Der VW Golf bekommt ein Infotainmentupdate. Hardware und Software wurden erneuert. Der Golf GTD im Alltagstest mit Video-Review.
Als im Herbst 2019 die aktuelle, achte Generation des VW Golf vorgestellt wurde wagten die Wolfsburger eine Gratwanderung. Mit flachen Scheinwerfern samt Lidstrich in den Kotflügeln, einer weit nach unten gezogenen Motorhaube und abermals mehr Kanten im Heck wurde das Design des kompakten Bestsellers zwar abermals evolutionär weiterentwickelt – aber doch deutlicher als bisher (wenn man den Schritt von Golf IV auf Golf V mal außer Acht lässt).
Der Golf GTD im Video
Die eigentliche Revolution fand aber im Innenraum statt. VW wollte nicht auf die ersten ID-Elektroautos oder ein Nischenmodell warten, um das digitale Zeitalter zu eröffnen. Man ging „all in“ und nutzte den Golf.
Touchscreen-Symbole statt Knöpfe, Slider statt Drehregler. Sämtliche Funktionen, die der Fahrer oder der Beifahrer einstellen will, werden per Software erkannt und gesteuert. Alles schön und gut, nur fühlte man sich manchmal in Zeiten von Windows 95 zurückversetzt. Mal fuhr das System minutenlang hoch, verzögerte Reaktionen des Touchscreens sorgten für Verdruss. Die Sprachsteuerung verstand oft nur „Bahnhof“ (nur nicht dann, wenn man zum Bahnhof navigieren wollte) und das Smartphone ließ sich manchmal nicht koppeln.
Neue Chips, neue Grafikkarte
Die Kritik wuchs und blieb auch in Wolfsburg nicht ungehört. Dennoch dauerte es im großen Konzern einige Zeit, bis ein verbessertes System zum Einsatz kam. Jetzt ist es so weit. Alle neu produzierten VW Golf profitieren von neuer Hard- und Software. Bis zu 25-mal mehr Leistung sollen die Prozessoren bieten, dazu kommt eine dreimal leistungsstärkere Grafikkarte. Außerdem haben die Programmierer die Software überarbeitet, logische Schritte des Computergehirns dabei verkürzt. Was das bringt? Das konnten wir mit einem aktuellen VW Golf GTD ausprobieren.
Die Unterschiede sind schon beim Start erkennbar. Das Infotainmentsystem, für größtmögliche Komplexität im Testwagen natürlich in oberster Ausbaustufe, ist ganz fix zur Stelle. Berührungen auf dem 10-Zoll-Display werden gefühlt in Echtzeit erkannt und umgesetzt, das Treffen der richtigen Funktion ist auch in Untermenüs kein Ratespiel mehr.
Außerdem werden versehentliche Fehlbedienungen ausgeschlossen. Sobald sich der Finger dem Touchscreen nähert, wird die Bedieninsel in der Mittelkonsole deaktiviert. Man wechselt also nicht aus Versehen mit dem Handballen ins Fahrmodus-Menü oder die Klimaeinstellungen. Sobald der Finger auf dem Display aufliegt, sind auch die Slider für Lautstärke und Temperatur ohne Funktion.
Sie bleiben leider auch weiterhin unbeleuchtet. Um das zu ändern, bedarf es tieferer Einschnitte im Cockpit. Vielleicht muss man dafür bis zum Golf-Facelift warten. Dafür klappt die kabellose Verbindung mit dem iPhone über Apple CarPlay prima, Auto und Telefon verbinden sich, noch bevor man losgefahren ist.
Fixer fuktioniert jetzt auch die Sprachsteuerung. VW verspricht eine „Verständnisquote von 95 Prozent“. Im Test wurden beispielsweise Wünsche nach Restaurants oder Klimafunktionen relativ schnell und fehlerlos verarbeitet. Digitale Mikrofone erkennen zudem, ob der Fahrer oder der Beifahrer spricht. Wichtig für den Zuruf „Hallo Volkswagen, mir ist kalt“, um die Zweizonenklimaautomatik auf der jeweiligen Seite zu steuern.
Softwareupdate für Kundenfahrzeuge
Die neue Hardware in Verbindung mit den Nacharbeiten bei der Software bringen also tatsächlich eine deutliche Verbesserung. Gleichwohl machen sie den VW Golf nicht zum Musterschüler bei der Infotainment-Bedienung.
Kundenfahrzeuge sollen im Laufe des Jahres, zumindest teilweise, in den Genuss der Überarbeitung kommen. Neue Chips und eine neue Grafikkarte werden nicht eingebaut, aber immerhin kann in der Werkstatt die neue Software aufgespielt werden. Dabei handelt sich es um eine freiwillige Serviceaktion. Ein Update „over the air“, also über das Internet, ist nicht möglich.
Der Golf GTD im Test
Unter dem Infotainmentdisplay pulsiert im Testwagen der Startknopf auf der Mittelkonsole. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit, auch das Auto im Alltagstest zu bewegen. Denn als GTD fuhr der Golf bislang noch nicht vor. Nun gut, die Vorzeichen könnten besser stehen. Teure Spritpreise, insbesondere beim Dieselkraftstoff, machen den starken Selbstzünder im Moment nicht unbedingt zum Wunschkandidaten potenzieller Kunden.
Das ändert aber nichts am guten Eindruck, den das Auto hinterlässt. Der doppelt abgasgereinigte TDI (Twindosing mit zwei SCR-Katalysatoren) leistet maximal 147 kW / 200 PS und entwickelt ein Drehmoment von 400 Newtonmetern.
Fern, schnell, gut
Nach dem Kaltstart grummelt der Diesel nur ganz kurz, bleibt dann wieder dezent im Hintergrund. Auf den ersten Kilometern innerorts wirkt der Golf GTD bulliger als der GTI, mehr wie in Bodybuilder im Vergleich zum Athleten. Auf der Langstrecke zeigt der Diesel aber seine Marathonqualitäten.
Der große Mono-Turbolader (einen Bi-TDI gibt es wegen dem zweiten SCR-Katalysator bei VW nicht mehr) drückt mächtig. Auf der Autobahn schiebt der Antrieb den Golf GTD mühelos voran. Auch Beschleunigungswünsche bei 180 km/h und mehr werden ansatzlos umgesetzt, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 245 km/h.
6,4 Liter Testverbrauch
Das sind kurze Eskapaden, meist schwimmt man locker im Verkehr mit. Auch hier gibt sich der Golf GTD keine Blöße, der Vierzylinder wird nur bei starker Beschleunigung und hohen Drehzahlen kurz laut. Im Testalltag verbrauchte der Wolfsburger, trotz teils dynamischer Fortbewegung, nur 6,4 Liter Dieselsprit je 100 Kilometer. Wer größtenteils über Landstraßen in Büro pendelt, schafft aber auch locker Werte an die fünf Liter.
Die Strecken müssten aber schon weiter sein, um in diesen Tagen noch einen schnellen finanziellen Vorteil gegenüber dem GTI (oder gar dem noch geförderten GTE) herauszufahren. Mit Preisen ab 40.815 Euro ist auch der GTD selbstbewusst kalkuliert, kostet zudem 2.565 Euro mehr als der reine Benziner mit 245 PS. Dazu kommen die meist höheren Versicherungstarife des Diesels.
Fazit
Neue Chips und das Software-Update für die Infotainmentbedienung sind ein großer Schritt, zumindest für den VW Golf. Endlich funktioniert das System so, wie man es von Anfang an erwarten durfte. Dazu gehören aber auch weiterhin die unbeleuchteten und deswegen zumindest nachts unbrauchbaren Slider.
Als GTD beweist der VW Golf hohe Langstreckenqualitäten, garniert mit sportlicher Optik und hervorragenden Sportsitzen. Die Argumente für den starken Diesel werden aktuell aufgrund der Spritpreisentwicklung aber immer weniger.
Technische Daten
VW Golf GTD |
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Antrieb | Frontantrieb |
Abgasnorm | Euro 6d-ISC-FCM |
Hubraum | 1.968 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 147 kW / 200 PS |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1.750 - 3.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 245 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,2 - 5,4 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 6,4 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Hankook 235/35 R19 |
Leergewicht | 1.466 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.600 kg, Stützlast 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.287 / 1.789 / 1.478 mm |
Grundpreis | 40.815 Euro |
Testwagenpreis | 52.470 Euro |