Rover 3500 VandenPlas EFi Ausfahrt Rover 3500 VandenPlas EFi

Alleinstehend, keine Nachkommen, in Würde gealtert.

 Ausfahrt Rover 3500 VandenPlas EFi

Bitte hereinspaziert in die Zeitmaschine, setzen und anschnallen. Obwohl der DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“ auch ein britisches Automobil war, geben wir ein anderes Ziel ein: Die 1950er Jahre. Damals brach die Fusionitis unter einer kaum überschaubaren Anzahl englischer Autobauer aus. Leyland Motors Ltd., unter anderem mit den Marken Standard- Triumph und Rover, schloss sich mit der British Motor Company – dem Schirm über Austin und Morris – zusammen. Zehn Jahre später kaufte BMC nicht nur den marktführenden Anbieter von Karosserieblechen (Pressed Steel) sondern auch Jaguar-Daimler dazu. Eine Vielzahl von Modellen wurde am Markt vorbei entwickelt, Flops häuften sich und das Management hatte auch in Führungsfragen nicht immer ein glückliches Händchen. Auch die Teilverstaatlichung der Firma brauchte nicht den erhofften Wandel; Ende der 60er Jahre begann der lange Abstieg des Konzerns, bis hin zum Bankrott. Die letzte Scherbe war die Rover Group, deren Schicksal spätestens mit dem Verkauf an BMW besiegelt wurde. Heute sind die verbliebenen Marken in fremden Händen. Teils erfolgreich wie Mini bei BMW und Jaguar-Land Rover beim indischen Konzern Tata, teils unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie MG in chinesischen Händen, die ihre gesichtslosen Modelle zwar auf heiligem Boden in Birmingham fertigen, aber selbst in England kaum Käufer dafür finden.

Anfang der 70er Jahre sah dort die Welt noch besser aus. Extrem motiviert wurde von Rover- und Triumph-Ingenieuren die „Special Division“ zur Entwicklung neuer Modelle für beide Premiummarken gegründet. Projekt Nummer 1, kurz SD1, feierte 1976 als Rover 3500 Premiere.

Genau ein solcher steht nun vor mir, Baujahr 1984 und im zurückhaltenden Aurum White lackiert. Britisch korrekt nehmen wir uns gerne die Zeit und erwähnen den vollen Namen: Rover 3500 Vanden Plas Efi. Das muss sein, denn dieses Modell ist extrem selten. Ganz genau 1.039 Exemplare wurden gefertigt, nachdem der häufigere „Vitesse“ als Sportmodell mit Schaltgetriebe und Heckspoiler manch britischem Geschäftsmann zu vorlaut auftrat.

Zerlegen wir den Namen mal: Die 3500 steht für den von General Motors zugelieferten 3,5 Liter V8 Motor, der mit 192 PS Leistung und 295 Nm maximaler Kraft auf der Kurbelwelle damals klar zu den Sportlimousinen zählte. Das Aggregat fand seinen Weg auch in eine Vielzahl von britischen Kleinserien-Sportwagen von TVR und Marcos, bis 2002 überlebte der ständig überarbeitete Vollaluminium-Motor sogar im Range Rover. Vanden Plas ist der Name eines alten belgischen Karosseriebauers, der nach dem Krieg von Austin Motors übernommen wurde. Der Zusatz „Efi“ markiert die Moderne und steht für Electronic Fuel Injection.

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Der Rover 3500 sieht heute noch frisch aus. Während die große Klappe nach langem Exil heute in Form ach so hipper Gran Turismos, Sportbacks und Co eine Renaissance erlebt, folgte Rover damals dem praktisch denkenden Zeitgeist in einer Spur mit Audi 100 Avant und Citroen CX. Letzterer war sicherlich der stärkste Mitbewerber des Briten, beide Autos boten ein Stück Individualismus in der Oberklasse.

Tür auf und reingeschlüpft in die flache Karosse. Der Innenraum empfängt mich mit Ledersitzen in „Bitter Chocolate“ – sehr stilvoll und im Originalzustand. Lediglich die Holzleisten im Innenraum hat Eigentümer Christian neu angefertigt, weil die alte Furnierfolie beim besten Willen nicht mehr aufzutreiben war.

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Ich nehme erst einmal auf dem Beifahrersitz Platz, so kann ich das Auto besser auf mich wirken lassen. Hier glotzt mich eine mittig vor dem Sitz platzierte Lüftungsdüse an, wie das Auge von HAL 9000 die Crew im Filmraumschiff „Discovery“. Der Grund dafür ist ganz simpel: Bei rechtsgelenkten Fahrzeugen nutzt die Lenksäule den gleichen Bauraum, es mussten also nicht zwei verschiedene Armaturenbrettversionen gefertigt werden. Genauso ist es mit der Scheibenwaschdüse, die mittig sitzt und für beide Scheibenwischerrichtungen gleichermaßen funktioniert.

Elektrische Fensterheber in allen vier Türen, das ebenfalls motorgetriebene Schiebedach – alles funktioniert einwandfrei. Nur die Klimaanlage hat die Grätsche gemacht, ein neuer Keilriemen löst das Problem aber schnell wieder. Das breite Cockpit wirkt aus heutiger Sicht wie eine Zukunftsvision, zum Beispiel die aktuelle S-Klasse folgt dieser Linie. Freilich beherbergt der Mercedes heute riesige Displays, während er Rover noch den analogen Geist der 70er Jahre zur Schau trägt. Abgefahren: Während die Tankfüllstandanzeige neben Gallonen auch Liter anzeigt und die Kühlwassertemperatur in Grad Celsius gemessen wird, pfeift der Öldruck auf das metrische System. Hier muss man mit der Variablen „Pound per Square Inch“ etwas anzufangen wissen. Der Bordcomputer ist da kosmopolitischer, hier kann man die Werte je nach Maßsystem umschalten. Zumindest bei einem Auto der 80er wollen wir aber nicht weiter über die Bordelektronik philosophieren, wir wollen cruisen.

Christian fährt uns aus der Stadt in Richtung Autobahn. Entspannt folgt der große Wagen dem Asphaltband. Der V8 hat bei Tempo 120 mit knapp Zweieinhalbtausend Umdrehungen gute Laune. Mir fällt auf, wie ruhig der Rover Bodenwellen und Asphaltflicken wegbügelt, dabei sanft nachschwingt ohne zu schaukeln. Für genau diese Abstimmung bedarf es heute teurer Adaptivfahrwerke mit Komfortmodus, damals erreichten das die Techniker mit dem „Niveaumaten“ an der Hinterachse, einem automatischen Niveauausgleich.

Fahrerwechsel, ich darf mal ran. Auch auf dem Fahrersitz genieße ich erstaunlich viel Freiraum. Hinter dem Lenkrad, groß wie ein Steuerrad, verstärkt sich der entspannende Charakter des 3500. Spätestens nach dem Ritt mit der Alfa Giulietta gleichen Baujahres (nachzulesen hier) überrascht, wie einfach der Rover zu fahren ist. Du fühlst Dich ein bisschen abgekoppelt von Straße und Außenwelt, so wie Schauspieler in alten Filmen aussahen, die auf einem Anhänger montiert scheinbar im Auto durch die Gegend fahren.

Die Servolenkung spricht gut an, hat in der Mittellage etwas Spiel, was jede Nervosität aus dem Fahrverhalten nimmt. Bei Landstraßentempo stampft der Motor im kaum hörbaren Achtzylinderton vor sich hin, zeigt bei Vollgas mit einem hochfrequenten Nagelgeräusch aber ganz schnell, wer hier das Muskelpaket ist. Auf der freien Autobahn lässt er sich dann auch nicht zweimal bitten: Der Wagen stürmt wehement nach vorn. Die Dreigangautomatik – wie der Motor aus dem GM Regal – haut im Kickdown den Zweiten rein und los geht es auf die linke Spur. Aus Respekt vor dem Alter des Autos – und vor Bremsen Liga 80er Jahre – lassen wir es bei 160 Sachen gut sein. Diese Geschwindigkeit ist ratzfatz erreicht und reicht vollkommen aus. Lassen wir Mutti im 90 PS Polo auf letzter Rille nur hektisch überholen, für uns ist heute der Weg das Ziel. Entspannt fließen wir mit Richtgeschwindigkeit im Verkehr mit. So wäre auch eine Non Stop Fahrt zum Gardasee ohne Probleme machbar. Nicht einmal ein Tankstopp würde uns aufhalten: Knapp 70 Liter Tankvolumen (ganz genau 69,5 Liter) und 11,5 Liter Super alle 100 km lassen eine Reichweite von über 600 km zu.

Zurück in der City zirkele ich den übersichtlichen Schrägheckwagen mit den dünnen Dachpfosten und der riesigen Heckscheibe ohne Assistenten in eine Lücke; ja, sowas geht noch! Schleichen wir nochmal um das Auto herum, das sich nach der Spritztour . Christians Wagen wurde damals in Italien ausgeliefert, wo er ihn auch rostfrei aus einer Garage herausgekauft hat. Nur dort wurden dem 3500 diese abstrakten Zusatzblinker montiert, die aussehen wie orange zuckende Brustwarzen.

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Das Blechkleid des Rover ist in ähnlich gutem Zustand wie das Interieur, dabei aber nicht ganz frei von ein paar Kratzern. Das ist gewollt. „Mein Auto darf 30 Jahre alt sein, da gehört Patina dazu“, erklärt Christian seinen Anspruch an den Youngtimer. Nur abgerockt dürfte er nicht sein. Davon ist dieses Exemplar aber ebenso weit entfernt die die Briten vom Euro. Apropos Euro. 6.500 davon hat das Auto gekostet, fast das Doppelte davon floss nochmal in die Restauration.

„SD1“ – diese interne Bezeichnung steckt auch im Wunschkennzeichen - blieb ein Einzelkind. Die großen Pläne einer Modellfamilie von Rover und Triumph, wurden nicht mehr Realität. So geht der 3500 auch als letzter echter Rover in die Geschichte ein, die Zusammenarbeit mit Honda, die Anfang der 80er dem Triumph Acclaim begann, brachte den Nachfolger auf Honda Legend Basis. Die 800er-Serie war auch ein super Auto, aber eben nicht mehr urbritisch. Schön, dass mir dieser automobile Fünfuhrtee eingeschenkt wurde. Lange genug hat er gezogen, Zeit für den Genuss. Schluss mit Tippen und Knipsen, ich nippe nochmal am Tässchen. Rover And Out.

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Text: Bernd Conrad