Die erste IAA-Woche mit den Presse- und Fachbesuchertagen ist zu Ende gegangen.
Die erste IAA-Woche mit den Presse- und Fachbesuchertagen ist zu Ende gegangen. Jetzt stellen sich die großen Stars des Autoherbstes dem Publikum. VW Tiguan, Opel Astra, Mercedes C-Klasse Coupé und BMW 7er sind nur einige der Superhelden, die sich auf der Messebühne feiern lassen; und auch in der Automobilpresse.
Daher möchte ich diese Zeilen nutzen, um einige persönliche Notizen zu Besonderheiten und Kuriositäten während meines IAA-Aufenthaltes niederzuschreiben, die sich nicht um den automobilen Mainstream drehen.
Beginnen möchte ich mit einem großen Fragezeichen. Das entsteht im Kopf, wenn man über die Stände der beiden PSA-Marken streift. Ach so, es sind jetzt ja drei Marken, DS hat sich emanzipiert und eilig Facelifts der Modelle DS4 (ein irgendwie hochgelegtes, so sehr individuelles Kompakt-Coupé mit aber doch vier Türen und feststehenden hinteren Fenstern) und DS5 (das gleiche Abenteuer, nur eine halbe Klasse höher - aber auf gleicher Basis) zusammengeschustert. Der Citroen-Doppelwinkel musste nämlich flugs raus aus dem Grill, daher also auch eine eigene DS-Sektion am Citroen-Stand. Das wirkliche Highlight bei DS hat jedoch seine Premiere schon lange hinter sich: Die Mutter der Marke, der Citroen DS parkt fast schon zu verschämt in einer Ecke und wirkt noch heute wie aus einer besseren Autodesignwelt. Bei Citroen selbst dagegen altbekanntes, mal eben durch eine uninspirierte Mehari-Reminisenz auf C4 Cactus - Basis lauwarm serviert.
Auch Peugeot wirkt irgendwie getrieben, ja, man zeigt stolz den 308 GTI mit 270 PS, aber um auch im Blitzlichtgewitter nass werden zu können, darf eine Studie namens Fractal mit nach Frankfurt. Ein weiteres "ich werde nie gebaut" - Elektroauto, hier mit einem Heck inspired by Honda Civic.
Im Gegensatz zu Renault, wo neben dem frischen Kadjar gleich zwei Weltpremieren (Mégane und Talisman) zu feiern sind, wirkt PSA auf dieser IAA erstaunlich blass.
Das wird man auch in Halle 4, eigentlich sind hier die Zulieferer unter sich. Mittendrin stehen sich - ohne Stand sondern neben zwei Roll-Up Bannern - nicht nur zwei mehr oder weniger freundliche Russen die Füße platt, sondern auch ihr IAA-Beitrag. Nein, kein Lada, der Hersteller ist seit 2007 kein IAA-Aussteller mehr. AG Excalibur heißt das Unterfangen, Alligator das Monstrum von Auto. Es handelt sich um einen BMW X6 mit einem Krokodillederinnenraum und einem Spoilersatz, der optisch ganz eigene, neue Wege geht. Die Verarbeitung des ganzen ist eigentlich keine, eine Nummer dafür der Preis. "Bodykit 50.000 Euro" ist die knappe Antwort, "15.000 Euro aufwärts fürs Interieur". Der X6 kommt natürlich dazu. Schnell weg hier, meine Augen brennen, mir ist leicht übel. Und ich stelle mir zwei Fragen: A: Wer kauft so was? B: Wie sollen diese Leute den Alligator hier zwischen Audio-Hifi-Nachrüstern und Werkzeugbauern finden?
Kompakter wird es zwei Ecken weiter. Ein winziger Elektrowagen ist aus Südkorea angereist. Yebbujana heißt der Zwerg, der angeblich in zwei Jahren in Serie gehen soll und dann natürlich auch flächendeckend in Europa angeboten wird. Einen ähnlichen Plan verfolgt auch das Taiwanesische Start-Up Thunder Power, aber viel ernsthafter. Diese neue Marke zeigt sich in Halle 5 (die im Übrigen zur Hälfte von BRABUS besetzt ist). Der Thunder Power Sedan ist angeblich keine Antwort auf ein gewisses Model S, wurde von Zagato gestaltet und soll ab 2017 in Europa angeboten werden. Entwickelt von deutschen Ingenieuren in Italien und gebaut in einer neuen Fabrik in China.
Dort soll, bereits im kommenden Frühjahr, auch der Borgward BX7 vom Band laufen. "Seit 1919" steht in großen Lettern am Stand, womit die Zeit zwischen 1961 und 2015 mal eben nicht mehr existiert. Mehr zum Borgward BX7 hier .
Eine Halle weiter wird es italienisch. Auch Lancia ist nochmal da, das wäre doch nicht nötig gewesen. Denken wohl auch viele Menschen hier. Denn trotz Weltpremiere - das einzige Modell Ypsilon bekam nochmal ein Facelift - ist außer einem eifrig knipsenden und kritzelnden Chinesen wirklich ausschließlich Personal am Stand.
Aber klar, alle drängeln sich um und in Alfas neue Giulia. Ein in der Tat schickes Auto, zumindest als QV. Je länger man hinsieht, desto mehr versteht man das Management, noch immer keine bodenständigeren Versionen zu zeigen. Denn ohne Schweller, Vierrohrauspuff und mächtige Felgen sieht Giulia leider genau so aus, wie ein 159er-Nachfolger halt aussehen sollte und musste. Die lange Wartezeit für das Comeback hätte man ruhig auch nochmal für frischere Designzutaten nutzen können. Interessant im Auto. Das neue Alfa-Emblem zeigt sich auf dem Lenkrad, also dort wo des Fahrers Auge jeden Tag mit der Marke in Kontakt kommt, nicht in den typischen Farben sondern schlicht Silber. Da gehört auch Mut dazu.
Den beweist auch Hyundai, nicht unbedingt damit, dass sie mit "N" ein eigenes Hochleitungs-Label launchen wollen, sondern mit der Ausführung. Genauso nahe, wie der Buchstabe N am M ist, sind sich auch die Farben der Submarke mit den traditionellen Tönen um BMWs M-Signet. Naja, das werden Patentanwälte sicherlich geprüft haben.
Toyota will im Gegensatz zu den Koreanern nicht auf der linken Spur mitmischen, sondern positioniert sich strikt umweltfreundlich. Der Wasserstoff-Mirai ( Bericht hier ) zeigt sich und hat den brandneuen Prius mitgebracht. Bei dessen Technik wurde eine große Chance vertan. Während überall die Plug-In-Hybride mit immer mehr Reichweite aus dem Boden sprießen, belässt es Toyota beim verbesserten Antriebsstrang des Vorgängers. Also maximal ein bis drei Kilometer elektrisch, dann setzt der unwillige Benziner ein. Meinen ersten Eindruck zum Prius gibt es hier. Ein bisschen Frieden mit dem Design finde ich nach und nach zumindest am Heck. Sagen wir es so: Man kann verstehen, warum das so sein muss. Für die Frontpartie mit den seltsam zackigen Scheinwerfern gilt das aber nicht.
Ach so, eine Studie gibt es auch noch. C-HR heißt der wirre Crossover aus Coupé, Fratzengesicht und Kompakt-SUV. Bei Nissan gibt es das gleiche Rezept unter dem Namen Gripz. Diese Autos sehen leider - in meinen Augen - weder gut aus noch können sie irgendwas besonders toll. Daher sollte der Trend zu solch aufgequollenen Studien jetzt mal wieder enden. Sonstige Neuigkeiten bei Nissan? Der Pick Up Navara, neue Batteriepakete für den Leaf in 2016, das war es. Da muss weiterhin der altbewährte GT-R als Eyecatcher herhalten.
Einen solchen gibt es auch bei Kia, aber viel erreichbarer. Der neue Sportage überzeugt nicht nur wie auf den ersten Bildern vor ein paar Wochen ( Bericht hier ), er begeistert sogar. Das Versprechen, dass das Karosseriedesign gibt, hält der verblüffend geräumige Sportage auch innen. Das Cockpit ist modern und hochwertig, nach meinem ersten Eindruck auch mit besserem Finish als beim Hyundai-Schwestermodell Tucson.
Aus Korea kommen aber nicht nur Yebbujana, Hyundai und Kia. Die Offroadmarke SsangYong ist auch da. Zuerst geht es in den riesigen, skurrilen Rodius. Wie kann man denn da die Sitze umlegen, um zur dritten Sitzreihe zu gelangen? Ich drücke, suche und presse - aber finde nichts. Der nur aufgelegte Teppichboden wellt sich protestierend zur Seite, während auch das Standpersonal mit zwei Mann bei der Suche nach dem Hebel hilft - aber erstmal nichts findet. Es klappt dann doch irgendwann. Zur Verteidigung des Rodius muss man sagen: Ein Blick in die Bedienungsanleitung hätte sicherlich genügt. Und als der Rodius damals entwickelt wurde, gab es das Adjektiv "intuitiv" in Autos noch nicht so oft. Nach einer kurze Verschnaufpause im riesigen SsangYong-Bus schaue ich mich bei dem Hersteller mal weiter um. Und entdecke die Studie XLV Air. Dieses Auto soll im Frühsommer 2016 auf Basis des kleinen und frischen Tivoli in Serie gehen und gefällt mir sehr gut. Das darf auch über einen SsangYong gesagt werden, jawohl. Das Package überzeugt ebenso wie das Design. Länger als der Tivoli verzichtet der XLV Air auf Pseudoplätze sechs und sieben, punktet dafür mit einem riesigen Kofferraum. Diesen Anspruch unterstützt die Karosseriegestaltung mit dem Bekenntnis zur Kastenform, und zwar einer sehr gelungenen. Das kann was werden mit der kleinen SsangYong-Baureihe aus Tivoli und seinem Bruder. Hier bleibe ich gespannt am Ball.
Jetzt aber doch noch mal kurz zu den großen Premiummarken. Mercedes, Audi und BMW - jeder der drei hat einen ganz eigenen Auftritt. Mercedes in der gewohnt großen Halle mit IKEA-Prinzip (fahre erstmal ganz hoch, dann lauf durch jede Abteilung durch) im drückenden Schwarz, was irgendwie wenig Emotionen zulässt. Audi stellt Dich auch erstmal auf eine Rolltreppe, schickt Dich dann durch den Eisraum (Thema "Home of Quattro") und durch einen langen wild blinkenden Gang ("Audi Sport"), bevor sich in der eigens errichteten Halle alle Modelle im Rampenlicht drängeln dürfen. Darunter auch was mit Gasantrieb, Hybrid und natürlich der Studien-Star e-tron quattro Concept (Vorstellung hier). Alternative Antriebe sind also da, der gebündelte Auftritt dieser Technologien bleibt aber aus. Was auch die Strategie des Herstellers sein kann, e-tron, g-tron und Co. sollen sich wohl einfach unters Benziner- und Dieselvolk mischen.
BMW hat ntaürlich auch eine eigene Halle und zeigt es in Gebäude 11 den beiden Mitbewerbern meiner Meinung nach, wie es noch besser geht. Am Eingang grüßen kurz die Konzernmarken Mini und Rolls-Royce, bevor man in die BMW-Welt eintaucht. Gefühlt 100 Autos stehen hier herum, aber alles schön weitläufig und transparent. X1 und 3er Facelift sind Premieren, aber klar dreht sich vieles um das neue Flaggschiff, den 7er ( Vorstellung hier ).
Das Publikum kann sich an einer perfekt inszenierten Bühnenshow zum 7er begeistern lassen, Autos fahren durch die Halle (man hat von fast überall guten Blick auf die Strecke) und drehen sich dann vor gigantischen Bildschirmen. Hier wird das Produkt gebührend gefeiert.
Auch konsequent umgesetzt ist die zweite große Showeinlage. Nachdem die Bayern mit Efficient Dynamics und BMWi ein grünes Image bereits streifen, wird nun der "eDrive" ausgerollt - und auch das können sie. Über die Hallenbahn stromern natürlich i3 un i8, aber auch X5 und der neue 7er als Plug-In Hybride, der 330e und der brandneue 225xe, beide auch mit Steckdosenkabel ( Bericht zu den Autos hier ). Das alles keinesfalls pompös oder aufdringlich, sondern schlicht vollendet. BMW stellt sich als High-Tech-marke dar. Der Markenauftritt von BMW hinterlässt des nachhaltigsten Eindruck der IAA-Tage, eine solch konsequente Kommunikationspolitik hat meinen Respekt.
Während auf dem Messegelände immer mehr Autos ihren Saft also aus der Steckdose nuckeln, holt Dich draußen die Realität ein. Ja, es gibt ein paar Stromladesäulen. Aber diese sind in Frankfurt ausnahmslos mit Baustellenabsperrungen umgeben oder "außer Betrieb". Da bringt dann jeder noch so gelungene Markenauftritt nichts.
Weitere 12 Bilder im Fotoalbum. Und weitere Fotos mit "Warum" Fragen hier.
Text und Fotos: Bernd Conrad