Viele Autohändler kämpfen am Markt. Aber oft mit stumpfen Waffen.
Neulich mal an einem Samstag. Im Autohaus einer großen Volumenmarke stehen fünf Verkäufer-Schreibtische. Alle leer. Ein einzelner Berater ist gerade dabei, Herrn und Frau Paul und Lieschen Müller ihren neuen Kompakt-SUV zu erklären. Nachdem sich die Müllers wohl ihren ersten Neuwagen seit 13 Jahren gekauft haben, wird alles erklärt. Was ist eine Sitzheizung, wozu braucht man elektrisch verstellbare Spiegel etc.
Das ist sehr schön, dass man den Kunden das Auto so detailliert erklärt. Und das ist nicht des Verkäufers Lieblingsaufgabe. Denn unsere Beispielkunden, ein Rentnerehepaar, haben ihr Auto bestimmt bar bezahlt. Da bekommt ein Autoverkäufer eine Provision in Höhe eines zweistelligen Eurobetrages (!). Hat aber gewiss die eine oder andere Stunde vor der Vertragsunterschrift mit den beiden diskutiert, unzählige Schonkaffees gekocht und Farbe und Felgen mehrfach umbestellt. Und dann die Übergabe am Samstagvormittag.
Der ein oder andere potenzielle Kunde geht einfach wieder. Ob einer von Ihnen einen Leasingvertrag mit Wartungspaket und Versicherungen abschließen wollte? Mit hoher Provision für Autohaus und Verkäufer? Wo sind denn die Kollegen, die zu den Schreibtischen gehören?
Es geht auf die andere Straßenseite, zu VW. Mein Tür auf / Tür zu am ausgestellten Tiguan wird vom Verkäufer zumindest nicht mit der abgedroschenen Floskel „kann ich Ihnen helfen?“ begrüßt. Viel besser: „Wenn Sie der interessiert – wann brauchen Sie denn ein neues Auto“. Da stelle ich doch mal drei Monate später in Aussicht und werde arrogant abgewunken „da können Sie das Modell vergessen, die Lieferzeiten.“
So steht man nun da, bekommt nicht einmal ein Vergleichsmodell angeboten (müsst Ihr nicht dringend ein paar Passat loswerden, Stichworte Abgasskandal und sinkende Zulassungszahlen?). Willkommen zurück in der automobilen Planwirtschaft.
Da investieren Autohersteller Millionenbeträge in Auftritte auf Automessen und veranstalten Road Shows noch und nöcher. Die Autohausbetreiber werden mit immer fieseren Verträgen zu hohen Investitionen in neue Gebäude, bestimmtes Mobiliar und sonstige Corporate Identity-Vorgaben gezwungen. Und dann hapert es am Personalmanagement.
Das Fachbuch „Management im KFZ-Betrieb“ von Michael Zülch (hier gibt es Informationen und die Bestellmöglichkeit – das ist ein Affiliate Link) beziffert die Zahl der jährlich verkauften Neuwagen je Verkäufer mit durchschnittlich 95 Einheiten.
Also scheint das Volumenziel im Autohaus, in dem das Ehepaar Müller gerade zugange ist, für die Damen und Herren wohl schon abgehakt zu sein. Wie wäre es aber einmal mit überdurchschnittlicher Performance?
Die Krux liegt aber in vielen Fällen gewiss nicht bei den Verkäufern. Die kämpfen mit sinkenden Margen, Probefahrt-Touristen (die unbedingt jetzt sofort spontan am Samstag einen Kombi Probefahren wollen – zu IKEA und zurück) und Druck „von oben“. Autohausketten und –besitzer sind an der Reihe, das Kundenerlebnis entspannter zu gestalten.
Meine Vorschläge:
Flexible Arbeitszeitmodelle und Öffnungszeiten
Am Dienstag um 10:30 Uhr müssen nicht alle Verkäufer anwesend sein, aber abends bis 20 Uhr und am Samstag wäre doch fein – wenn nämlich die Damen und Herren Kunden nicht selber im Büro sitzen.
Aufgabenverteilung
Klar geht persönlicher Kontakt über alles, aber wie wäre es, wenn der Verkäufer unsere Müllers an einen Produkt-Erklär-Spezialisten übergibt, der die Stunde der Übergabe macht? Den Blumenstrauß und die Sektflasche mit dem Händleretikett bekommen die Kunden dann wieder vom Verkaufsberater.
Digitale Öffnung
Nicht jeder Kunde spaziert gleich zu Beginn des Kaufprozesses in den Glaspalast. Das Internet wird immer wichtiger, Seiten wie dieser Blog, etablierte Medienauftritte und auch Plattformen wie mobile.de und autoscout24.de (zum Fotos gucken) spielen oftmals die Hauptrolle für den Kunden. Und auch der Handel muss seine potenziellen – und bestehenden Kunden – deutlich digitaler ansprechen.
Mehr Leidenschaft
Hierfür gibt es ein gutes Beispiel: Ein Kia-Vertragshändler in der Nähe von Stuttgart pflegt seinen Facebook-Auftritt, ruft dort Gruppen mit Infos und Diskussionen zu neuen Modellen ins Leben und ist stets digital erreichbar. Zudem veranstaltet er aber auch ganz analoge Ausfahrten, ähnlich einem Markenclub. Organisiert im Netz.
Diese Leidenschaft für Autos, das Verkaufen und das Verkaufen von Autos sollte im Handel eigentlich zum guten Ton gehören. Denn rein rational kann der immer informierte Kunde sich ein neues Auto sonst irgendwann bei Amazon und Co. in den Warenkorb legen. Die liefern dann bestimmt nach Hause – wieder ein Kontaktpunkt weniger.
Zur Diskussion bin ich gerne bereit. Auf Facebook. Oder per Email. Die Adresse steht ganz unten.
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