangaben bis zu 177 Kilometer machbar sind, schlägt mit weiteren 2.000 Euro zu Buche. Wer mehr braucht, zahlt weitere 1.000 Euro für 15 kWh Batteriekapazität.

Neu im Programm ist der Microlino Lite, der in der Fahrzeugklasse L6e zuhause ist. Ihn kann man, dank einer auf 45 km/h beschränkten Höchstgeschwindigkeit mit einem Führerschein der Klasse AM schon ab einem Alter von 15 Jahren (je nach Bundesland) fahren. Mit einem Preis von 17.990 Euro ist aber auch der Microlino Lite kein Schnäppchen, andere Hersteller bieten vierrädrige Roller-Alternativen deutlich unter 10.000 Euro an. Beide Zulassungsklassen, L7e und L6e, sehen weniger starke Sicherheitsvorkehrungen vor. Airbags, ABS oder ESP sind nicht an Bord.

Einen weiteren Punkt, der den Microlino-Absatz bisher nur langsam in Fahrt bringen ließ, verortet der Importeur im Vertrieb. Hier soll mit der Akquisition von weiteren Händlern nachgelegt werden.

Der Test

Microlino Test 2024 Alltag Video

Unser Testwagen hat die 10,5 kWh große Batterie hinter der Rücksitzbank stecken. Um den Akku zu laden, ist ersteinmal Parken angesagt. 2,6 kW Ladeleistung gibt der Hersteller an. Die erreicht (und übertrifft) der Microlino jedoch nur an einer 22-kW-Ladesäule. Dort parkt er dann vier bis fünf Stunden, um sich die Batteriezellen mit Elektronen vollzuschlagen. An der heimischen Wallbox dauert die (annähernde) Vollladung eine ganze Nacht.

Unterwegs ist die 12,5 kW starke ausreichend spurtstark, um gut im Verkehr mitzuschwimmen. Bis zu einem Tempo von 50 km/h halten sich die Geräusche in Grenzen. Darüber jault der undeämmte Elektromotor immer lauter. Eine längere Ladstraßenstrecke mit "Vollstrom" 90 km/h bedeutet Stress für das Gehör. Die Federwege zeigen mit starker Seitenneigung in Kurven (was nie unsicher wirkt) ihre Präsenz, nicht jedoch beim Überfahren von Querfugen und Gullideckeln. Mit den kleinen 13-Zoll-Rädern rumpelt der Microlino teils heftig über Unebenheiten.

Die Zweierbank ist, auch mit Passagier an Bord, bequem, zudem passt das Platzangebot. Das Mobiliar kann in der Länge manuell verstellt werden, das Lenkrad steht fix. Die Instrumente dahinter sind gut ablesbar, leider fehlt aber eine Angabe zur noch möglichen Reichweite. Man muss sich also mit der Füllstandsangabe in Prozent arrangieren und diesen Wert im Auge behalten. Die vom Werk genannte Reichweite konnte der Microlino im Test (obwohl der Sport-Modus nur einmal kurz verwendert wurde) nicht erreichen. 110 bis 125 Kilometer Radius waren machbar, bevor man den Zwerg ans Kabel legen musste. Das entspricht einem Stromverbrauch von knapp unter 10 kWh je 100 Kilometer.

Microlino Test 2024 Alltag Video

Gut nutzbar ist der Kofferraum, der sich hinter der großen Heckklappe verbirgt. Wer vor dem Wochenendeinkauf erst noch im Fitnessstudio vorbeischauen möchte, bekommt danach alles locker unter. Auf dem Heimweg genießt man dann die Frischluft, die durch das serienmäßige Faltdach hereinkommt.

Bei schlechem Wetter gefallen die LED-Scheinwerfer mit guter Lichtausbeute und der fleißige Einzel-Scheibenwischer. Bei Regen beschlägt diese aber sehr schnell. Abholfe schafft eine Lüftungsfunktion, die über das Touch-Display im Cockpit zu aktivieren ist. Gleichzeitig frisst der Zuheizer aber viel Reichweite. Kleiner Tipp: Wenn man beide Schiebefenster einen Spalt weit öffnet, verhindert man stark beschlagene Scheiben, trotzdem wird es im Auto nicht nass. Für den Klimakomfort ohne zu viel Stromverbrauch würde man sich aber (nicht nur) dann eine Sitzheizung wünschen.

Fazit

Microlino Test 2024 Alltag Video

Der Microlino ist sympathisch und praktisch für Kurzstrecken im urbanen Raum. Nur die Fronttür ist manchmal etwas umständlich, vor allem in engen Parklücken. Der 10,5 kWh große Akku ist für viele urbane Strecken ausreichend, wenngleich der Microlino im Test die vom Werk angegebene Reichweite nicht schafft. Der täglich Umgang wird durch die geringe Ladeleistung, die lange Standzeiten bedingt, erschwert.

Als Alternative zum Roller ist der Microlino zu teuer, auch angesichts der teils hemdsärmeligen Verarbeitung. Der Zweisitzer dürfte so in gutsiuierten Haushalten als Drittwagen für die Kinder oder für gelegentliche Fahrten angeschafft werden. Somit ist er also kein zentraler Bestandteil einer möglichen Verkehrswende, aber immerhin eine Bereicherung im Straßenbild.

Technische Daten

Microlino

Antriebsart Elektro
Antrieb Heckantrieb
Maximale Leistung kW / PS 12,5 kW (17 PS)
Max. Drehmoment 89 Nm
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Batterie 10,5 kWh
Batterie: Typ Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 2,2 kW
Beschleuningung 0-100 km/h n/a
Höchstgeschwindigkeit 90 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 5,9 - 6,6 kWh
Reichweite nach Norm 177 km
Leergewicht 513 kg
Länge / Breite / Höhe 2,52 / 1,47 / 1,50 Meter
Basispreis Baureihe 19.490 Euro (L7e)
Basispreis Modellvariante 21.490 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad