Ford Focus ST 2019 Mein Freund, der Berg

Erste Fahrt im neuen Ford Focus ST. Ein großer Kurvenspaß!

Fuß vom Gas. Herunterschalten. Ein kurzer Zwischengasstoß, von der Software gesteuert. Kurz, aber hart anbremsen. Einlenken. Am Scheitelpunk wieder Gas geben, Kuppeln, Hochschalten. Und gleich wieder… Es ist die gefühlt 2.500-ste Kurve oder Spitzkehre an diesem Tag, an dessen Ende fast 250 Kilometer Kurvenstraßen gesammelt werden sein. Aber von Stress oder Langeweile keine Spur. Jedes Mal, wenn die leere Straße sich in einer neuen Formation um den Berg schlängelt, feiern die Synapsen ein kleines Fest.

Auf diesem Terrain zeigt der neue Ford Focus ST, was er kann. Nicht steril und anonym mit einer Präsentation auf einer Rennstrecke, sondern auf öffentlichen Straßen, mit Schlaglöchern und sonstigen Widrigkeiten. Und stets unter Einhaltung der Verkehrsvorschriften.

Adaptives Fahrwerk im Focus ST

Um den aktuellen Focus zum „Hot Hatch“ zu machen, haben die Ingenieure bei Ford Performance tief in ihre Trickkiste gegriffen. Die Fünftürigen Varianten des Focus ST haben ein adaptives Fahrwerk serienmäßig, der auch angebotene Turnier (Kombi) muss darauf verzichten – größere Radkästen hätten den Laderaum zu sehr eingeschränkt.

Das System erkennt Schlaglöcher und konditioniert die Dämpfer vor. Das gilt auch für das optionale Adaptiv-Fahrwerk, dass bei Anwahl eines von vier Fahrmodi auch in die Grundabstimmung der Dämpfer eingreift. Während das nicht verstellbare Fahrwerk den Kompromiss zwischen Sport und Komfort legt, lässt die im aufpreispflichtigen Performance-Paket enthaltene Variante im „Normal“-Modus mehr Federweg zu, im „Sport-Modus“ wird der ST deutlich strammer. Weil es im sportlichen Kompakten durchaus auch mal schnell gehen muss, gibt es zusätzlich zur Modus-Taste am Multifunktionslenkrad auch eine direkte Auswahlmöglichkeit für den „Sport“-Modus.

Langstreckentauglicher Kompaktsportler

Dann wird nicht nur das Fahrwerk verbindlicher, auch der Motorsound erhebt sich, leider aber nur künstlich gestaltet. Ford ist aber der Versuchung widerstanden, den Focus ST hier auf den Putz hauen zu lassen. Auch nach längeren Strecken nervt kein zu lautes Auspuffgeräusch, ab und zu provoziert man die Software zu gewollten Fehlzündungen. Beim Hochschalten lässt sie zudem die Drosselklappen kurz offen, was die Geschwindigkeit der Turboladerschaufeln nicht abfallen lässt. Diese „Anti Lag“-Funktion sorgt für noch mehr Einsatzbereitschaft des 280 PS starken Vierzylinder-Turbos, den man sich mit dem manuellen Sechsganggetriebe (mit verkürzten Schaltwegen) gefügig macht.

Torque Vectoring, ein gezielter Bremseingriff über die ESP-Steuerung in Kurven, sorgt für präzisere Radien. Ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial sorgt dabei für stete Traktion an der Vorderachse. Trotzdem kommt man dem Computer manchmal zuvor, bei Vollgas aus engen Kehren gibt es ab und zu kurzen Traktionsverlust. Gleichzeitig muss man konzentriert am Lenkrad bleiben, hohe Rückstellkräfte arbeiten stets gegen die Arme des Fahrers.

Motor und Fahrwerk machen den Focus ST zum ausgefeilten Kompaktsportler, komfortabler und erwachsener als der ungestüme Fiesta ST, dabei aber noch schneller und auf Wunsch auch ungestüm. Auch im Focus gibt es Recaro-Sportsitze mit tollem Seitenhalt, bei denen auch das Gesäß von großen Menschen zwischen die Sitzwangen passt. Während manche Fahrer im Fiesta ST darauf eine etwas zu hohe Position kritisierten, dürften die Stühle im Focus ST allen Staturen gut passen. Auch der ST bleibt natürlich ein Focus, also bietet er eine gute Ergonomie im Cockpit und ausreichend Platz auch im Fond, der dank steiler Türausschnitte auch gut erreichbar ist.

Fazit zum Ford Focus ST

Ford Focus ST 2019 Test Tropical Orange

Der Ford Focus ST ist nicht einfach ein Focus mit starkem Motor. Vor allem auf anspruchsvollen Stecken merkt man dem Auto an, dass die Performance-Ingenieure viel Arbeit ins Konzept und die Details gesteckt haben, der Sportsgeist tropft dem ST aus jeder Faser.

Dabei bleibt er aber alltagstauglich und drängt sich nicht in den Vordergrund, weder akustisch noch optisch. Mit 32.900 Euro für den handgeschalteten Fünftürer (es gibt auch einen 190 PS Diesel ab 31.900 Euro) ist er dabei fair eingepreist. Ein Hyundai i30 N mit 275 PS startet bei 33.100 Euro. Er gilt auch als aktuell brisantester Mitbewerber für den Ford Focus ST. Man darf auf erste Vergleichstests in der Fachpresse gespannt sein. Jetzt entschuldigen Sie mich aber bitte, ich muss weiter - da warten noch ein paar Kurven...

Technische Daten

Ford Focus ST

Hubraum 2.261 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 206 kW / 280 PS bei 5.500 U/min
Max. Drehmoment 420 Nm bei 3.000 - 4.000 U/min
Getriebe Sechsgang-Schaltgetriebe
Beschleuningung 0-100 km/h 5,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 7,9 Liter
Verbrauch real auf 100km 12,6 Liter (lt. Bordcomputer)
Reifenmarke und –format des Testwagens Michelin Pilot Sport 4235/35 R19
Leergewicht 1.508 kg
Länge / Breite / Höhe 4.388 / 1.825 / 1.458 mm
Grundpreis 32.900 Euro
Testwagenpreis 39.330 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad