Hyundai Ioniq 6 Langstrecke Langstrecke mit dem E-Auto

Was kann der Hyundai Ioniq 6 auf der Autobahn und am Schnellader?

Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass Effizienz und Reichweite bei einem Elektroauto eine weniger große Rolle spielen, solange man schnell laden kann. Warum? Der sparsame Umgang mit Energie sollte, unabhängig von der Antriebstechnik, oberste Prämisse sein. Der Strom kommt bekanntermaßen nicht nur aus der Steckdose, sondern muss auch produziert werden.

Der Test im Video

Der Hyundai Ioniq 6 soll, seiner aerodynamisch geformten Fließheckkarosserie sei Dank, besonders knauserig sein. Trotzdem schließt sein Konzept die Faktoren Reichweite und Lade-Power nicht aus. Der 77,4 kWh große Akku des Topmodells mit Allradantrieb und 239 kW (325 PS) Systemleistung soll, nach WLTP-Norm, für eine Reichweite von 519 Kilometern sorgen. Dazu kommt die 800-Volt-Technologie, mit der die E-GMP-Plattform (Electric Global Modular Platform) der Hyundai Motor Group vorfährt. 240 kW Ladeleistung werden, unter Idealbedingungen versprochen, in 18 Minuten soll der Ladezustand des Akkus von zehn auf 80 Prozent steigen.

Erst Rallye, dann Langstrecke

Wir sind, sozusagen als Vorspiel, mit dem Hyundai Ioniq 6 auf der „New Mobility Rallye“ der Motor Presse Stuttgart, dem Verlag u.a. von „auto motor und sport“ und „MO/OVE“, unterwegs. Über eine Strecke von 166 Kilometern ging es dabei durch Ortschaften und über Landstraßen. Am Ende der Fahrt und einzelner Wertungsprüfungen (vom schlechten Abschneiden der AUTONOTIZEN-Mannschaft wird jetzt bewusst nicht berichtet!) nennt der Bordcomputer einen Verbrauch von 17,8 kWh Strom auf 100 Kilometer.

Am Schnelllader saugt der Koreaner seine Akkuzellen mit Elektronen voll, den nach der Veranstaltung geht es auf die Heimfahrt mit dem Ioniq 6. Die führt über rund 330 Autobahn-Kilometer von Walldorf in Rheinland-Pfalz zum Flughafen München.

Realistischer Test statt Hypermiling

Hyundai Ioniq 6 Autobahn Langstrecke Test Reichweite Ladeleistung

Ein realitätsfremdes „Hypermiling“ wollen wir nicht starten, es geht um den Langstrecken-Test des Elektroautos in alltäglichen Fahrsituation. Was bedeutet das? Wir fahren im regnerischen Wetter mit eingeschalteter Klimaanlage und schwimmen mit dem Verkehr mit.

Auf tempolimitierten Strecken und im Pendlerverkehr hält der Highway Driving Assist des Hyundai das Tempo, die Spur und den Abstand zum Vordermann. Bei Betätigung des Blinkers steuert die Software auch den Spurwechsel. Wird dabei zu stark vom Fahrer am Lenkrad geruckelt, bricht das System den Spurwechsel ab. Ein schmaler Grat, denn sobald man die Hände leichter werden lässt, mahnt die Anzeige dazu, das Lenkrad nicht loszulassen.

Unser Testwagen ist mit den digitalen Außenspiegeln ausgestattet die als Option 1.300 Euro Aufpreis kosten. Die schmalen Kameras an den A-Säulen sollen dank ihrer besseren Aerodynamik im Vergleich zu herkömmlichen Spiegeln die Reichweite erhöhen. Ihre Bilder werden auf Displays an den Ecken des Cockpits übertragen, wo sie deutlich besser einzusehen sind als die Anzeigen im Audi Q8 e-tron.

Digitale Spiegel als Option

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Trotzdem muss man sich an die neue Technik gewöhnen. Oft blickt man, über Jahrzehnte konditioniert, auf die Kamera – eben dorthin, wo das Gehirn das Spiegelglas verortet. Zudem muss man beim Blick auf das Display den internen Schalter auf Nahsicht umlegen, was einen klitzekleinen Moment dauert. Dafür entschädigt der Digitalspiegel mit Liniengrafiken, die anhand der Totwinkelüberwachung anzeigen, wann man sicher die Spur wechseln kann.

Auf leeren Autobahnabschnitten wird der Ioniq 6 beschleunigt, erreicht auch kurz mal seine Höchstgeschwindigkeit 185 km/h und legt weitere Strecken mit rund 160 km/h zurück. Ein realistisches Autobahn-Szenario eben. Gefahren wird meist im Normal-Fahrmodus.

Der Komfort des Fahrwerks mit frequenzselektiven Dämpfern ausgestatteten Fahrwerks gefällt. Der Koreaner liegt satt auf der Straße, schwingt auch nach langen Wellen nicht nach. Die Pirelli-Reifen, die auf die optionalen 20-Zoll-Räder aufgezogen sind, lassen Spurrillen links und rechts liegen. Der Geradeauslauf ist ebenso beruhigend wie die kaum vorhandenen Windgeräusche um die aerodynamisch optimierte Karosserie.

Wie klappt die Routenplanung?

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Das Ziel der Reise wurde im werksseitig eingebauten Navigationssystem des Autos eingegeben, dazu ein Schnelllader kurz vor Ankunft. Das soll der Software die Möglichkeit geben, den Akku vorzuheizen. Stoisch bleibt die Reichweiteanzeige bei Werten um 400 Kilometer stehen, der Stromverbrauch pendelt sich, laut Bordcomputer, bei Werten um 22 kWh auf 100 Kilometer ein.

Nach 190 Kilometern erscheint eine Meldung im zentralen Infotainment-Display: Das Navigations-Ziel und der Schnelllader unserer Wahl sind mit der Akkufüllung nicht erreichbar. Es werden Ladesäulen entlang der Route angezeigt. Leider war das bei der Zieleingab am Startpunkt nicht möglich – ein Softwareupdate soll hier aber bald Abhilfe schaffen.

Im Auto beginnt eine Diskussion. Wir wollen den Reichweitentest maximal ausreizen, aber ohne uns in die 88-km/-LKW-Kolonne einzureihen. Wir beschließen, die immer häufiger auftretenden Meldungen im Infotainment-Display zu ignorieren. Das Tempo wird leicht gedrosselt, wir sind mit 110 bis 120 km/h unterwegs – und auch dann alles andere als ein Verkehrshindernis. Außerdem wird über den Knopf am Lenkrad der Eco-Modus aktiviert.

Die Reichweitenanzeige sinkt weiter. Bei 50 Kilometer Rest meldet das Auto, dass die Motorleistung reduziert wird. Bei unserem entspannten Fahren auf der rechten und mittleren Spur ist davon aber nichts zu spüren.

Wir schaffen es bis zum geplanten Ziel. An der Autobahnabfahrt meldet das digitale Kombiinstrument einen „State of Charge“ des Akkus von vier Prozent, der durch die Rekuperation an einer Ampel mit folgender Ortseinfahrt auf fünf Prozent erhöht wird. Damit rollt der Hyundai Ioniq 6 am HPC-Stellplatz an, das Kabel wird eingesteckt.

228 kW Ladeleistung

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Es dauert ein paar Sekunden, in denen Auto und Ladesäule Informationen austauschen. Dann steig die Ladeleistung zügig auf rund 115 kWh an. Bei 30 Prozent Füllstand folgt der sprunghafte Anstieg auf 228 kW. Das vom Hersteller versprochene Wert von 240 kW wird als fast erreicht.

Dabei handelt es sich aber eher um einen Gipfel, weniger um ein Plateau. Die Leistung fällt bald auf Werte deutlich unter 200 kW ab. Nach 22 Minuten sind aber 81 Prozent Akku-Füllung erreicht. Wenn man bedenkt, dass Hyundai 18 Minuten für die Füllung von zehn auf 80 Prozent verspricht, erfüllt der Ioniq 6 also die gesetzten Erwartungen. Auf maximale Füllung sollte man beim Fahren langer Strecken, das ist bekannt, nicht setzen. Das zeigt auch der Ioniq 6, der dann schnell auf Werte von rund 6 kW abfällt.

Nach 334 zügig gefahrenen Kilometern notieren wir einen Stromverbrauch von gut 22 kWh auf 100 Kilometern, könnten die Fahrt nach 22 Minuten wieder fortsetzen - wenn da nicht der Burger-Brater locken würde.

Fazit

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Das Reisen mit einem Elektroauto funktioniert reibungslos. Zumindest in Deutschland, wo mittlerweile ausreichend Schnelllader entlang der Autobahnen bereitstehen. Und zumindest für die aktuelle Zahl von E-Autos, lange Wartezeiten muss man selten befürchten.

Im Fall des Hyundai Ioniq 6 mit seiner hohen Ladeleistung kann der Boxenstopp kurzgehalten werden. Unterwegs gefällt der Koreaner mit hohem Fahrkomfort und geringem Verbrauch. Auch dann, wenn man unterwegs nicht zur Wanderdüne mutiert.

Technische Daten

Hyundai Ioniq 6 mit Uniq-Paket

Antrieb elektrischer Allradantrieb
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Systemleistung: kW / PS 239 kW (325 PS), 605 Nm
Batterie 77,4 kWh Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) 240 kW
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test 228 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 11 kW (dreiphasig)
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test 11 kW
Beschleuningung 0-100 km/h 5,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 16,9 kWh, Reichweite 519 km (mit 20-Zoll-Felgen)
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km 22,1 kWh auf der Autobahn, gesamt im Testzeitraum 18,0 kWh
Reifenmarke und –format des Testwagens Pirelli P Zero 245/40 R20
Leergewicht 2.113 kg
Anhängelast (gebremst) 1.600 kg
Länge / Breite / Höhe 4.855 / 1.880 / 1.495 mm
Grundpreis 64.200 Euro
Testwagenpreis 66.960 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Matthias Gill, Bernd Conrad