Renault Talisman Viel Glück!

Wer kauft sich in Deutschland eine französische Mittelklasselimousine?

Schaut man sich die Verkaufszahlen von Citroen C5, Peugeot 508 und dem verblichenen Renault Laguna an, zumindest nicht viele Menschen. Der Fuhrparkkontrollierte Außendienstler darf vielleicht zwischen BMW 3er, C-Klasse, A4 wählen, oder die Firma gibt Mondeo, Passat und als einzigem ausländischen Kandidaten Superb zur Auswahl. Je nach Leasingkonditionen und Großkundenrabatt.

Bleiben also ein paar Privatkunden, die eh immer weniger werden (weil ein junger Gebrauchter meist erreichbarer ist). Von dieser Teilmenge der Abnehmer muss man nun noch die Mittelklassekunden selektieren – Ihr merkt, das wird eng, vor allem in der Schicht unterhalb des Rentenalters.

Zumindest dem hohen Alter potenzieller Kunden will die Renault Presseabteilung entschieden entgegenwirken. Den neuen Talisman (ja, der heißt wirklich so!) präsentieren sie allen Ernstes als „Coupé-Limousine“. Nun denn, lassen wir das mal wirken. Bei einem Volkswagen CC oder einem Mercedes CLA lasse ich diesen Begriff von mir aus durchgehen, da beide Derivate von „richtigen“ Limousinen sind. Und genau so eine ist der Talisman auch.

Flach und sportlich sieht er nicht aus, im Gegenteil – das Ding ist ein stattliches Stufenheck, und das ist gut so. Gehen wir doch einmal virtuell um das Auto herum.

Die Frontpartie: Das kommt wohl dabei heraus, wenn in einer Designabteilung Stechuhrenzwang herrscht und Monsieur oder Madame noch Zeit absitzen musste. Eine in ihren Grundzügen gute Gestaltung wurde durch den zu sehr geschwungenen Chromrand um den Grill und vor allem um die wie wahllos hineingestopften Tagfahrlicht-Krallen verfratzt. Das mag ein gutes Lichtdesign im Rückspiegel geben, sieht aber – sagen wir – seltsam aus.

Das Profil: Besser, aber dermaßen lange Überhänge machten schon dem abgelösten Passat das Leben schwer. Warum die Chromeinlage im vorderen Kotflügel mit einer uninspirierten Sicke in der Fahrer- bzw. Beifahrertür weitergeführt werden musste, nur ohne Chromeinlage, erschließt sich zumindest mir auch nicht sofort. Der Dachschwung erinnert an Audis A3 Limousine (ja, die heißt wirklich so, ohne „Coupé“)

Das Heck: Sicherlich die Schokoladenseite des neuen Renault. Die Heckleuchten sind schön breit, zudem wurde die Heckpartie in ihrer reduzierten Klarheit nicht mit unnötigen Fugen verunstaltet. Mein Tip also: Immer Vorwärts in die Garage stellen, dann sieht man morgens einen eleganten Heckabschluss. Über die wenig sinnvollen Auspuffblenden mag ich mich nicht mehr auslassen.

Das Interieur: Wie beim Plattformspender Espace gruppiert sich auch im Talisman alles um ein großes, hochkant platziertes, Display. Das sieht aufgeräumt aus, ebenso die digitalen Instrumentenanzeigen hinter dem (warum nicht runden?) Lenkrad. Die Materialmischung aus Kunststoff, Holzeinlagen und Leder muss man mögen, hier kommt es vor allem auf eine gute Farbkombination an. Mehr können wir erst nach einem ersten Lebendkontakt sagen.

Unter der Haube: Wie die ganze Plattform übernimmt der Talisman auch die Motoren vom Raumgleiter Espace. Das heißt, über 1,6 Liter Hubraum gibt es erstmal nichts. Dieselmotoren von 110 bis 160 PS Leistung genügen aber den meisten Ansprüchen, für Wenigfahrer darf es sicherlich auch gerne der 200 PS Turbobenziner sein.

Der Verwöhneffekt: Punkten soll der Talisman vor allem mit viel Raum für Passagiere und 608 Liter Gepäck sowie mit Komfortfeatures: ventilierte Sitze mit Massagefunktion, Ambientebeleuchtung und Head Up – Display sind neu für den Mittelklasse-Renault, aber leider auch nichts herausragendes mehr im Wettbewerbsumfeld.

Daher wünschen wir Renault in der Mittelklasse weiterhin viel Glück – einen so großen Talisman können die Franzosen also zumindest in Deutschland gebrauchen.

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Text: Bernd Conrad
Bilder: Hersteller