Premiere es langerwarteten Elektroautos vom US-chinesischen Start-up.
Michael Faraday (1791 – 1867) würde seine experimentelle Arbeit bestätigt sehen. Der Wissenschaftler hat 1836 den nach ihm benannten Faradayschen Käfig auf vier Glasfüße gestellt, um die Abschirmung eines elektrischen Feldes zu demonstrieren. Mit Erfolg.
Nicht vier Füße, sondern vier Räder hat das erste Elektroauto der nach ihm benannten Firma. Das mit der Abschirmung passt als Einleitung auch ganz gut, denn die Premiere auf der CES, die dieser Tage in Las Vegas startet, findet abgeschirmt von allen Berichten über finanzielle Probleme und personelle Schwierigkeiten beim jungen Autohersteller statt.
FF91 ist die schlichte, leicht kryptische Bezeichnung für das batterieelektrische Crossovermodell. Das ist ein ganz schönes Trumm: 5,25 Meter Länge, 2,28 Meter Breite und 1,59 Meter Höhe sorgen für Präsenz auf der rechten Autobahnbaustellenspur. Der Radstand beträgt 3,20 Meter. Die Mercedes R-Klasse war wohl ihrer Zeit schlicht ein paar Jahrzehnte voraus.
„Eine neue Form der elektrischen Mobilität“ verspricht Faraday Future, „welche die Performance eines Supersportwagens mit präzisem Handling, dem Komfort einer Luxuslimousine und einer einzigartigen Sammlung intelligenter Online-Features verbindet.“
Klingt nach Tesla Model X? Genau gegen den will Faraday den FF91 auch positionieren. Der erste optische Eindruck: Das mit chinesischem Investorengeld finanzierte Auto wirkt, als ob ein italienisches Designstudio für einen französischen Hersteller eine Zukunftsstudie für den Genfer Salon modelliert hat. Was heißen soll: „Nine-One“ weiß durchaus zu gefallen, wird also zum „nice one“.
Auch Faraday Future macht beim Leistungswettrüsten der Elektroauto-Start-ups kräftig (!) mit. Nachdem Lucid Motors kürzlich 1 Megawatt Leistung in Aussicht stellte ( Vorstellung des Lucid Air hier ), hantiert Faraday Future wieder mit der altertümlichen Währung PS. Damit man auch vierstellig bleibt.
1.050 Pferdestärken sollen den großen Reisewagen hinter den Horizont werfen. Unvorstellbarer ist die Angabe von 1.800 Nm maximalem Drehmoment und der Beschleunigungswert von 0 bis 96 km/h (60 mph) von 2,4 Sekunden. Da sollten auch Bugatti Chiron-Piloten doch einmal in den Rückspiegel schauen. Darunter kommt nur noch eine Fahrt im Katapult, oder - wieder muss Elon Musk herhalten - im Hyperloop.
Den gibt es im FF91 nicht mehr, Kameras hängen an den Vordertüren. Außerdem ist er schon für die autonome Zukunft vorbereitet, 13 Radarsensoren, zwölf Ultraschallsensoren, zehn HD-Kameras und ein 3D-Lidar-Sensor in der Fronthaube sind verbaut.
Aufgebaut ist das Auto auf einer neuen, variablen Plattform. Im Chassis stecken die Batteriepakete: 130 kWh Speicherkapazität bieten die zusammen mit LG Chem entwickelten Akkus. Ein mitgeliefertes Schnellladesystem soll innerhalb von einer Stunde den Elektronenbedarf wieder decken. An der heimischen Steckdose sollen in viereinhalb Stunden zumindest 50% der Akkukapazität nachgenuckelt werden.
Faraday Future spricht von der Premiere des Serienfahrzeugs. Bilder vom Innenraum bleibt man aber schuldig, hier wird der Blick also abgeschirmt wie beim Faradayschen Käfig. Die Serienfertigung soll erst im Jahr 2018 starten. Medienberichten zufolge ist der Bau des Werks im US-Bundesstaat Nevada kürzlich aufgrund ausbleibender Zahlungen unterbrochen worden.
Trotzdem können willige Kunden den FF91 ab sofort vorbestellen. 5.000 US-Dollar Anzahlung sind dafür nötig. Die ersten 300 Besteller sollen im März 2017 auf eine besonders noble „Alliance Edition“-Sonderserie upgraden können. Es bleibt also weiterhin spannend, ob, wann und was Realität wird. Aller Abschirmmaßnahmen zum Trotz.