Der Ora Funky Cat im ersten Fahrbericht mit Video-Review. Was kann das neue Elektroauto aus China?
Neue Marke, neues Auto. Das chinesische Label Ora, Teil der Great Wall Motors Gruppe, kommt jetzt mit dem Funky Cat auf den deutschen Markt. Etwa anderthalb Jahre nach dem ersten Debut auf der IAA Mobility im September 2021 rollt das kompakte Elektroauto zu rund 140 Händlern.
Vorab können wir zu ersten Testfahrten mit dem Chinesen starten. Was kann der Fünftürer, der gerne ähnlich viel Lifestyle transportieren möchte wie Mini und Co.? Um das herauszufinden, steht ein Ora Funky Cat 400 Pro+ in der Farbe Mars Red mit schwarzem Dach bereit. Die kryptische Typenbezeichnung erfordert Klärungsbedarf.
Der Ora Funky Cat im Video
Unter der Motorhaube (ja, wirklich) steckt in jedem Funky Cat eine Elektromaschine mit 126 kW (171 PS) maximaler Leistung, welche die Vorderräder antreibt. Die Variantenvielfalt entsteht durch zwei Batterietypen. Im Basismodell mit der Zusatzbezeichnung 300 steckt ein Lithium-Eisenphosphat-Akku mit 47,8 (netto nutzbar 45,4) kWh Speicherkapazität. Die Reichweite gibt der Hersteller nach WLTP-Norm mit 310 Kilometern an, was in der Typbezeichnung resultiert. Also schafft der Ora Funky Cat 400 ebenso viele Kilometer? Richtig, und zwar als sportlich angehauchtes GT-Modell. Die Varianten Pro und Pro+ schaffen sogar 420 Kilometer Radius nach Norm.
Die Bezeichnung Pro beschreibt eine höhere Ausstattungslinie. Neben der Grundausrüstung, die u.a. Navigationssystem, Einparksensoren am Heck, 360-Grad-Kamera, Klimaautomatik und viele Fahrassistenten beinhaltet, kommen hier zusätzlich elektrisch verstellbare Sitze, induktives Laden für das Smartphone, Sitz- und Lenkradheizung sowie weitere Komfortextras hinzu.
Ganz schön teuer!
Nur mit dem großen Akku gibt es die Variante Pro+, die in Sachen Serienausstattung nochmal nachlegt: Elektrische Heckklappe, Einparksensoren auch vorne, Parkassistent, Panorama-Glasdach, Sitzventilation und Massagefunktion vorne sowie eine Wärmepumpe sind ab Werk mit dabei.
Die Metalliclackierung mit Kontrastfarbe kommt bei unserem Testwagen als einziges Extra hinzu. Gut ausgestattet ist der Ora Funky Cat also. Und trotzdem ein Schnäppchen? Leider nein. Schon die Basisversion ist mit 38.990 Euro nicht wirklich günstig. Der hier und um Video abgebildete Testwagen hat, inklusive optionaler Lackierung, einen Listenpreis von stolzen 48.480 Euro.
Mal zur Einordnung: Der Mini Electric startet bei 35.200 Euro. Im Gegenzug ist der Brite dann nicht nur recht nackig, sondern auch kleiner, nur zweitürig und hat eine deutlich geringere Reichweite. Aber dafür trägt er auch viel Lifestyle mit sich herum.
Ein Cupra Born wirkt da pragmatischer. Er ist aber auch ein Fünftürer, hat mindestens 58 kWh Speicherkapazität und einen deutlich größeren Kofferraum aus der Ora Funky Cat. Der in Zwickau gebaute Spanier kostet mit 150 kW (204 PS) ab 38.770 Euro. Mit Fahrassistenzpaket, Navigation und weiteren Optionen in etwa auf das Ausstattungsniveau des Ora Funky Cat 400 Pro+ konfiguriert, kostet der Born 43.660 Euro (alle Preise Stand Januar 2023).
Der Newcomer aus China ist also kein Billigheimer. Ob Importeur und Händler, zum Start gibt es rund 140 Niederlassungen für Ora, es schaffen, von Anfang an ein Image aufzubauen, das diese Preise rechtfertigt?
Außen funky, innen braver
Bei einer jungen Zielgruppe will der Funky Cat zuerst mit seinem Design punkten. Ob man die vielen Runden mit Anklängen bei Mini (Scheinwerfer) VW Käfer (Motorhaube) oder Nissan Leaf (Schwung im Heck) gut findet, oder nicht, ist Geschmackssache. In einer Zeit, in der fast alle Marken und Modelle mit grimmigen Gesichtern und markanten Sicken umherfahren, fällt das leichte, fast fröhliche Ora-Abbild im Straßenverkehr durchaus positiv auf.
Der Innenraum zeigt sich weniger „Funky“ als gedacht, in seiner aufgeräumten Art könnte man ihn sich auch in einen VW träumen. Ein- oder zweifarbige Farbstrukturen werden angeboten, wir sitzen in einer Mischung aus Rot und Grau. Nicht nur die Verarbeitung ist sehr ordentlich, auch die durchweg lederfreien Materialien gefallen haptisch und optisch. Das gilt vor allem für die gesteppten Einlagen in den Türverkleidungen.
Kleinwagen-Kofferraum
Platz gibt es vorne und hinten reichlich. Im Fond übertrifft der Knieraum des Ora Funky Cat viele Mitbewerber, die Kopffreiheit leidet aber unter den verkleideten Scharnieren der Heckklappe. Die Insassen standen im Lastenheft weiter oben als Gepäck. Mickrige 228 Liter fasst der Kofferraum hinter einer hohen Ladekante. Die meisten Kleinwagen schaffen deutlich mehr.
Zwei große Displays bestimmen das Cockpit, dominieren aber nicht die Wohnwelt. Stolz sind die Ora-Marketer auf eine scheinbar „innovative Sprachsteuerung“. Sie kann frei gesprochene Befehle umsetzen und damit beispielsweise Sitzheizung oder die Massagefunktion zu steuern. Das können aber die Systeme in vielen anderen Autos auch. Als Innovation könnte man also maximal den kleinen Avatar bezeichnen, der den Sprachbefehl in Text auf dem Display umsetzt (ein geschickter Schachzug, damit die Wartezeit kürzer erscheint). Oder die Möglichkeit, den Zuruf für das Auto frei zu wählen. Egal, ob Uschi, Klaus-Dieter oder wie auch immer. Der Ora redet selber auch ganz gerne. Unterwegs wird man ständig von Sprachausgaben unterbrochen. Sei es, weil man die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage aktiviert oder ausschaltet. Oder weil das System ständig denkt, der Fahrer sei abgelenkt oder „geistesabwesend“.
Die Bedienung auf dem zentralen Touchscreen gelingt über logische Menüs, wird aber mit sehr kleinen Feldern erschwert. Auch die Energierekuperation muss hier eingestellt werden, ebenso die Funktion für das Ein-Pedal-Fahren. Während der Fahrt lenkt das zu stark ab.
Ein Navigationssystem ist serienmäßig an Bord. Kundenfahrzeuge sollen auch Ladepausen und entsprechende Säulen in die Routenplanung mit integrieren, unser Testwagen kann das noch nicht. Auch Apple CarPlay und Android Auto fehlen. Die Smartphone-Integration soll in naher Zukunft über ein Software-Update aufgespielt werden können.
Ein feiner Kurvenräuber
Kommen wir zur Hardware. Eines kann der Ora Funky Cat richtig gut: Fahren! Auf den engen und teils welligen Landstraßen der Baleareninsel Mallorca gefällt die Fahrwerksabstimmung sehr gut. Der Elektro-Chinese liegt satt auf dem Asphalt, federt straff, aber nicht unkomfortabel. Auch Serpentinenstrecken machen Freude. Der Fronttriebler lässt sich erst sehr spät zum Untersteuern hinreißen, die Lenkung ist – trotz leichter Taubheit um die Mittellage – ausreichend direkt. Störend ist aber das viel zu große Lenkrad, an dem man kurbelt wie ein Piratenkapitän auf seinem Schiff.
Über einen Knopf links vom Lenkrad lassen sich, untermalt von kurzen Soundtracks, die Fahrmodi einstellen. Im Sport-Modus wird der Funky Cat ein kleines bisschen wilder. Der Auto-Modus reicht aber auch zum Spaßhaben voll aus.
Wird der Ora also zum Gegner für den Mini, an den er nicht nur vom Konzept, sondern auch mit einer Kippschaltertaste im Armaturenbrett erinnert? Der BMW-Kleinwagen ist schon noch deutlich agiler, die Katze ist ihm aber auf den Fersen. Mal sehen, was passiert, wenn Great Wall Motor eine Sportversion mit zweitem Motor und Allradantrieb nachschieben sollte.
Der Verbrauch: 16,2 kWh auf 100 km
16,2 kWh Stromverbrauch auf 100 Kilometer zeigt der Bordcomputer am Ende des Testtages an. Ein guter Wert, da wir nur wenig in der Stadt und meist auf kurvigen Landstraßen unterwegs waren. Damit liegt der Ora, zumindest der Anzeige nach zu urteilen, knapp unter dem WLTP-Normverbrauch von 16,5 kWh. Mit einer Akkuladung kämen wir also rund 350 Kilometer weit.
Dann beginnt, das wird auch ein späterer Alltags-Test klären, das lange Warten am Schnelllader. Die maximale Ladeleistung, die Ora angibt, wirkt nämlich arg antiquiert. Nur 67 kW sollen es über den CCS-Anschluss sein – Cupra, VW und MG schaffen etwa das Doppelte.
Die meisten Ora-Fahrer dürften ihr Auto wohl an der heimischen Wallbox laden, hier sind 11 kW (dreiphasig) machbar. Nach fünf bis sechs Stunden ist der Akku also wieder voll unter Strom.
Fazit
Ob man den Ora Funky Cat mit seinem süßen Blick und dem rundlichen Design mag oder nicht, ist Geschmackssache. Unbestreitbar sind die Qualitäten, die er auf der Straße beweist. Der Chinese fährt agil und vermittelt Fahrspaß, ist aber kein harter Prügelknabe.
Das Infotainment bekommt noch die nötigen Updates für Navigation und Smartphone-Einbindung. Dann stört nur der kleine Kofferraum. Noch mehr dürfte aber das Preisgefüge für Stirnrunzeln sorgen. Wird es die Marke Ora aus dem Nichts schaffen, einen edlen Lifestyle-Kompakten erfolgreich im Markt positionieren zu können? 6.000 Autos sollen 2023 bei uns verkauft werden. Wir werden gespannt auf die Zulassungsstatistiken blicken.
Technische Daten
Ora Funky Cat 400 Pro+ |
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Antrieb | Frontantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 126 kW (171 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 250 Nm |
Batterie | 63,1 (netto 59,3) kWh, Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 67 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 11 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,2 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 16,5 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 16,2 kWh (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli Cinturato P7 215/50 R18 |
Leergewicht | 1.615 - 1.655 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.235 / 1.825 / 1.603 mm |
Grundpreis | 47.490 Euro |
Testwagenpreis | 48.480 Euro |