Der neue Renault Megane E-Tech Electric im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Ein Revoluzzer ist er eigentlich gar nicht, der neue Renault Megane E-Tech Electric. Auch wenn er als erstes neues Modell der Marke seinen Einstand feiert, nachdem Konzernchef Luca de Meo die „Renaulution“ ausgerufen hat. Als das geschah, war das neue Elektroauto schon fertig. Premiere feierte es auf der IAA Mobility im September 2021.
Der Megane E-Tech im Video
Damit ging eine lange Wartezeit zu Ende. Denn nachdem die französische Marke sehr früh auf Elektroautos setzte und vom Twizy über den Zoe bis zum Fluence Z.E. (wer kennt den noch?) eine ganze E-Flotte lancierte, passierte dann lange nichts mehr. Eine umfangreiche Überarbeitung des Zoe mal ausgenommen.
Gemeinsam mit den japanischen Partnern in der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz wurde eine komplett neue Plattform entwickelt. CMF-EV nennt sie sich, erstmals gezeigt im Concept Car zum neuen Nissan Ariya. Noch bevor die Japaner ihr SUV vom Stapel lassen, kommt in diesem Frühjahr der Renault Megane E-Tech Electric zum Händler.
Endlich mal kein SUV
Der lange Name muss sein, denn er wird parallel zum bekannten Mégane angeboten. Ihr gibt es als kompakten Fünftürer und Kombi auch als elektrifizierte Variante mit dem Beinamen E-Tech. Und, wer hat es gemerkt? Auch mit „Accent aigu“. Der fehlt beim Elektro-Bruder. Ein bisschen Revolution darf also doch sein.
Immerhin für Augenmerk sorgt das Format des neuen Renault. Denn es ist ja schon arg individuell, im Jahr 2022 ein neues Auto vorzustellen, das kein SUV oder Crossover ist. Die großen Räder lassen zwar auf den ersten Blick anderes vermuten, aber der neue Megane ist ein kompakter Fünftürer.
Mit 4,20 Metern Länge ist er sogar 16 Zentimeter kürzer als sein Verbrenner-Pendant und auch sechs Zentimeter kompakter als der VW ID.3.
Die gedrungene Form des Renault Megane E-Tech Electric wird nicht nur durch die mit knapp über 1,50 Metern überschaubare Höhe betont, sondern auch durch flache Scheiben. Vor allem die breite C-Säule (mit ergonomisch suboptimalen Türgriffen) und die kleine Heckscheibe erschweren die Rundumsicht im Franzosen enorm.
Ansonsten bleibt wenig Grund zum Klagen. Das nur elf Zentimeter flache Batteriepaket im Fahrzeugboden ermöglicht eine Sitzposition ohne zu stark angewinkelte Beine im Fond. Knieraum und Kopffreiheit werden zwar im Test etwas knapp, der Autor dieser Zeilen misst aber auch große 1,92 Meter.
Fahrer und Beifahrer freuen sich über breite und hohe Rückenlehnen. Gerne dürften sie Sitzflächen aber länger ausfallen und weniger nach vorne abfallen. Die Stoffbezüge der Ausstattungslinie Techno, für die sich die Marktstrategen in Deutschland den größten Verkaufsanteil ausmalen, wirken haptisch angenehm. Sie bestehen sie aus Recycling-Material, das gehört ja bei aktuellen (Elektro-)Autos zum guten Ton.
Google Inside
Auch die Armaturentafel ist mit Stoff bespannt, darunter schimmert eine LED-Leiste für die Ambientebeleuchtung. Große Displays bestimmen die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Der Touchscreen für das Infotainmentsystem, aber der zweiten Ausstattungslinie Evolution zwölf Zoll groß, ist leicht zum Fahrer geneigt. Das erleichtert die Erreichbarkeit.
Für das Betriebssystem setzt Renault auf Android Automotive. Aus dem Play Store lassen sich somit Apps wie Spotify herunterladen, die über das Hauptmenü direkt angesteuert werden können. Um die Routenführung kümmert sich Google Maps mit Echtzeit-Verkehrsdaten, der Google Assistant steht als kompetente Sprachsteuerung bereit.
Unter dem Display kann das Smartphone induktiv geladen werden. Auch für dessen Integration wird kein Kabel benötigt. Android Auto und Apple CarPlay funktionieren „wireless“.
Gutes Bedienkonzept
Die wichtigsten Klimafunktionen lassen sich über hochwertige Kippschalter befehligen. Zum vollen Bedienungsglück fehlt nur noch ein Drehregler für die Audio-Lautstärke. Hier setzt Renault weiterhin auf einen Bediensatteliten hinter dem Lenkrad, der den Platz rechts von der Lenksäule zusätzlich zu Scheibenwischerhebel und dem Bedienarm für das Eingang-Reduktionsgetriebe ganz schön füllt.
Dennoch darf dem Megane eine deutlich bessere Bedienstruktur zugestanden werden als aktuellen Modellen aus dem Volkswagen-Konzern. Von dort hat man sich die „View“-Taste im Multifunktionslenkrad abgeschaut. Mit ihr lassen sich Navigationskarte, Fahrassistenten oder eine reduzierte Ansicht im ebenfalls zwölf Zoll großen Display vor dem Fahrer aktivieren. Ein Head-up Display wird nicht angeboten.
Dafür wäre wohl auch kein Bauraum vorhanden. Denn anders als VW ID.3 und Cupra Born, die zu den stärksten Konkurrenten des Renault zählen, hat der Franzose Motor und Antrieb vorne im Auto verstaut.
Langsames Laden in der Basis
Der fremderregte Synchronmotor steht in zwei Leistungsstufen zur Wahl: Mit 96 kW (131 PS) und 160 kW (218 PS) Leistung. Im Grundmodell ist ein (netto) 40 kWh großer Akku eingebaut. Dessen verhältnismäßig niedriger Grundpreis von 35.200 Euro (vor Abzug der Umweltprämie) ist mit Vorsicht zu genießen. Denn schnelles Laden von Gleichstrom über einen CCS-Anschluss mit dann immerhin 85 kW und ein 22 kW-Onboard-Charger sind nur für 1.900 Euro Aufpreis erhältlich.
Mit dem 60-kWh-Batteriepaket steigt die Ladeleistung auf bis zu 130 kW, für eine Steigerung des Ladezustands von null auf 80 Prozent sollen dann im Idealfall 42 Minuten vergehen. Reichweitenkönig in der Modellpalette ist der Renault Megane E-Tech Electric mit großem Akku und 96-kW-Motor. Für ihn werden nach WLTP-Norm 470 Kilometer angegeben. Unwesentlich geringer fällt der Radius mit 450 Kilometern für die 160-kW-Variante aus.
Das ist der Megane, mit dem die ersten Testfahrten absolviert werden. Auf Landstraßen in Südspanien reiht sich der Megane entspannt in den Verkehr ein. Über den Multi-Sense-Taster im Lenkrad lassen sich die einzelnen Fahrprogramme durchschalten. „Eco“ lässt den Antrieb deutlich schwächer wirken, „Sport“ sorgt für stärkere Beschleunigung. Die große Spreizung gefällt, gleichwohl ist in jeder Stufe ein minimal verzögertes Ansprechverhalten der E-Maschine spürbar.
Der Comfort-Modus erweist sich schnell als gelungener Kompromiss. Auch dann, als wir spontan rechts abbiegen und „der Nase nach“ fahren. Kurzer Blick über das weite Tal auf schier endlose Serpentinen. Also wieder rein ins Auto und „Vollstrom“.
Frontantrieb mit Traktionsproblemen
Dank des 394 Kilogramm schweren Akkus im Boden liegt der Megane satt auf der Straße. Die sehr direkte Lenkung sorgt für viel Kurvenspaß und eine direkte Rückmeldung. Für das tägliche Pendeln im Alltag dürfte sie aber fast zu spitz ausgelegt sein.
Beim Herausbeschleunigen aus engen Kehren kommt der Fronttriebler auch auf trockenem Asphalt schnell an die Grenzen seiner Traktion. Daran dürften aber auch die Reifen mit Schuld haben. Denn die GoodYear Efficient Grip legen wohl mehr Wert auf Effizienz als auf maximale Verzahnung mit dem Untergrund. Das spürt man auch in schnellen Wechselkurven, in denen der Megane gerne auch mal über alle vier Räder nach außen schiebt.
Im Alltag mit einem kompakten Elektroauto dürfte das eine weniger große Rolle spielen, es sollte hier aber nicht unerwähnt bleiben. Zum „Hot Hatch“ wird der Renault also nicht. Vielleicht schieben die Franzosen später einmal eine Variante mit Allradantrieb (und anderer Serienbereifung) nach.
Komm mal runter!
Wer den Berg herauf fährt, muss auch mal wieder ´runterkommen. Gut, dass ein Flipperautomat an Bord ist. Gemeint sind die Schaltwippen, mit denen sich die Energierekuperation in vier Stufen bis hin zum One-Pedal-Feeling einstellen lässt. Die gut erreichbaren Wippen helfen jetzt dabei, das vor jeder Kurve zielgenau zu dosieren.
Ein alltagsgerechter Stromverbrauch lässt sich so nicht ermitteln, zudem ist die Zeit an einem Tag für erste Probefahrten auch zu knapp bemessen, um den Akku leerzufahren und wieder nachzuladen. Also muss den Angaben des Bordcomputers geglaubt werden, der Werte um 19 kWh je 100 Kilometer anzeigt. Ein akzeptabler Wert.
Das kostet der Elektro-Megane
Vom genannten Basispreis ist der Testwagen weit entfernt. Als Megane E-Tech Electric Techno mit dem stärkeren Motor und großem Akku kostet er laut Preisliste mindestens 44.700 Euro. Eine Wärmepumpe ist dann noch nicht an Bord, sie verlangt nach einer Zuzahlung von 1.100 Euro. Mit allerlei Ausstattungspaketen (inklusive verzichtbarem Display statt Innenspiegel) und Metallic-Zweifarblackierung summiert sich der Preis des Test-Renault auf 49.900 Euro, von denen dann noch 9.570 Euro Umweltprämie (inklusive Mehrwertsteuer auf den Herstelleranteil) abgezogen werden können.
Preis-Vergleich mit dem VW ID.3
Damit liegt der Renault Megane auf einem Niveau mit dem VW ID.3, der vergleichbar ausgestattet auch an der 50.000-Euro-Marke kratzt. Betrachtet man die Basisausstattungen, wirken die Tarife für den Renault noch selbstbewusster. Als Equilibre mit 60 kWh-Akku und 160 kW kostet der Renault 41.700 Euro. Ein VW ID.3 mit 58 kWh netto nutzbarer Speicherkapazität und 150 kW (204 PS) ist 46.920 Euro teurer. Der Franzose ist aber nicht nur etwas besser ausgestattet, sondern wirkt im Innenraum auch deutlich hochwertiger und besser verarbeitet.
Gibt es andere Konkurrenz?
Im Marktumfeld der kompakten Elektroautos muss sich der Renault Megane auch den Koreanern Hyundai Kona Elektro (mit 39,2 kWh ab 35.650 Euro) und Kia e-Niro (mit gleichem Akku ab 38.290 Euro) stellen. Ebenfalls aus Frankreich stammt ein weiterer Mitbewerber: Der Citroën ë-C4 hat einen 50 kWh großen Lithium-Ionen-Akku und einen 100 kW (136 PS) starken Antrieb. Er kostet ab 36.640 Euro, liegt also auf dem Niveau des Renault.
Potenzielle Kunden sollten also einige Modelle zur Probe fahren, um eine Entscheidung zu treffen. Die Automobil-Presse dürfte sich eine Vielzahl von Vergleichstests vornehmen.
Fazit
Das lange Warten auf einen neuen Elektro-Renault hat sich gelohnt. Der Megane E-Tech Electric gefällt mit gutem Package und ausreichenden Platzverhältnissen. Unabhängig vom Antriebskonzept ist er aber vor allem ein guter Kompakter. Verarbeitung und Materialqualität wissen zu gefallen, die Bedienung gelingt problemlos. Selbstbewusst darf er also sein, der Megane – was sich auch an den Preisen zeigt.
Wer es zügiger angehen lässt, muss mit den teils spürbaren Traktionsproblemen des Frontantriebs rechnen. Mehr Grip in Kurven könnte Renault beim Wechsel der Reifenausstattung möglich machen. Achtung beim Basismodell: Spätestens beim Restwert und somit auch bei der Kalkulation der Leasingrate dürfte sich der Aufpreis für den CCS-Anschluss und den 22-kW-Onboard-Charger bezahlt machen.
Technische Daten
Renault Mégane E-Tech Electric EV60 Techno |
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Antrieb | Frontantrieb |
Maximale Leistung kW / PS | 160 kW (218 PS) |
Max. Drehmoment | 300 Nm |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Batterie | 60 kWh (netto), Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 130 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 22 kW |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 16,1 kWh, Reichweite 450 km |
Reifenmarke und –format des Testwagens | GoodYear Efficient Grip 215/45 R20 |
Leergewicht | 1.783 kg |
Anhängelast (gebremst) | 900 kg, Stützlast 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.200 / 1.768 / 1.505 mm |
Grundpreis | 44.700 Euro |
Testwagenpreis | 49.900 Euro |