Wir haben Dieselkraftstoff und GTL Fuel in einem Praxistest miteinander verglichen. Was bringt der sauberere Sprit auf Erdgas-Basis?
Antriebskonzepte wandeln sich und mit ihr die Mobilität. Menschen, die im urbanen Raum leben, steigen für die täglichen Besorgungen zwischen Kita, Supermarkt und Arbeitsplatz auf ein E-Lastenrad um, Berufspendler wählen ein Elektroauto. Aber es gibt auch noch die Kilometerfresser, die – ob aus beruflichen oder privaten Gründen – ständig auf Achse sind.
Fahrerinnen und Fahrer, für die ein Elektroauto mit häufigen Ladestopps nicht in Frage kommt. Die sich weder ein teures Brennstoffzellenauto leisten können noch mit der überschaubaren Infrastruktur von Wasserstofftankstellen zurechtkommen. Die Start- oder Zielpunkte abseits großer Bahnhöfe haben, womit die Bahn als Alternative ausfällt.
Der GTL-Test im Video
Menschen also, die auch weiterhin auf ein Auto mit Dieselmotor setzen. Die Vorteile des Selbstzünders liegen nach wie vor in den großen Reichweiten zwischen den Boxenstopps. Trotzdem muss es gelingen, auch diesen Antrieb sauberer und damit umweltgerechter zu gestalten. Ein Zukunftsszenario? Nein, wie unser Praxistest beweist.
Ein Seat Ateca 2.0 TDI 4Drive stand bereit. Der 110 kW / 150 PS starke Zweiliter-Diesel ist ein Serienauto mit einem Motor, der im Volkswagenkonzern eines der meistgebauten Triebwerke ist. Mit einem maximalen Drehmoment von 360 Newtonmetern, das ab frühen 1.600 U/min anliegt, ist das kompakte SUV stets ausreichend kräftig und zerrt bei Bedarf auch bis zu 2,1 Tonnen schwere Anhänger hinter sich her.
Diesel und GTL Fuel im Vergleich
Den vollgetankten Ateca haben wir in einem definierten Alltags-Fahrprofil bewegt. Im Speckgürtel der Großstadt nahm der Seat Landstraßen unter die Räder, ebenso Ortsdurchfahrten. Verbrauchsintensiver Stadtverkehr mit viel Stopp-and-Go stand nur ganz selten auf dem Programm. Auf längeren Autobahnstrecken wurde das Fahrassistenzprogramm Travel Assist zum Halten von Spur, Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann genutzt, der Geschwindigkeitsbereich lag stets zwischen 120 und 150 km/h. Zweimal wurde das Auto bis zur Höchstgeschwindigkeit beschleunigt. Sie wird vom Hersteller mit 197 km/h angegeben, laut Tachoanzeige hievt sich der TDI nach einigem Anlauf auf Tempo 202.
Nach 659 Kilometern mahnte die Anzeige im virtuellen Cockpit zum baldigen Tanken, die angegebene Restreichweite lag bei 30 Kilometern. Leerfahren bis der Motor ausgeht kam nicht in Frage, um die Technik nicht zu beschädigen. Der Bordcomputer zeigte einen Durchschnittverbrauch von 7,4 Litern an. Zeit für GTL.
Was versteckt sich hinter dieser Bezeichnung? GTL, „Gas-to-Liquid“ ist ein Diesel-Ersatzkraftstoff, bei dem Erdgas den Kohlestoffanteil beisteuert. Erdöl ist also nicht enthalten. Das Erdgas, beispielsweise als Abfallprodukt aus der Benzinproduktion gewonnen, wird in einem aufwendigen chemischen Prozess zu GTL-Kraftstoff raffiniert.
Die Vorteile von GTL sind schnell aufgezählt. Der kaum riechende Flüssigkraftstoff beinhaltet keine Schwermetalle wie Zink oder Chlor. Durch die bessere Verbrennung fallen weniger Emissionen an. Laut NORDOEL, unserem Kooperationspartner für den GTL-Versuch, emittiert GTL im Vergleich zu herkömmlichem Diesel 70 Prozent weniger Rußpartikel (bei älteren Motoren sogar noch mehr), 20 Prozent weniger Stickoxide und neun Prozent weniger CO2.
Weniger Schadstoffe
Wenn man den WLTP-Normverbrauch des Seat Ateca 2.0 TDI 4Drive heranzieht, der mit 5,8 – 6,4 Litern Diesel je 100 Kilometer einen kombinierten CO2-Ausstoß von 151 bis 167 Gramm je Kilometer bedeutet, kann das Auto auf dem Prüfstand diese Werte also auf etwa 136 bis 152 g/km senken. Um diese Ersparnis mit innermotorischen Maßnahmen und SCR-Katalysatoren zu erreichen, sind ganze Entwicklungsabteilungen monatelang beschäftigt. Uns reicht das Nachtanken mit GTL.
Etwas mehr als 51 Liter bekamen wir, nachgemessen durch das Einfüllen mit Fünf-Liter-Kanistern, in den Tank des Autos. Das zeigt, dass kaum noch Diesel darin schwappte, das Tankvolumen wird vom Hersteller mit 55 Litern angegeben. Der gemessene Verbrauch lag also bei 7,7 Litern. Ein Beleg dafür, dass Bordcomputer auch heutzutage noch leicht „schummeln“. Mit GTL statt Diesel ging der Seat Ateca wieder auf Reisen. Das Fahrprofil und die Strecken wurden kaum verändert, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Als Theoretiker begleitete uns ein db(A)-Messgerät, mit dem wir jeweils den Schalldruckpegel am Endrohr (57-58 db(A)) und im Innenraum im Stand (43), sowie innen bei 100 km/h (ca. 60) und 130 km/h (ca. 65) gemessen haben. Die anzeigten Messwerte sind fast identisch mit minimalen Vorteilten für GTL. Diese liegen bei teilweise ein bis zwei dB(A). Wichtig zur Einordnung: Eine Zunahme des Pegels um zehn dB(A) entspricht in der subjektiven Wahrnehmung einer Verdoppelung der Lautstärke.
Aber kommen wir doch zurück zur Praxis. Der Vierzylinder-TDI im Seat Ateca ist gut gedämmt. Mit GTL im Tank lief er aber gefühlt etwas ruhiger, vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten im hohen Gang. Genau in dem Bereich also, in dem der Drehmoment-Bär im Alltag oft vor sich hinschnurrt.
Durch die geringere Cetanzahl von GTL im Vergleich zu Dieselkraftstoff soll Gas-to-Liquid, Angaben von NORDOEL zufolge, die Leistung des Autos um etwa drei Prozentpunkte reduzieren. Im Alltag war davon nichts zu spüren. Auch den Höchstgeschwindigkeitstest auf der Autobahn erledigte der Ateca wie oben mit Diesel beschrieben.
Geringerer Verbrauch mit GTL Fuel
503 Kilometer später lief der TDI weiterhin zuverlässig. Und bewies damit, dass GTL voll alltagstauglich ist. Der Kraftstoff auf Erdgasbasis kann anstelle von Diesel getankt oder diesem auch in jedem beliebigen Verhältnis beigemischt werden.
6,6 Liter Durchschnittsverbrauch zeigte der Bordcomputer des Autos an. 34,17 Liter Diesel tanken wir an der Zapfsäule nach. Das entspricht einem realen Verbrauch von 6,8 Litern. Und damit kommen wir zum handfesten Vorteil für Umwelt und Autofahrer. GTL verbrennt nicht nur sauberer als Diesel, sondern lässt das Auto auch sparsamer werden! In unserem Fall um 0,9 Liter je 100 Kilometer, was eine zusätzliche Reduktion von CO2 und anderen Schadstoffen bedeutet.
Alle sind bereit. Bis auf die Behörden.
Denn Alltagstest hat GTL Fuel also bestanden. Was noch fehlt, ist eine Zulassung des Kraftstoffs durch die deutschen Behörden. Erst dann kann GTL Fuel im größeren Maßstab hergestellt und über Tankstellen verkauft werden. Schon heute können spezielle Kundengruppen, beispielsweise Flottenbetreiber, GTL Fuel bei NORDOEL beziehen. Baumaschinen, Gartengeräte, LKW oder auch Transportmaschinen in Hafenanlagen fahren bereits mit GTL Fuel des Hamburger Anbieters, ebenso die eigenen Firmenwagen.
Unterstützung kam zuletzt vom Volkswagen-Konzern. Der Autobauer hat jüngst bekanntgegeben, dass die aktuellen Vierzylinder-TDI-Modelle für den Betrieb mit Paraffinischen Kraftstoffen und XTL-Fuels, zu denen auch GTL Fuel gehört, freigegeben werden. GTL Fuel ist also eine sauberere Alternative zu Diesel auf Basis von Erdöl. Sobald dieser Kraftstoff in größeren Mengen produziert und vertrieben werden kann, dürfte er nicht teuer als Diesel sein.
Doch hier ist die Reise in Richtung Zukunft noch nicht zu Ende, denn GTL Fuel ist eine Brückentechnologie auf dem Weg zu E-Fuels. Diese synthetischen Kraftstoffe, die es für Benziner und Diesel geben wird, können komplett CO2-neutral gestaltet werden. Spätestens dann, wenn der Kohlenstoffanteil im Treibstoff aus CO2 gewonnen wird, dass im Produktionsprozess zuvor der Atmosphäre entzogen wurde.
Fazit
AUTONOTIZEN ist technologieoffen. Verbrenner stehen hier ebenso im Fokus wie Elektroautos mit Batterie oder Brennstoffzelle. Und auch alles, was noch so kommen mag. Deswegen wird hier auch kein Antriebskonzept verteufelt oder auf das mediale Abstellgleich geschoben.
Dass der Diesel das nicht verdient hat, zeigt dieser Praxistest. GTL Fuel ist, als Zwischenschritt zu E-Fuels, ein wichtiges Instrument, um schnell die Emissionen im Straßenverkehr zu senken. Der geringere Verbrauch freut nicht nur die Umwelt, sondern – je nach Preisgefüge – auch den Geldbeutel.
Treibstoffanbieter wie NORDOEL und Autohersteller stehen bereit. Was jetzt noch fehlt ist die Freigabe durch die Behörden. Wann ist der Staat so weit?
Diese Berichterstattung entstand mit Unterstützung von NORDOEL.
Technische Daten
Seat Ateca 2.0 TDI 4Drive Xperience |
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Abgasnorm | Euro 6 AP |
Hubraum | 1.968 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS bei 3.000 - 4.200 U/min |
Max. Drehmoment | 360 Nm bei 1.600 - 2.750 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Tankinhalt | 55 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 197 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,8 - 6,4 Liter (WLTP) |
Verbrauch real auf 100km | 7,4 Liter (Diesel) // 6,8 Liter (GTL) |
Leergewicht | 1.602 kg (Basismodell) |
Anhängelast (gebremst) | 2.100 kg, Stützlast 88 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.381 / 1.841 / 1.615 mm |
Grundpreis | 36.620 Euro (Style) / 38.770 Euro (Xperience) |