Unterwegs mit dem Business-Maserati. Bei Sonne und Regen.
Wenn einem nichts mehr einfällt, spricht man über das Wetter. Der Maserati Ghibli hat viel mitzuteilen, bringt viel rüber – bis „das Wetter“ kommt. Das Regenwetter. Dann weiß er nicht so richtig weiter. Besser gesagt seine angetriebene Hinterachse.
Ist die Straße nass, wird er nervös. Selbst beim simplen Abbiegen an der Ampel mit gesundem, aber nicht zu schweren, Gasfuß rubbelt er mit zweimal 295 Millimetern Kontaktfläche ungelenk über den Asphalt, liefert sich dabei mit dem harsch eingreifenden ESP einen Kampf – bei dem am Ende natürlich die Elektronik als Sieger aus dem Ring steigt.
Der Fahrer gewinnt auch, und zwar eine Erkenntnis. Die, dass der „I.C.E.“-Schalter in der Mittelkonsole seine Berechtigung hat. Damit startet man den „Increase Control and Efficiency“ Modus, der das Ansprechverhalten des Motos herunter regelt und die Motivation aus dem Antriebsstrang abzieht.
Bravo. Der erste Fahrbericht zu einem Maserati bei AUTONOTIZEN und er beginnt mit dem Fahrprogramm für Sparspaß statt Fahrspaß. Aber das mit voller Absicht. Denn dies ist der einzige Moment, in dem der Maserati Ghibli Diesel zickt. In dem er den ungehobelten Herrenwagen mimt, was ich trotz aller Business Class – Ambitionen eigentlich schon von der ersten Diesellimousine unter dem Dreizack erwartet hätte.
Da spielt der Ghibli Diesel aber nicht mit. Die leichte Verwirrung – haarscharf an der Grenze zur Enttäuschung – nimmt er dabei in Kauf. Und ich auch nach kurzer Zeit.
So schnurren wir ohne Hast über Landstraßen und durch Ortschaften. Unter der Motorhaube, deren Rundungen über den vorderen Radkästen und die vielen Kanten einen herrlich eigensinnigen Ausblick ermöglichen, arbeitet ein drei Liter großer V6 Turbodiesel, zugeliefert vom Motorenbauer VM Motori.
202 kW / 275 PS stemmt er auf die Kurbelwelle. Dabei klingt er, wie ein großer Selbstzünder mit sechs Töpfen eben klingt. Maserati-Hörerwartungen werden erst mit Druck auf die Sport-Taste im Cockpit erfüllt. Zumindest synthetisch. Denn dann sorgt ein Lautsprechermodul für bollernden Motorsound innen wie außen, der aber leider recht künstlich klingt. Ein bisschen so, als ob man Metallica mit dem Smartphone-Lautsprecher hört.
Lassen wir das Knöpfchengedrücke in der Mittelkonsole einfach mal sein und nehmen den kleinen, und dennoch großen, Maserati so, wie er ist. Auch in Sachen Federungskomfort.
Der Testwagen hatte kein adaptives Fahrwerk, bei Maserati Skyhook genannt, an Bord. Mit den Seriendämpfern trampelt er durchaus straff über Querfugen und andere Unebenheiten, zeigt dabei aber gleich seine knisterfreie Verarbeitung und eine hohe Karosseriesteifigkeit.
Das wahre Metier des Ghibli Diesel ist die Autobahn. Bei höheren Geschwindigkeiten ab 160 km/h verliert das Fahrwerk seine Härte, die breite Limousine zieht stur geradeaus in Richtung Horizont. Dabei ist weder vom Motor noch vom Wind viel zu hören. So ermöglicht das Auto hohe Reiseschnitte, ohne dich als Pilot ständig zur Ausreizung der maximalen Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h (elektronisch begrenzt) zu animieren. Was andere Verkehrsteilnehmer durchaus irritiert. Die flache Front mit dem zugekniffenen Bi-Xenon-Blick hat gehöriges Überholprestige. Man würde gerne aufblenden, nur im dem Passat-Piloten vorne zu sagen „Ich fahre kaum schneller als Du, komme nicht mit 220+ angeflogen“.
Naja egal, dann bleibt zumindest die Bahn frei und der Maserati kann verheimlichen, dass er von so neumodischem Zeug wie einem adaptiven Abstandsassistenten nichts hält. So offenbart er also beim Kilometersammeln seine wahre Bestimmung: Er ist ein Reisewagen par excellence.
Für zwei Personen zumindest. Die sitzen vorne auf sehr bequemen Ledersitzen, die ausreichend Seitenhalt bieten. Hinten wird es eng, für ein Auto dieser Größe zu eng. Es bleibt wenig Knieraum, die Füße passen gerade so unter den Vordersitz und ab 1,80 Meter Größe bleibt keine Luft über dem Scheitel. Aber ein Chauffeurauto will der Ghibli auch gar nicht sein, dafür gibt es den deutlich geräumigeren Quattroporte.
Weil man im Ghibli also auf die Straße schauen soll, anstatt den Bick von hinten rechts durchs Auto wandern zu lassen, gibt sich die kleinere der beiden Maserati-Limousinen sichtlich weniger Mühe bei der Inneneinrichtung. Während sich im Quattroporte viel echtes Metall polieren lässt, adert der Pragmatismus durch das Ghibli-Interieur. Die zu dicken silbernen Rahmen in der Mittelkonsole und um die hervorragend ablesbaren Rundinstrumente sind ehrlich: Sie sehen aus wie Kunststoff und sind aus Kunststoff.
Der zentrale Monitor des Infotainment-Systems ist optimal platziert und reagiert zuverlässig auf Fingertapsen. Mit seinem breiten schwarzen Kunststoffrahmen sieht er aber leider aus wie nachträglich montiert, da hilft auch der dominante Ghibli-Schriftzug wenig.
Für die Zielführung nutzt Maserati ein Garmin-System mit allen seinen Vorzügen: Fixe Routenberechnung und klare Ansagen. Was ich leider während der Testfahrten nicht geschafft habe war die Umstellung der Kartenansicht von nordweisend auf perspektivisch.
Das iPhone wurde in noch keinem Auto schneller gekoppelt, extrem zügig lädt das System die Kontakte und auch Musik aus dem Telefon ist binnen Sekunden startklar. Automobile Dynamik im digitalen Zeitalter. Während man in Ingolstadt oder Stuttgart also noch Geräte bestätigt und Listen lädt, ist der Italiener schon unterwegs. Sowohl auf der realen wie auch auf der Datenautobahn.
Dabei sollten immer beide Hände am Lenkrad sein. Da sind sie im Ghibli gut aufgehoben. Das ausreichend weit in alle Richtungen verstellbare Volant liegt gut in die Hand und die aus vollem Metall gefrästen Schaltpaddels sind ausreichend groß, um auch auf kurvigen Straßen stets in Fingerreichweite zu sein – was bei den kleinen Kunststoffwippen der Mitbewerber oftmals ein störendes Umgreifen verlangt.
Oft zum Tanken aussteigen muss man als Fahrer des selbstzündenden Maserati nicht. Was weniger am Verbrauch liegt (knapp 11 Liter Diesel alle 100 km im Testzeitraum, mit durchaus gemischter Fahrweise), sondern am großen 80 Liter Tank. Also kann man die während der Fahrt gesparten Minuten darin investierten, am Ziel vor dem Auto stehen zu bleiben, um das Design wirken zu lassen.
Respekt gebührt den FCA-Lobbyisten dafür, die flache Front mit dem knackig kurzen Überhang durch die EU-Fußgängerschutzverordnung manövriert zu haben. Das Profil mit den Lüftungsschlitzen im Kotflügel und den beruhigend klaren Flächen strebt Richtung Heck, der besten Seite des Autos. Das ist breit und muskulös, als ob der Fahrtwind den Haufen Blech über die Hinterachse geschaufelt hat. Ein bisschen Kim Kardashian am Rädern also. Und auch genauso polarisierend.
Rein objektiv drängt sich der Maserati Ghibli nämlich nicht in den Vordergrund. Er ist deutlich teurer als seine ausgesuchten Mitbewerber. 66.000 Euro Grundpreis stehen in der Preisliste aus Modena. Ein BMW 530d mit 258 PS wirkt dagegen mit 52.300 Euro wie ein Schnäppchen, der 313 PS starke 535d liegt mit 59.400 Euro auch noch deutlich darunter. Beide sind aber schnöde Stangenware, während der Ghibli edlen Designerzwirn mimt. Keine Maßkonfektion, denn dann würde der Innenraum weniger knapp ausfallen.
Als Firmenwagen muss man sich den Ghibli leisten können, und das nicht finanziell – mit aggressiv kalkulierten Angeboten machen das die paar Maserati-Händler gar nicht so schwer. Vielmehr ist es die Überzeugungsarbeit beim Chef – darf man mit einem Maserati beim Kunden vorfahren? Nimmt man das knappe Servicenetzwerk in Kauf? Als Betriebsausgabe empfiehlt sich der Wagen also eher für Freiberufler (Anwälte, Architekten) und Künstler.
Fazit
Als Auto weiß der Ghibli Diesel durchaus zu gefallen. Er ist eine zügig vorankommende Limousine ohne große Schrulligkeit. Und genau deswegen enttäuscht er ein bisschen als Träger des Maserati-Dreizacks. Zumindest mit dem Selbstzünder wirkt er zu weltlich, gar zu gekonnt. Ein Lob also an die Ingenieure und ein Tadel an die eigene Erwartungshaltung.
Wer als Maserati-Enthusiast ebenso irritiert ist, dem bleibt immer noch das umwerfende Design des Ghibli. Die Front zeigt, dass man auch mit kleinen Scheinwerfern ein dynamisches Design verwirklichen kann. Über die Flanken, die die Kurven schon andeuten, gipfelt das gepresste Blech in einem Hintern, der jenseits der heutzutage typischen „Breite Heckleuchten mit Kante über der Kennzeichenmulde“ – Rezeptur fast schon autoerotisch endet.
Da fällt mir dann auch nichts mehr ein. Ach ja, das Wetter: Die Sonne scheint.
Technische Daten
Maserati Ghibli Diesel |
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Hubraum | 2.987 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 202 / 275 bei 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 570 Nm (600 Nm bei Overboost) bei 2.000 - 2.600 U/min |
Getriebe | 8-Gang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h (abgeregelt) |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,9 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 10,8 Liter |
Leergewicht | 1.835 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.971 mm / 1.945 mm / 1.461 mm |
Grundpreis | 66.000 Euro |
Testwagenpreis | 77.610 Euro |