Der VW ID.3 startet zum Langzeit-Test. Was kann das Elektroauto im Winter?
Das erste VW-Modell auf Basis des MEB (Modularer Elektroantriebs-Baukasten) hatte es nicht leicht. Zum Marktstart im Jahr 2020 verhagelte die Corona-Pandemie große Sausen in den Autohäusern und damit zahlreiche Kundenkontakte. Vielleicht besser so – denn mit seinem tristen Innenraum, harten Plastikverkleidungen und störrischer Software zog der VW ID.3 viel Groll auf sich.
Der Start zum Test im Video
Der Neustart für die Marke ins Elektrozeitalter schien ein Hürdenlauf zu werden. Immerhin blieb man in Wolfsburg nicht tatenlos. Während fleißig neue Codezeilen getippt wurden, gingen auch die Designer nochmal ans Werk. Das allzu pummelige Design des ID.3 wurde nachgebügelt – als eiliges Facelift vor der eigentlichen Überarbeitung zur Mitte des Produkt-Lebenszyklus.
Der neue Stoßfänger mit außen liegenden, vertikal angeordneten Lüftungsschlitzen macht das Auto optisch breiter. Die neue Motorhaube mit fehlender schwarzer Leiste vor der Windschutzscheibe sorgt für mehr Pkw-Style. Dazu gibt es geänderte Rückleuchten, zwei neue Farben und neue Raddesigns.
Soft Skills im Cockpit
Das Interieur wurde mit unterschäumten Kunststoffen am Armaturenbrett und, je nach Ausstattung, Mikrofaser-Auskleidungen auf Sitzen und Türverkleidungen aufgehübscht. Die zu Beginn aufpreispflichtige Mittelkonsole mit Ablagen und Becherhalten ist seit der Überarbeitung in jedem ID.3 Teil der Serienausstattung.
Die wirre Bedienung wurde mit Touch-Feldern zur Ansteuerung wichtiger Menüpunkte etwas entzerrt, das Infotainment-Display wuchs auf eine Diagonale von 12 Zoll. Die Slider für Temperatur und Audio-Lautstärke bleiben im ID.3 aber auch weiterhin nachts dunkel. Außerdem bekommt der Kompakte noch nicht die neue Bedienstruktur mit feststehenden Leisten auf dem Touchscreen-Display, wie sie mit dem großen VW ID.7 eingeführt und schrittweise konzernweit ausgerollt wird.
Was bringt der Winter?
Wird der VW ID.3 im zweiten Anlauf zum Gefährten? Um das herauszufinden, tritt das Elektroauto zum AUTONOTIZEN-Langzeittest an. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, wie gut der E-Antrieb im Winter funktioniert und welche Reichweite erzielt werden kann.
Der Testwagen hat für die kalte Jahreszeit vorgesorgt, er ist mit der optionalen Wärmepumpe ausgestattet. Auch sonst zeigt die Konfiguration des im neuen Farbton „Dark Olivine Green“ lackierten ID.3 fast alles, was der Konfigurator so hergibt. Das Interieurpaket Plus bringt die erwähnten Mikrofaserbezüge auf ErgoActive-Sitzen mit elektrischer Verstellung und ausziehbarer Oberschenkelauflage mit. Vor allem große Fahrer wissen das zu schätzen. Auch eine Massagefunktion für Fahrer und Copilot ist an Bord. Leider muss man hier aber mit einem Programm Vorlieb nehmen, eine Auswahl ist nicht möglich.
Die IQ.Light genannten Matrix-LED-Scheinwerfer als Teil des Exterieurpakets Plus legen einen hellen Lichtteppich auf den Asphalt. Gegenverkehr, Fußgänger und blendende Schilder werden zuverlässig ausgeschnitten. Vor allem in der dunklen Jahreszeit dürfte ich das Optionslicht als lohnenswerte Option erweisen.
Viel Komfort mit DCC
Das Facelift hat am gewohnt guten Fahrkomfort des ID.3 nichts geändert. Im Comfort-Modus des DCC- Fahrwerks mit adaptiver Dämpfersteuerung (Exterieurpaket Plus) wogt der VW über die Straße, schwingt manchmal nach Wellen dezent nach. Wer das nicht mag, kann den virtuellen Schieberegler auf dem Touchscreen in Richtung „Normal“ stellen oder das entsprechende Programm auswählen. „Sport“ mit straffer Note passt weniger gut.
Denn mit seinem 150 kW (204 PS) starken Elektroantrieb ist der VW ID.3 zwar ausgewogen und völlig ausreichend motorisiert, aber kein Sportler. Diese Rolle wird dem 2024 kommenden ID.3 GTX mit mehr Power im Heck zuteil.
In der Variante Pro S steckt der größere von zwei zur Wahl stehenden Akkus mit 77 kWh nutzbarer Speicherkapazität (brutto 82 kWh) im Fahrzeugboden. Den WLTP-Normverbrauch gibt der Hersteller für den Viersitzer (nur der ID.3 mit 58-kWh-Akku hat eine Dreier-Sitzbank im Fond) mit 14,9 kWh auf 100 Kilometern an, die Reichweite soll bei bis zu 571 Kilometern liegen.
Entspannt auf der Langstrecke
In den ersten Tagen mit Überlandverkehr pendelt sich der Stromverbrauch bei Werten um 17,5 kWh / 100 km ein. Auch eine längere Autobahnstrecke mit knapp 300 Kilometern wurde bereits abgespult. Dabei hielt der gewohnt zuverlässig funktionierende Travel Assist das Tempo meist im Geschwindigkeitsbereich um 130 km/h, auf kurzeen Stücken wurde bis 154 km/h beschleunigt.
Die Verkehrszeichenerkennung gibt Informationen über Limits, inklusive deren tageszeitlicher Limitierung, schnell und zuverlässig an die Software weiter. Die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage wird entsprechend eingestellt und kehrt bei aufgehobener Begrenzung auf den zuvor eingestellten Wert zurück.
Schnellladen entlang der Route
Nach 293 Kilometern (ohne Stauf oder Stopp-and-Go-Phasen) geht es an den 300-kW-Schnelllader von Aral Pulse, der Ladezustand des Lithium-Ionen-Akku liegt bei 17 Prozent. Nach dem Anschluss des CCS-Steckers klettert die Anzeige an der Säule fix auf den Bereich von 137 bis 139 kW und verharrt dort längere Zeit. Bei einer Außentemperatur von 2 Grad Celsius (aber warmem Akku und über das Navigationssystem geplantem Ladestopp) wird der Maximalwert von 170 kW also nicht erreicht. Immerhin bleibt die hohe Leistung konstant bis rund 50 Prozent SoC (State-of-Charge), fällt dann in Richtung 90 und bei 80 Prozent auf 81 kW ab. Bis dahin sind 30 Minuten vergangen, im Elektroauto-Alltag würde man jetzt den Ladevorgang stoppen.
Zur Kontrolle wird weiter Strom gezapft. Bei 90 Prozent Ladezustand sinkt die Leistung auf 60 kW. Das bedeutet: Selbst dann lädt der VW ID.3 noch deutlich schneller als der Ora Funky Cat im Peak . Der Verbrauch auf der Autobahnstrecke: 21,8 kWh auf 100 Kilometer - ein guter Wert.
Preis-Vergleich mit dem ID.7
Der VW ID.3 Pro S mit größerem Akku kostet 47.595 Euro, er liegt 7.600 Euro über dem Basismodell mit 58 kWh. Die vielen Optionen des Testwagens summieren den Gesamtpreis auf 59.120 Euro (mit 19-Zoll-Felgen ohne Berücksichtigung der Winterbereifung).
Viel Geld für ein Auto. Ob der ID.3 auch den richtigen Gegenwert bietet, wird der Test zeigen. Schon jetzt ist es erstaunlich, wie gering der Abstand zum deutlich größeren ID.7 ausfällt. Die Limousine mit 210 kW (286 PS) starkem Heckmotor und 77 kWh Akkukapazität kostet ab 56.995 Euro, ist serienmäßig mit dem Augmented-Reality-Head-up-Display, dem Assistenzpaket Travel Assist und Navigationssystem mit 15-Zoll-Display ausgestattet.
Ein annähernd auf gleichem Niveau ausstaffierter VW ID.3 Pro S mit identischem Akku kostet 52.340 Euro, der Preisabstand liegt also bei 4.655 Euro. Kein Betrag, den man mal eben in der Hosentasche mit sich führt – aber durchaus ein Ansporn für die Vertriebsstrategen und Verkaufsberater, den ID.3 bei Leasing und Finanzierung spitz zu kalkulieren.
Erstes Fazit
Fahrkomfort und Platzangebot des VW ID.3 liegen auf hohem Niveau. Die ersten Kilometer des Langzeit-Tests bestätigen das erneut. Die Software ist mittlerweile etwas fixer geworden, aber noch immer blickt man manchmal länger als gewollt auf die Worte „bitte warten“.
In den kommenden Monaten werde ich viel Zeit im kompakten Elektro-VW verbringen und, da kommt die mit dem Facelift aufgehübschte Wohnwelt zum rechten Moment. Erfahrungen zum Fahrverhalten, der Reichweite und der Ladeleistung folgen an dieser Stelle.
Technische Daten
VW ID.3 Pro S |
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Antrieb | Heckantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 150 kW (204 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 70 kW (95 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 310 Nm |
Batterie | 82 kWh (netto 77 kWh), Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 170 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 11 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 14,9 - 15,8 kWh |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Goodyear UltraGrip Performance+ 215/50 R19 |
Leergewicht | 1.951 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.264 / 1.809 / 1.564 mm |
Grundpreis | 47.595 Euro |
Testwagenpreis | 59.120 Euro |