Das neue Renault-Topmodell im Fahrbericht mit Video-Review.
Ein großes Fließheck-Modell als Krönung der Palette fehlte bei Renault stets nur temporär – auch wenn R25, Safrane und Vel Satis (zwar mit Knick, aber großer Klappe) vor allem in Deutschland nie mehr als Nischenangebote für Individualisten waren. Diese Tradition setzt jetzt der Renault Rafale fort – zeitgeistig als SUV-Derivat. Seine Position als Chef im Ring will der vor allem als Plug-in Hybrid mit 300 PS Systemleistung untermauern, die jetzt zusätzlich zum Vollhybriden mit 200 PS auf den Markt kommt.
Der Fahrbericht im Video
In die Technik unter dem 4,71 Meter langen Blechkleid floss dabei so viel Hirnschmalz, dass für Namensfindung nicht mehr allzu viel Kreativität übriggeblieben ist: Renault Rafale E-Tech 4x4 300 (PS) heißt der Neuling. Damit ist er umfassen beschrieben. E-Tech heißen bei den Franzosen die elektrifizierten und elektrischen Autos. 4x4 weist auf den Allradantrieb hin, die Zahl 300 auf die Leistung.
Übernommen wird der an sich schon komplex zu erklärende Drei-Maschinen-Antrieb des Rafale Hybrid (den es auch in den Schwestermodellen Austral und Espace gibt): Ein 1,2 Liter großer Dreizylinder-Benziner arbeitet im Team mit einem 51 kW (69 PS) starken Elektromotor, dazu kommt ein Generator (E-Motor) mit 25 kW (34 PS). Der Verbrenner bekam für den Einsatz im Topmodell einen größeren Turbolader verpasst. Damit steigt die Leistung auf 110 kW / 150 PS, das Drehmoment auf 230 Newtonmeter bei bei 1.750 U/min.
Das Zusatzpaket besteht nicht nur aus einem 22 kWh großen Akku im Fahrzeugboden, der leider nur einphasig mit maximal 7,4 kW (in Deutschland also 4,6 kW) geladen werden kann, sondern auch aus einem weiteren Elektromotor im Heck. Er treibt mit 100 kW (136 PS) die Hinterräder an, sein Drehmoment liegt bei 195 Nm.
Einziger Renault mit Heckantrieb
Je nach Fahrmodus und Fahrzustand kann der vollvariable Allradantrieb über die Elektromotoren bis zu 100 Prozent der aktuell verfügbaren Antriebskraft an eine der beiden Achsen schicken. Im Comfort-Modus ist der Rafale bei Geschwindigkeiten über 70 km/h auch mal als reiner Hecktriebler unterwegs.
Wir sind auf ersten Testfahrten mit dem Rafale als sportlich-edler Atelier Alpine (eine neue Ausstattungslinie für den Plug-in Hybriden) unterwegs. Unser Tagesplan schraubt uns über unzählige Kurven und Kehren des Col de Turini die Berge über Nizza und Monaco hinauf.
Der Effizienz des PHEVs, der nach WLTP-Norm im kombinierten Fahrzyklus bis zu 97 Kilometer weit kommen soll, spüren wir gerne bei einem späteren Alltagstest nach. Heute wird über die Multi-Sense-Taste (oder über den Hochkant-Touchscreen) der Sport-Modus gewählt. Die Layouts der Digital-Instrumente wechseln in ein rotes Farbschema, die Antriebssteuerung stellt stets die volle Leistung bereit. Der Allradantrieb des Rafal ist in diesem Fahrprogramm hecklastig ausgelegt: Bis zu 70 Prozent der Kraft gelangen an die Hinterräder, maximal 30 Prozent nach vorn.
Die auch vom Vollhybriden bekannte Allradlenkung, bei Renault unter dem Namen 4Control bekannt, ist ebenfalls Teil der Serienausstattung. Sie steuert je nach Fahr-Modus und Geschwindigkeit den Lenkeinschlag. In langsamen Kehren dreht sie die Hinterräder gegensinnig ein. Wir sind dankbar, denn nur so kann der Rafal auf den engen Bergstraßen in einem Zug um die Ecken biegen. Bei höherem Tempo verbessert ein gleichsinniges Einschlagen der Vorderräder die Fahrstabilität. Wie die Kraftverteilung kann man die Arbeit der Allradlenkung auf dem Infotainment-Display ablesen.
Hier werden außerdem die Routenempfehlungen von Google Maps angezeigt, die sich auch ins Instrumenten-Display und in das optional erhältliche Head-up-Display konfigurieren lassen. Die Routenführungs-App ist Teil der Standardausstattung mit Android Automotive. Auch der Google Assistant und der Play Store für den Download von Apps fahren mit.
Was können Fahrwerk und Lenkung?
Zurück zur automobilen Hard- und Software. Als Atelier Alpine bringt der Renault Rafale nicht nur Matrix-LED-Scheinwerfer mit adaptiver Lichtsteuerung mit, sondern auch 21 Zoll große Felgen. Sie sorgen für ein stets straffes Set-Up, auch mit der serienmäßigen Adaptiv-Federung. Eine Kamera hinter der Windschutzscheibe übermittelt Informationen zur Beschaffenheit der Straße an den Zentralrechner, der die Dämpfer in Echtzeit ansteuert. Den sportlichen Grundton behält der Rafale bei, will also nicht als komfortable Sänfte missverstanden wissen. Im tempolimitierten Frankreich können wir die Höchstgeschwindigkeit von – elektronisch limitierten – 180 km/h nicht ausprobieren. Für den Spurt auf 100 km/h gibt der Hersteller den Wert von 6,4 Sekunden an.
Wichtiger im Alltag als nackte Zahlen ist das Fahrgefühl. Die Zusammenarbeit von Lenkung und Fahrwerk macht bei eiliger Kurvenfahrt durchaus Laune, der große Renault hält zuverlässig die selbstgewählte Ideallinie. Sein hohes Gewicht von knapp über zwei Tonnen (immerhin 300 Kilogramm über dem 200-PS-Hybrid) kann er beim hurtigen Richtungswechsel aber nicht verheimlichen.
Die Vordersitze bieten guten Seitenhalt. Große Menschen wünschen sich aber etwas mehr Lehnenbreite im oberen Rückenbereich – sie wäre brauchbarer als das hinterleuchtete Alpine-Logo in der Perforation des Mikrofaser-Bezugs. Das Raumangebot im Fond ist üppig, zumindest in Sachen Knie- und Kopffreiheit. Der Akku des Plug-in Hybrids hebt den Innenboden an – stärker angewinkelte Beine der Passagiere in der zweiten Reihe sind die Folge. Ein gutes Detail sind die Halteschienen für Tablets und Smartphones in der hinteren Mittelarmlehne.
Das Kofferraumvolumen liegt mit 529 Litern auf gutem Niveau. Durch den zusätzlichen Motor im Heck fehlt dem Rafale E-Tech 4x4 300 das Kellerabteil unter dem doppelten Ladeboden, deswegen hat der Vollhybrid mit 627 Litern nominell einen Vorteil. Die Lehne der Rücksitzbank ist dreigeteilt nach vorne umklappbar, leider entsteht dann eine hohe Stufe im Ladeabteil. Die Anhängelast beträgt 1.500 Kilogramm.
Und der Verbrauch?
Der aufmerksame Leser wird es schon gemerkt haben: Beim ersten Kennenlern-Date mit dem PHEV ging es uns nich darum, Reichweite und Effizienz auszuloten. Im Datenblatt steht ein WLTP-Normverbrauch von 22,8 kWh Strom und 0,6 Litern Benzin je 100 Kilometer, bei weitgehend entladenem Akku sind es 6,2 Liter.
Wir haben uns auf den Testfahrten für das Hybrid-Programm entschieden, bei dem die Steuerelektronik die Maschinen orchestriert, dazu der Sportmodus zum Ausloten der fahrdynamischen Versprechungen. Dazu kommt die wenig effiziente Bergauf-Hatz (die nur teilweise durch die Rekuperation beim Bergabfahren wieder gutgemacht werden kann). Am Ende des Tages meldet der Bordcomputer einen Verbrauch von 26,8 kWh und 5,5 Litern je 100 Kilometer.
Der teuerste Renault
Seine Rolle als Topmodell im Renault-Programm untermauert der Rafale auch im Konfigurator der Marke. Als Plug-in Hybrid ist er zudem nur als Esprit Alpine (beim Hybrid die zweite Linie) und Atelier Alpine zu haben. Mit 53.300 Euro verlangt er, im Vergleich mit dem Rafale E-Tech Full Hybrid 200, als Esprit Alpine einen Aufschlag von 5.000 Euro.
Im Atelier-Alpine-Zwirn steigt der Listenpreis auf 57.800 Euro. Dann fahren 21 statt 20 Zoll große Räder, das adaptive Fahrwerk, Heizung für Lenkrad und Windschutzscheibe, Matrix-LED-Scheinwerfer, eine 360-Grad-Kamera-Rundumsicht, die erweiterte Assistenzausstattung, elektrische Heckklapp und Sitzmemory zusätzlich mit.
Unser Testwagen in „Gipfel-Blau satiniert“, dem „Solarbay“ genannten Glasdach mit steuerbarer Lichtdurchlässigkeit, Harman/Kardon-Soundsystem und Head-up-Display kommt auf 62.850 Euro. Kleinlich: Ab Werk fährt nur ein Ladekabel für die Haushaltssteckdose mit, das zweite für das Aufladen des Akkus an einer Wallbox oder Ladesäule kostet extra.
Preis-Vergleich mit der Konkurrenz
Zur Zielgruppe des Renault Rafale E-Tech 4x4 300 dürften vornehmlich „User Chooser“ bei der Wahl des Firmenwagens gehören, die beim Plug-in Hybriden von der reduzierten Versteuerung des geldwerten Vorteils (0,5 statt 1,0 Prozent vom Brutto-Listenpreis) profitieren.
Diese Kunden dürften beim Ausschau nach einem PHEV auch einen Mazda CX-60 im Auge haben. Er kostet als Homura mit vergleichbarer Ausstattung 61.400 Euro. Auch im Beuteschema könnte der Cupra Terramar VZ eHybrid liegen. Der Tiguan-Bruder kommt als Plug-in Hybrid mit über 100 Kilometer Reichweite und 272 PS Systemleistung, aber im Gegensatz zu CX-60 und Rafale nur mit Frontantrieb. Der in Ungarn gebaute Spanier kostet laut Preisliste mit entsprechener Ausstattung 61.275 Euro (alle Preise Stand November 2024).
Fazit
Der neue Renault Rafale E-Tech 4x4 300 zeigt mit viel Technik, umfangreicher Ausstattung und hohen Preisen seinen Anspruch, das Topmodell der Marke zu sein. Ein Sportwagen ist er trotz der hohen Systemleistung jedoch nicht. Als Plug-in Hybrid spricht er aufgrund des Steuervorteils vor allem Fahrer von Firmenwagen an. Dabei müssen die Kunden nicht unbedingt eine frankophile Ader haben, der Rafale bietet viele handfeste Vorteile. Die Preise liegen auf dem Niveau der Import-Konkurrenz, jetzt müssen die Vertriebs-Strategen gute Leasing-Pakete schnüren.
Einmal mehr gefällt die Integration der Google-Software für Navigation und Sprachsteuerung (bei der Zieleingabe) in einem Modell der französischen Marke, die kein langes Einlernen erfordert. Das war früher vor dem Schrägheck anders…
Die technischen Daten finden sich unter dem folgenden Video zum Renault Rafale E-Tech Full Hybrid 200
Technische Daten
Renault Rafale E-Tech 4x4 300 |
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Antriebsart | Plug-in Hybrid |
Antrieb | elektrischer Allradantrieb |
Hubraum | 1.199 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 3 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 KW / 150 PS bei 5.500 U/min |
Max. Drehmoment | 230 Nm bei 1.750 U/min |
Getriebe | Multimode-Getriebe |
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW | 51 kW (69 PS) |
Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment | 205 Nm |
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW | 100 kW (136 PS) |
Elektromotor hinten: Maximales Drehmoment | 195 Nm |
Systemleistung: kW / PS | 221 kW / 300 PS |
Batterie | 22 kWh |
Batterie: Typ | Lithium-Ionen |
Tankinhalt | 55 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 22,7 kWh |
Norm-Verbrauch auf 100km | 0,6 Liter / bei leerem Akku 6,2 Liter |
Reichweite nach Norm | elektrische Reichweite 97 km |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 26,8 kWh |
Verbrauch real auf 100km | 5,5 Liter |
Kofferraumvolumen | 529 - 1.836 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Sport Contact 7 245/40 R21 |
Leergewicht | 2.025 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Stützlast | 85 kg |
Dachlast | 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.710 / 1.886 / 1.613 mm |
Basispreis Baureihe | 43.800 Euro (Hybrid Techno) / 53.300 Euro (Plug-in Hybrid Esprit Alpine) |
Basispreis Modellvariante | 57.800 Euro |
Testwagenpreis | 62.850 Euro |