Zeitreise: Der Mitsubishi Colt 1500 GLXi aus 1991 im Test mit Video-Review.
Zeitreisen können überraschen. Vor allem dann, wenn sie unverhofft kommen und außerdem dann, wenn sie komfortabler sind als gedacht. Dazu später mehr. Als Herausgeber von AUTONOTIZEN habe ich die Ehre, in den Jurys zum „World Car of the Year“ (WCOTY) und „German Car of the Year“ (GCOTY) zu sitzen. Teil des GCOTY-Programms ist ein jährlicher Termin im Sommer, der Journalisten die Möglichkeit gibt, aktuelle Autos zu testen. Das dient zur Auffrischung oder zum Sammeln erster Erfahrungen mit einem Modell, da man nicht alle Fahrtermine wahrnehmen kann. Unabhängig davon findet später im Jahr die Auswahl von Kategorie-Finalisten und letztendlich zum „German Car of the Year“ statt.
Der Mitsubishi Colt im Video
Auch die japanische Marke Mitsubishi nahm an der Sommer-Veranstaltung teil. Und das ohne neue Modelle, denn bekanntermaßen ist im Moment Ebbe im Neuheitenkalender. Das stört den Importeur aber nicht allzu sehr. Der Kleinwagen Space Star und der Eclipse Cross Plug-in Hybrid verkaufen sich gut, zudem werden Neuheiten für 2023 vorbereitet. Der Nachfolger des Mitsubishi ASX kommt im Frühjahr, er basiert ebenso wie der für Herbst kommenden Jahres angekündigte neue Colt auf der Kompakt-Plattform der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz.
Kommen wir also zur ersten Überraschung: In den Reihen der vielen brandneuen Autos standen drei japanische Gebrauchtwagen in Form alter Mitsubishi Colt. Zwischen einem Colt C10, der von 1984 bis 1988 verkauften zweiten Europa-Generation des Kompakten, und einem Colt Z30, der bisher Letzte auf Basis des Smart Forfour, parkte mein persönliches Highlight.
Goldene Mitte in California Rot
„California Rot“ hieß die Farbe damals, die den Mitsubishi Colt C50 bedeckt. Der Dreitürer wurde von 1988 bis 1992 verkauft. Im Gegensatz zum Vorgänger gab es ihn nicht als Fünftürer. Für damalige Verhältnisse nicht ungewöhnlich: Japanische Marken teilten ihr Modellprogramm in der Kompaktklasse oft in einen Dreitürer und ein Stufenheckmodell mit vier Türen auf. Diese Karosserievariante hörte bei Mitsubishi als eigene Baureihe auf den Namen Lancer, kam später zudem auch als Fließheck, um den Lancer Kombi abzulösen.
Den Mitsubishi Colt gab es in vier Varianten. Die Basisausstattung GL war als Colt 1300 mit einem 75-PS-Benziner oder als 1800 Diesel mit 60 PS lieferbar, Topmodell war der 1800 GTi-16V mit 136 PS (bei Marktstart 124 PS). Die goldene Mitte verkörperte der Colt 1500 GLXi. Er hatte nicht nur einen 90 (zu Beginn 84) PS starken 1,5-Liter-Benziner unter der Haube, sondern im Vergleich zum GL auch eine umfangreichere Serienausstattung. Servolenkung, elektrisch einstellbare Außenspiegel und Drehzahlmesser gehörten ebenso zum GLXi, außerdem Dreispeichenlenkrad und die „stufenlos einstellbare Instrumentenbeleuchtung“. Die Stahlfelgen trugen immerhin Nabenkappen.
Ob die roten Zierstreifen in den Stoßfängern am Colt 1500 GLXi-Testwagen, Baujahr 1991, dem originalen Serienstand entsprechen, ist nicht ganz klar. Ein Blick in die zeitgenössischen Prospekte zeigen dieses Stilmittel nur beim GTi-16V. Andererseits tragen einige der wenigen Colt in den Gebrauchtwagenbörsen auch als GLXi dieses Make-up.
3,95 Meter lang ist der Mitsubishi Colt. Dieses Format haben heutzutage selbst Kleinwagen wie der VW Polo längst gesprengt, damals fuhr der Japaner damit aber direkt in die Kompaktklasse. Das klare Karosseriedesign gefällt auch heute noch. Schmale Scheinwerfer stehen mit dem Grill steil in Fahrtwind. Die nach oben gezogenen Blinker in den Kotflügeln vermitteln je nach Ansicht das Bild eines Lächelns oder eines Lidstrichs. Charakteristisch für den Colt sind das steile Heck und die schwarze C-Säule. Das sorgt für einen sportlichen Auftritt.
Willkommen in den 90ern
Mit dem filigranen Schlüssel öffne ich die Fahrertür. Eine zweite Überraschung: Nicht nur außen, sondern auch im Innenraum präsentiert sich das 31 Jahre alte Auto mit H-Kennzeichen und immerhin 169.000 Kilometern auf dem Zähler im Zustand eines Vorführwagens. Das dürfte nicht nur der Verdienst einer guten Aufbereitung beim Importeur sein, sondern auch der Pflege des/der Vorbesitzer/s. Bemerkenswert, den ein kompakter Asiate wie der Mitsubishi Volt zählte ja in den 1990er-Jahren nicht unbedingt zu den Autos, die man in Voraussicht auf ein Klassiker-Leben pflegte und aufhob. Spätestens die Abwrack-Prämie (wer erinnert sich?) brachte dem Leben vieler alter Gebrauchter ein jähes Ende.
Kofferraum und Fond sind, zumal aus heutiger Sicht, eher eng. Umso überraschender ist die bequeme Sitzposition für den Fahrer. Laut Preisliste bot der Colt GLXi „Sportsitze“. Die überzeugen mit angenehm fester Polsterung und guter Auflage für Gesäß und untere Rücken. Nur die Rahmenkopfstützen gefallen nicht, sie sind hart und zu niedrig.
So fährt sich der Colt
Das Cockpit ist gut zu bedienen. Wer heutige Touchscreen-Landschaften mit Bedienwirrwarr kennt, findet sogar die Tasten auf der Instrumentenhutze prima. Ansonsten gibt es Lüftungsregler und ein DIN-Radio. Darunter bietet ein Ablagefach Platz für Musikkassetten, zeitgemäß ist auch der Aschenbecher.
Kommen wir zur zweiten großen Überraschung: Dem Fahrverhalten. Auf Dreh des Schlüssels im Zündschloss springt der Vierzylinder ohne Probleme an. Erster Gang, einkuppeln und die Fahrt beginnt. Neue Stoßdämpfer dürften die Mitsubishi-Jungs ihrem Klassiker wohl spendiert haben, denn es ist erstaunlich, wie satt der Kleine auf der Straße liegt, dabei einen sehr ordentlichen Federungskomfort bietet. Der Sauger hängt gut am Gas, ab 3.000 U/min versammeln sich immerhin 126 Newtonmeter Drehmoment.
Die Werksangaben von 11,7 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h und von 170 km/h Höchstgeschwindigkeit prüfe ich aus Respekt vor dem Alter des Autos nicht nach. Gleichwohl muss der rote Colt aber auch nicht wie ein rohes Ei behandelt werden. Es geht durch Ortschaften, über Landstraßen und auch durch einige kurvige Gebiete. Die Übersicht ist sehr gut, die Lenkung gibt ein ordentliches Feedback und der nur knapp eine Tonne schwere Colt fühlt sich schön agil an. Im wahrsten Sinne des Wortes „ein Colt für alle Fälle“.
Zurück in der Gegenwart
Im manuellen Fünfganggetriebe muss man nicht ziellos herumrühren, die Anschlüsse sind sauber definiert. Alternativ gab es damals übrigens für den Colt 1500 GLXI eine Vierstufen-Automatik (während Konkurrent Mazda beim 323 noch eine Dreigang-Automatik anbot). Weil wir gerade beim Thema Handareit sind: Es zeigt sich, dass traditionelle Fensterkurbeln auch 2022 noch sehr gut dazu geeignet sind, die Frischluftzufuhr steuern zu können. Eine Klimaanlage gab es für den 1500er-Colt nicht, sie war ausschließlich für den 1800 GTi-16V als Nachrüst-Lösung zu haben.
Wenig überraschend: Am Ende wollen die Mitsubishi-Jungs ihren Colt leider wieder zurückhaben. Nun gut. Der Zündschlüssel wird zurückgedreht, auf Knopfdruck am Schloss kann er abgezogen werden.
Was kostet der Klassiker?
Als potenzielle Geldanlage hat wohl niemand einen Mitsubishi Colt über die Jahre gerettet. Für das Gebrauchsauto aus Japan sind auch heute Sammler nicht wirklich offen, wenngleich es eine Schar von Marken- und Modellfans gibt. Die können mit etwas Glück in den Online-Börsen ein gepflegtes Modell finden, dann liegen die Preise mit bei 3.000 bis 4.000 Euro. Das Angebot konzentriert sich meist auf den hier getesteten GLXi, die GTi-16Vs wurden wohl über die Jahre verbastelt und verheizt.
Fazit
Nicht nur auf der Straße, sondern auch im Job des Automobiljournalisten muss man manchmal „der Nase nach“ fahren. Einfach mal abbiegen und sehen, was kommt. Im Falle der Schlüsselwahl auch ein alter kleiner Japaner anstelle eines Neuwagens. Klar, im GCOTY-Zirkus ist der klassische Colt nur als Zaungast dabei. Aber er hat gute Karten, mein persönliches „Auto des Jahres“ zu werden.
Technische Daten
Mitsubishi Colt 1500 GLXi (C50), 1991 |
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Antrieb | Frontantrieb |
Hubraum | 1.468 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 66 kW / 90 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 126 Nm bei 3.000 U/min |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Tankinhalt | 50 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 8,5 / 5,5 / 7,5 Liter (Stadtverkehr / 90 km/h / 120 km/h nach Norm 80/1268 EG) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental EcoContact 6 175/70 R13 |
Leergewicht | 945 - 1.016 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.000 kg, Stützlast 50 kg |
Länge / Breite / Höhe | 3.950 / 1.670 / 1.380 mm |
Grundpreis | ab 16.980 DM (1300 GL, 1988) / 8.681,74 Euro |